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Irans Atomprogramm | Wird das Mullah-Regime in Teheran zur Atommacht?


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Eskalation im Iran?
Zwölf Tage zur Atombombe


Aktualisiert am 06.03.2023Lesedauer: 6 Min.
Fotos vom Atomprogramm des Iran, von Hackern veröffentlicht: Schon bald könnte die islamische Republik Material für eine Atombombe haben.Vergrößern des Bildes
Fotos vom Atomprogramm des Iran, von Hackern veröffentlicht: Das iranische Regime ist dem Bau einer Atombombe näher denn je. (Quelle: Twitter/Emily Schrader/Black Rewards)
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Im Iran wurde hochangereichertes Uran entdeckt – nicht weit davon entfernt, für eine Atomwaffe zu taugen. Doch wie groß ist die Gefahr wirklich?

Am Dienstag war es so weit: Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) bestätigte, was lange befürchtet wurde. Der Iran ist im Besitz von hochangereichertem Uran. Partikel weisen einen Reinheitsgrad von 83,7 Prozent auf – und taugen damit fast zum Bau einer Atomwaffe. Dafür bräuchte es einen Reinheitsgrad von 90 Prozent. Schon Mitte Februar hatten Medien unter Berufung auf Diplomatenkreise über den Fund in einer Atomanlage in Fordo berichtet.

Gefährlich schnell nähert sich das iranische Regime damit einem Szenario, das der Westen mit dem Atomabkommen von 2015 eigentlich verhindern wollte: eine Atommacht im Nahen Osten. Doch wie hoch ist das Risiko für den Bau einer nuklearen Waffe im Iran tatsächlich? t-online gibt einen Überblick.

Was ist das Atomabkommen?

Das Atomabkommen, auch als Wiener Nuklearvereinbarung oder Joint Comprehensive Plan of Action (JCPoA) bezeichnet, wurde im Jahr 2015 zwischen Deutschland, Frankreich, Großbritannien, den USA, Russland, China und dem Iran geschlossen. Die Unterzeichnung am 14. Juli galt als Sternstunde der Diplomatie, denn zuvor hatten die Staaten zwölf Jahre um eine gemeinsame Lösung gerungen.

Die sah schließlich wie folgt aus: Der Iran verpflichtete sich, sein Atomprogramm einzuschränken, sodass es nur noch für Forschungszwecke verwendet werden darf. Dazu gehörte etwa der Abbau von zwei Drittel der Zentrifugen; der Verzicht, abgebrannte Brennelemente wiederaufzubereiten und Uran nicht mehr als auf einen Reinheitsgrad von 3,67 Prozent anzureichern. Kontrolliert werden sollte das von der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA). Im Gegenzug wurden die westlichen Sanktionen gegen den Iran aufgehoben.

Ziel des Pakts war es zu verhindern, dass das iranische Regime Atomwaffen entwickelt. Doch im Jahr 2018 zogen sich die USA unter dem damaligen Präsidenten Donald Trump einseitig aus dem Abkommen zurück und belegten den Iran mit harten Sanktionen. Es sei "der schlechteste Deal" aller Zeiten, sagte Trump damals und warf dem "Terror-Regime" in Teheran vor, das Abkommen nicht einzuhalten. Das reagierte im Sommer 2019 und machte die Beschränkungen rückgängig. Seitdem verstößt das Regime kontinuierlich gegen die Vereinbarung: Die Produktion von niedrig angereichertem Uran wurde erhöht, der Anreicherungsgrad schrittweise gesteigert, Überwachungskameras wurden abgebaut.

Nach den Funden der hochangereicherten Partikel ist der Chef der Internationalen Atomenergiebehörde Rafael Mariano Grossi zu Gesprächen nach Teheran gereist. Im Anschluss kann er zumindest einen teilweisen Erfolg verkünden: Irans Präsident Ebrahim Raisi habe einer genaueren Überwachung der Nuklear-Anlagen zugestimmt. Nun sollen etwa im vorigen Jahr abgebaute Kameras wieder in Betrieb gehen. Die Details müssten allerdings noch geklärt werden.

Wie ist der Stand um das Atomabkommen (JCPoA)?

