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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Bidens Vizekandidatin Kamala Harris Die Frau, die Trump Kontra geben kann
Joe Biden hat seine Vizekandidatin gefunden: Die Entscheidung für Kamala Harris ist schon jetzt historisch – und die schwarze Senatorin kann noch sehr wichtig werden.
Nach dieser Personalentscheidung kommt Fahrt in den US-Wahlkampf. Mit der Senatorin Kamala Harris hat sich Joe Biden eine Vizekandidatin an seine Seite geholt, die seiner Kampagne Energie einhauchen kann.
Die Senatorin aus Kalifornien ist in Washington vor allem als knallharte Anklägerin bekannt, die immer dann auftrumpft, wenn sie politische Gegner in die Mangel nehmen kann. Man darf davon ausgehen, dass sie Donald Trump und seinem Vizepräsidenten Mike Pence mächtig Kontra geben wird – häufiger und heftiger, als es dem eher ruhigen Biden selbst liegt. Im Oktober steht ein TV-Duell mit Pence an.
Die Personalie ist schon jetzt historisch: Die 55-Jährige, Tochter eines Jamaikaners und einer Inderin, ist die erste schwarze Kandidatin für das Amt der Vizepräsidentin. Harris ist überhaupt erst die dritte Frau, die als "running mate" eines Präsidentschaftsbewerbers ausgewählt wurde. Bislang hatten die USA noch nie eine Vizepräsidentin.
Harris könnte Biden ablösen
Doch Harris' Nominierung ist aus einem weiteren Grund bedeutsam. Der 77-jährige Biden, der in den Umfragen momentan vor Trump liegt, würde im Falle eines Wahlsieges aller Voraussicht nach nur eine Amtsperiode regieren. Er wirkt längst nicht mehr so frisch wie einst, selbst politische Freunde hegen Zweifel an seiner Fitness.
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Harris könnte also bald aufrücken – sei es vorzeitig aus gesundheitlichen Gründen oder nach einer Amtszeit Bidens, nach der sie dann die voraussichtliche Anführerin der Demokraten wäre und die natürliche Kandidatin für die Nachfolge im Oval Office.
Wofür Harris steht
Ihr erster Griff nach der Präsidentschaft scheiterte: Die Senatorin trat wie Biden selbst als Bewerberin an, schied aber nach einem enttäuschenden Vorwahlkampf aus dem Rennen aus. Harris ist eine von drei Schwarzen im US-Senat. Zuvor war sie Staatsanwältin in ihrer Heimat San Francisco und wurde später ins Amt der Generalstaatsanwältin in Kalifornien gewählt. Für ihren damaligen Wahlkampf gab es sogar Spenden in Höhe von 6000 Dollar durch einen Unternehmer namens Donald Trump. In ihrem Amt verfolgte sie einen strikten Kurs, etwa gegenüber Drogendelikten.
Bekannter wurde sie im Jahr 2018, als sie Trumps umstrittenen Kandidaten für das oberste Gericht, Brett Kavanaugh, einem harten Verhör unterzog. Damals zeigte sie, dass sie die im Wahlkampf so wichtigen viralen Momente liefern kann, anders als Biden.
In ihren politischen Positionen hingegen ähnelt sie dem Präsidentschaftskandidaten. Sie gilt wie Biden als moderat und pragmatisch, nicht als Ideologin, bleibt in ihren Positionen bisweilen uneindeutig. Im linken Parteiflügel, wo man lieber die progressive Senatorin Elizabeth Warren als Kandidatin gesehen hätte, schaut man eher skeptisch auf Harris.
Doch für Biden überwiegt das Kalkül, die Wechselwähler in der Mitte nicht zu verschrecken. Schließlich versucht Trump, Biden als Geisel linksradikaler Kräfte darzustellen.
Warum Biden sie wählte
Harris galt seit Langem als eine Favoritin für den Job als "running mate", doch Biden ließ sich länger Zeit mit der Entscheidung als angekündigt.
Letztlich sprachen in den Augen Bidens neben ihrer Schlagkraft zwei weitere Umstände für die Senatorin: Die beiden haben seit Langem einen persönlichen Draht. Während ihrer Zeit als Attorney General von Kalifornien arbeitete Harris eng mit Bidens Sohn Beau zusammen, der das Amt in Delaware innehatte und trauerte mit Biden, als Beau 2015 an einem Hirntumor starb. So hat Biden senior es ihr offenbar auch nicht nachgetragen, dass sie ihn bei der ersten TV-Debatte der Demokraten vor über einem Jahr hart angriff und seine Haltung zur Integration im Schulwesen in die Nähe von Rassisten stellte.
Interessieren Sie sich für die US-Wahl? Unser Washington-Korrespondent Fabian Reinbold schreibt über seine Arbeit im Weißen Haus und seine Eindrücke aus den USA unter Donald Trump einen Newsletter. die dann einmal pro Woche direkt in Ihrem Postfach landet.
Harris ist eine Profi-Politikerin, die schließlich auch das dritte wichtige Profil erfüllte: genügend Erfahrung zu besitzen, um im Notfall jederzeit das Amt des Präsidenten ausfüllen zu können. Das war ihr Vorteil gegenüber vielen Mitbewerberinnen um die Position. Biden hatte frühzeitig angekündigt, eine Frau zu ernennen – und im Zuge der Proteste gegen Polizeigewalt und Rassismus war der Druck gestiegen, eine Schwarze zu nominieren.
Kurz nach der Verkündung der Personalie schoss sich Trump schon einmal auf Harris ein: Er warf ihr unter anderem Lügen sowie einen "gemeinen" Umgang mit seinem Richter Kavanaugh vor und behauptete, sie sei im Senat als besonders links aufgefallen. Ganz bald schon wird Kamala Harris zurückschlagen.
- Eigene Recherchen