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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Trump erkennt Niederlage nicht an Auch diese Präsidenten klammerten sich an ihre Macht
Das amerikanische Volk hat Donald Trump abgewählt. Doch der noch amtierende Präsident krallt sich weiter an die Macht. Die Parallelen zu früheren oder noch aktiven Potentaten sind beunruhigend.
Er will es immer noch nicht akzeptieren. Donald Trump weigert sich auch elf Tage nach der Präsidentschaftswahl in den USA beharrlich, seine Niederlage gegen Joe Biden einzugestehen – auch wenn er auf einer Pressekonferenz eine erste Einsicht angedeutet hat. Mehr dazu sehen Sie im oben im Video oder hier.
Auf Twitter spinnt er aber seine Geschichte von der angeblich gestohlenen Wahl und dem gigantischen Betrug weiter. Er schickt Heerscharen von Anwälten ins Feld, die jedoch bislang keine Beweise für die harten Anschuldigungen vorgelegt haben.
Ist es Narzissmus, wie manche meinen, dass eine Niederlage im Selbstverständnis des 74-Jährigen offenbar nicht vorkommen darf? Oder ist es vielleicht eine große Politshow, wie auch gemutmaßt wird, mit der Trump ein mögliches Comeback in vier Jahren vorbereitet? Welche Motivation auch immer dahinter steckt: Das Auftreten des noch amtierenden Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika weckt beunruhigende Assoziationen. Freilich hat sich Donald Trump einer freien und fairen Wahl gestellt. Doch gleichwohl stellt er sich nun in eine Reihe mit Machthabern, die den Willen des Volkes nur dann akzeptierten, wenn er gleichgerichtet war mit ihrem Machtanspruch. Eine kleine Auswahl.
Laurent Gbagbo, Elfenbeinküste
Der Präsident des westafrikanischen Landes weigerte sich im Herbst 2010, seine Niederlage gegen Herausforderer Alassane Ouattara einzugestehen. Während die unabhängige Wahlkommission des Landes sowie internationale Beobachter einen klaren Sieg für Ouattara sahen, erhob der von Gbagbos Gefolgsleuten dominierte Verfassungsrat Betrugs- und Manipulationsvorwürfe und annullierte die Wahl.
In der Folge brachen Unruhen aus. Gbagbo ließ die Grenzen schließen. Seine Armee machte Jagd auf mutmaßliche Ouattara-Anhänger und begann mit ethnischen Säuberungen. Der Gewalt fielen schätzungsweise 3.000 Menschen zum Opfer, Hunderttausende wurden vertrieben. Im April 2011 setzten Ouattara-getreue Truppen mit französischer und UN-Unterstützung Gbagbo in seiner Residenz in Abidjan fest. Er wurde später ausgeliefert und in Den Haag wegen Kriegsverbrechen angeklagt. Gbagbo lebt heute in Belgien und wartet dort das Ende des Verfahrens ab.
Nicolas Maduro, Venezuela
Auch Venezuelas amtierender Präsident hat gewisse Probleme mit freien Wahlen. Deshalb setzt er sie gleich von vornherein so an, dass die Opposition kaum Chancen hat. 2018 zog Maduro die Präsidentschaftswahlen kurzfristig um mehrere Monate nach vorn und schloss die wichtigsten Kandidaten der Opposition von der Teilnahme aus. Die Gegner Maduros sprachen von einer Showveranstaltung und riefen zum Boykott der Wahl auf.
Das Ergebnis war eine historisch niedrige Wahlbeteiligung – und wie nicht anders zu erwarten ein Sieg von Nicolas Maduro. Donald Trump verurteilte damals das Vorgehen der venezolanischen Führung als Versuch, "eine demokratische Wahl zu korrumpieren", und verhängte harte Sanktionen.