In der Vergangenheit bemühten sich die Bundesregierung, aber auch Frankreich immer wieder um neue Verhandlungen. Mit dem Regierungswechsel 2021 in den USA schloss sich dem auch US-Präsident Joe Biden an. Die Gespräche sollten erneut aufgenommen werden. Im Sommer 2022 legte die EU Teheran einen Kompromissvorschlag vor – zu einer Unterzeichnung kam es jedoch nicht.

Spätestens seit das Regime seit September 2022 gewaltsam gegen Demonstrierende vorgeht, sind die Verhandlungen um das Abkommen festgefahren. Offiziell für beendet erklärt hat sie jedoch bislang keine Regierung, denn die Sorge vor einer nuklearen Eskalation ist groß. Fragt man beim Auswärtigen Amt an, ob es Gespräche gibt, um die Verhandlungen wieder aufzunehmen, ist die Antwort schwammig. Auf Anfrage von t-online antwortet das Auswärtige Amt mit diversen Links und Auszügen aus Redebeiträgen. Ein eindeutiges "Ja" oder "Nein" scheint es nicht zu geben.

Gespräche gebe es derzeit keine, so ein Sprecher des Auswärtigen Amtes in einer Erklärung Ende Januar. Man fokussiere sich darauf, die Bevölkerung im Iran zu unterstützen, die für ihre Freiheit kämpfe. Andererseits seien sich "alle einig", dass "eine nukleare Eskalation unbedingt mit allen diplomatischen Mitteln verhindert werden muss", sagte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock bei der Münchner Sicherheitskonferenz Ende Februar. US-Außenminister Antony Blinken äußerte sich auf seiner Nahost-Reise im Januar ähnlich und forderte das iranische Regime zu einer diplomatischen Lösung auf. Die aber erscheint aussichtslos. Und nicht nur das: Das iranische Regime ist einer Atombombe näher denn je.

Will der Iran tatsächlich eine Atombombe bauen?

Schritt für Schritt hat das iranische Regime den Reinheitsgrad seines Urans erhöht und sein Atomprogramm ausgebaut. Aus den anfänglichen Drohgebärden könnte nach Einschätzung von Experten und Expertinnen bald Wirklichkeit werden. "Da das Regime die nuklearen Fähigkeiten immer weiter ausbaut und den Westen als zögerlich und schwach wahrnimmt, könnte die iranische Führung sich dazu entscheiden, die Atomwaffen tatsächlich zu bauen", schreibt Ulrike Becker, Leiterin Forschung und Mitbegründerin des Mideast Freedom Forum Berlin (MFFB), auf Anfrage von t-online.

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Auch Ali Fathollah-Nejad, deutsch-iranischer Politikwissenschaftler, kritisiert, dass weder die EU noch die USA ein geeignetes Druckmittel auf Teheran gefunden hätten, um das Regime von seinem Kurs abzubringen. "Unter diesen Umständen haben iranische Offizielle das Vertrauen gewonnen, dem Westen damit zu drohen, dass alle Optionen auf dem Tisch liegen", so Fathollah-Nejad auf Anfrage von t-online.

Als weitere Triebfeder sieht er die Proteste der iranischen Bevölkerung gegen die Islamische Republik. Auch bei dieser stößt das Atomprogramm des Regimes mehrheitlich auf Ablehnung. "Wenn das Regime mit anhaltenden Herausforderungen aus dem Inneren des Iran, aber wenig internationalem Druck konfrontiert ist, kann eine Atomwaffe ein entscheidender Faktor sein, der das Überleben der Islamischen Republik langfristig garantiert, so zumindest manche Kalkulation in Teheran", schreibt der Experte. Der Weg dahin werde aber ein steiniger sein, nicht zuletzt wegen zu erwartender intensiverer israelischer Sabotage-Aktionen.

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Wie schnell könnte der Iran eine Atomwaffe bauen?