Slobodan Milosevic, Serbien
Der frühere serbische Präsident klammerte sich verbissen an die Macht, als das Volk sich längst von ihm abgewandt hatte. Im September 2000 unterlag er bei der Präsidentschaftswahl der Bundesrepublik Jugoslawien seinem Herausforderer Vojislav Kostunica, der gleich in der ersten Runde mehr als 50 Prozent der Stimmen erreichte. Milosevic erklärte sich dennoch zum Sieger. Die Folge waren Massenproteste. Milosevic gab auf, auch weil er die Unterstützung des Militärs verloren hatte.
Der Ex-Präsident aber blieb in den Schlagzeilen: Milosevic wurde 2001 nach einer 36-stündigen Schießerei zwischen seinen Bodyguards und der Polizei verhaftet. Auf internationalen Druck hin lieferte die serbische Regierung den damals 60-Jährigen an das UN-Kriegsverbrechertribunal aus, wo er unter anderem wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Jugoslawienkrieg angeklagt wurde. Milosevic starb, bevor ein Urteil über ihn gefällt werden konnte, im März 2006.
Robert Mugabe, Simbabwe
Gleich mehrmals sicherte sich der Langzeitmachthaber seine Herrschaft durch Eingriffe in Wahlen. So etwa 2008: Die erste Runde der Abstimmung ging zunächst deutlich an Mugabes Herausforderer Morgan Tsvangirai. In den darauf folgenden Tagen aber brachen Unruhen aus, maßgeblich angeheizt von Mugabes Unterstützern. Es kam zu Dutzenden tödlichen Angriffen auf Tsvangirais Mitstreiter, weshalb sich der Herausforderer aus der zweiten Wahlrunde zurückzog. Mugabe sicherte sich 2013 noch einmal in einer höchst umstrittenen Wahl die Macht, bevor er 2017 durch einen Putsch in den eigenen Reihen entmachtet wurde.
Alexander Lukaschenko, Belarus
Der seit 26 Jahren mit harter Hand regierende Präsident ist das aktuellste Beispiel eines autokratischen Führers, der sich nicht an Wahlergebnisse gebunden fühlt. Die Präsidentschaftswahl im August will er angeblich mit über 80 Prozent der Stimmen gewonnen haben. Doch es gibt Hinweise auf massive Manipulationen. Die Europäische Union wie auch die USA erkennen das Ergebnis nicht an.
Woche für Woche gehen seither Zehntausende Belarussen auf die Straße, Menschen aus allen Gesellschaftsschichten. Sie trotzen der Gewalt der Sicherheitskräfte und den willkürlichen Verhaftungen. Zahllose Zeugen haben von Misshandlungen in den Gefängnisse berichtet, manche Inhaftierte fanden sogar den Tod. Doch Lukaschenko krallt sich eisern an die Macht, auch weil er weiß: Der große Nachbar Russland hält die schützende Hand über ihn.
Derartige Szenarien sind in den USA eigentlich nicht vorstellbar. Und bislang haben sich die Behörden wie die Justiz als sehr standfest trotz des Dauerbeschusses aus dem Weißen Haus erwiesen. Gleichwohl hat sich in den vergangenen Tagen ein Wort in die öffentliche Diskussion in den USA geschlichen, das im Zusammenhang mit Präsidentenwahlen dort nie gefallen war: Die Rede ist vom versuchten Putsch.
Die Historikerin Ruth Ben-Ghiat. sagte in einem auf Twitter verbreiteten Video: "Ein Mann von autoritärem Temperament wie Trump, der es gewohnt ist, Macht auszuüben und rund um die Uhr angebetet zu werden, und stets in der Lage sein muss, andere zu erniedrigen, wird die Aussicht auf den Amtsverlust als eine Art psychologische Vernichtung empfinden. Und er wird alles versuchen, andere dabei mit sich zu reißen."
- Eigene Recherchen
- "New York Times": Trumps Taktik bringt ihn in unappetitliche Gesellschaft (Englisch)