Das iranische Regime könnte binnen kürzester Zeit nicht nur eine, sondern gleich mehrere Atomwaffen herstellen. Ein Pentagon-Vertreter äußerte bei einer Anhörung im US-Kongress zuletzt die Befürchtung, dass das Regime "in etwa zwölf Tagen" einen nuklearen Sprengkopf bauen könnte, wie US-Medien berichteten. Laut David Albright, Physiker und Waffenexperte des nichtstaatlichen Instituts für Wissenschaft und internationale Sicherheit, könnten es in kürzester Zeit sogar mehrere Atombomben sein.

Das Regime brauche nur einen Monat, um genug waffenfähiges Uran für vier Atomwaffen herzustellen, schreibt er in einem Bericht von Ende Dezember. In einem Zeitraum von zwei Jahren könnte Teheran zudem eine Vielzahl von Atomwaffen auf industrieller Basis produzieren lassen. In nur wenigen Wochen könnte der Iran damit zur Atommacht aufsteigen und das Kräftegleichgewicht im Nahen Osten gefährlich verändern. Was die Folgen daraus sein könnten, lesen Sie im Tagesanbruch von t-online-Chefredakteur Florian Harms.

Kann der Westen Teheran von der Atommacht abhalten?

Die Wahrheit ist: Der Westen kann nur versuchen, den Bau einer Atombombe im Iran zu verhindern, doch es ist ungewiss, ob es ihm gelingt. Zu angespannt ist das Verhältnis mit dem Regime, das zahlreiche europäische Staatsbürger gefangen hält, ja teils sogar hinrichten will und mit mörderischer Gewalt gegen die Bevölkerung vorgeht. Mehr als 500 Menschen wurden laut der in den USA ansässigen Nichtregierungsorganisation Human Rights Activists News Agency (HRANA) bei den Protesten getötet. Fast 100 Menschen wurden seit Beginn dieses Jahres durch das Regime hingerichtet, berichtet die Menschenrechtsorganisation Amnesty International. Mehrmals hatte die EU deshalb Sanktionen gegen das Regime verhängt. Doch das hält an seiner Gewalt fest. Es liefert auch weiterhin Drohnen an Russland und unterstützt damit den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine.

Vor diesem Hintergrund hält es Ulrike Becker, Forscherin vom MFFB, für einen Fehler, weiter allein auf die Wiederbelebung des Atomabkommens und ein diplomatisches Einwirken auf das iranische Regime zu setzen. Die Bundesregierung müsse sich zusammen mit ihren Partnern und auch Israel auf einen "Plan B" verständigen. "Dazu gehört vor allem, wirksamen Druck auf das Regime auszuüben und klarzumachen, dass der Bau von Atomwaffen drastische und ernsthafte Maßnahmen der internationalen Gemeinschaft, einschließlich militärischer Angriffe gegen die Atomanlagen, nach sich ziehen wird", so Becker.

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Gleichzeitig fordert sie, dass der Westen sich "klar an die Seite der Freiheitsbewegung" stellen sollte. Dafür sollte die EU der Forderung der Protestierenden nachkommen, die Revolutionsgarden des iranischen Regimes auf die EU-Terrorliste zu setzen. Das hatte die EU bislang aus juristischen Gründen abgelehnt. So müsste es etwa erst Ermittlungen in einem EU-Land gegen ein Mitglied der Revolutionsgarden geben, um die Organisation auf die Terrorliste zu setzen. Dem aber widersprechen Experten: "Wo ein politischer Wille wäre, wäre auch ein Weg", sagt etwa Walther Michl, Professor für öffentliches Recht und EU-Recht an der Universität der Bundeswehr in München, der ARD-Korrespondentin Natalie Amiri. Er sieht keine juristischen Hürden.

Neben einer Visa-Sperre für die Regimekräfte würde mit der Aufnahme in die EU-Terrorliste auch das Geld der Mitglieder der Revolutionsgarde in der EU eingefroren werden. Experten gehen von einer Milliardensumme aus, die dem Machtapparat Teherans somit vorerst entzogen würde. Weil die Revolutionsgarde auch für das iranische Atomabkommen verantwortlich ist, würde diese Maßnahme ihr Ziel exakt treffen, so Becker. Zudem würde sie ein klares Signal an die Freiheitsbewegung im Iran senden: "Wir stehen an eurer Seite."

Verwendete Quellen
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