Nach massiver Kritik Kungelei mit Putin? Trump will sich versprochen haben
US-Präsident Trump ist zu Schadensbegrenzung gezwungen. Die Kritik an seinen Äußerungen beim Gipfel in Helsinki fiel zu verheerend aus. Aber Trump wäre nicht Trump, wenn er nicht wieder einen vermeintlich gesichtswahrenden Ausweg suchen würde.
Nach der heftigen Kritik in den USA an seinem Auftritt mit Russlands Präsident Putin hat sich US-Präsident Trump um Schadensbegrenzung bemüht. Bei einer Erklärung im Weißen Haus am Dienstag (Ortszeit) schob er seine Aussage vom Vortag auf einen vermeintlichen Versprecher. Zugleich bekannte er sich zu den eigenen Geheimdiensten. Er akzeptiere deren Erkenntnisse, wonach Russland hinter den Hackerangriffen während des US-Wahlkampfs 2016 steckte. Trump fügte jedoch hinzu: "Es könnten auch andere Leute gewesen sein".
Trump hatte bei seinem Gipfel mit Putin am Montag in Helsinki ein klares Bekenntnis zu den Befunden seiner eigenen Geheimdienste zu den russischen Cyberattacken vermieden. Vielmehr attackierte er die US-Bundespolizei und die frühere US-Regierung und machte zugleich deutlich, dass er Putins Ausführungen für überzeugend halte: Der Kreml-Chef sei in seinem Dementi "extrem stark und kraftvoll" gewesen, lobte Trump.
Das "nicht" habe er versehentlich weggelassen
Selbst Unterstützer Trumps aus dem Lager der Republikaner warfen dem Präsident daraufhin einen Kniefall vor dem russischen Staatschef vor. Trump sagte daraufhin, er habe sich bei seiner Pressekonferenz mit Putin lediglich versprochen. Er habe den Satz sagen wollen: "Ich sehe keine Grund, warum es nicht Russland sein sollte", das hinter den Hackerangriffen steckte. Das "nicht" habe er versehentlich weggelassen. Seine umständliche Erläuterung des angeblichen Versprechers wiederholte Trump mehrmals.
Zuvor hatten parteiübergreifend politische Schwergewichte geschockt auf Trumps Äußerungen auf der Pressekonferenz mit Putin reagiert. So orakelte beispielsweise der ABC-Moderator George Stephanopoulos, ehemals im Weißen Haus für Bill Clinton tätig, die US-Öffentlichkeit könnte mit der missglückten Show in Helsinki Weltgeschichte erlebt haben. Trumps enger Vertrauter Newt Gingrich verlangte eine öffentliche Klarstellung.
"Trump erwies sich als unfähig"
Trump hat bei dem Auftritt mit Putin kurze Zeit nicht richtig aufgepasst. Als ihm zum Ende der Pressekonferenz und nach vorangegangenen vierstündigen intensiven Gesprächen die Frage gestellt wurde, ob er denn nun den US-Geheimdiensten glaube oder dem russischen Präsidenten, der eine Einmischung in die US-Wahl von 2016 soeben verneint hatte, versuchte er eine diplomatische Gratwanderung – und stürzte gnadenlos ab.
"Die heutige Pressekonferenz in Helsinki war eine der schändlichsten Vorstellungen eines amerikanischen Präsidenten seit Menschengedenken", schrieb das Republikaner-Urgestein John McCain in einer Mitteilung. Der schwerkranke Parteiveteran attestierte seinem Präsidenten Inkompetenz: "Präsident Trump erwies sich nicht nur als unfähig, sondern auch als nicht willens, Putin die Stirn zu bieten."
Kein Beistand von Parteifreunden
Die Chefs von Repräsentantenhaus und Senat, Paul Ryan und Mitch McConnell, riefen ihren Parteifreund Trump dazu auf, anzuerkennen, dass Russland kein Verbündeter sei. Sogar Fox-News-Moderatoren fanden drastische Worte: "Das war keine besonders starke Vorstellung", sagte Stuart Varney.
Die heftigen Reaktionen zeigen: Trump hat wenige Monate vor den weichenstellenden Zwischenwahlen in den USA den Nerv der Partei und des ganzen Landes verletzt. Häufig wurde der Vergleich mit Ronald Reagan gezogen, der einst Michail Gorbatschow in die Knie gezwungen habe. Trumps Auftritt ging gegen den Nationalstolz, den Patriotismus eines der wohl patriotischsten Länder des Westens. Das konnte nicht gut gehen, schon gar nicht, wenn es um das Verhältnis zum alten Feind Russland geht.
"Putin ist der Gewinner"
Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Senat, der Republikaner Bob Corker, sah Putin, den gewieften ehemaligen KGB-Geheimdienstmann, gestärkt durch den Gipfel. "Wir tippen, dass er gerade Kaviar isst." Tatsächlich schienen in Moskau nach dem Helsinki-Gipfel die Sektkorken zu knallen. "Besser als Super", twitterte Außenminister Sergej Lawrow. "Putin ist der Gewinner", titelte der "Guardian" in Großbritannien.
Der Verlierer heißt Trump. Kopfschütteln herrschte schon im Vorfeld. Mit einem Eintrag auf Twitter hatte Trump am Montag den Gipfel quasi öffentlich eingeleitet. Das Verhältnis der beiden Atommächte sei so schlecht wie nie, und daran seien die USA schuld, erklärte der Präsident – der amerikanische wohlgemerkt. Das russische Außenministerium reagierte süffisant mit einem "Wir stimmen zu!".
Für die Republikaner ist der rundum missglückte Trump-Auftritt vor den immens wichtigen Kongresswahlen im November ein Rückschlag. "Putins Handeln, und allein seines, ist für die schlechten Beziehungen verantwortlich", korrigierte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Repräsentantenhaus, Ed Royce, Trumps Tweet.
Trumps Beliebtheitswerte wackeln
Die Partei, ohnehin in mehrere Lager gespalten, darunter eines von Trump-Anhängern, bangt um die Zwischenwahlen im November. Traditionell wird die im Weißen Haus regierende Partei bei diesen Wahlen abgestraft - ein Quasi-Automatismus, der auch dazu beiträgt, die Balance im Zwei-Parteien-System der USA zu halten. Diesmal hatten sich die Republikaner die Chance ausgemalt, den Senat und vielleicht sogar das Repräsentantenhaus zu halten.
Jetzt sind sie verunsichert. Was macht Putin? Greift er erneut ein? Diesmal in die andere Richtung, um die politische Handlungsfähigkeit der Supermacht zu schwächen? Der Auftritt von Helsinki dürfte auch Trumps Beliebtheitswerten nicht unbedingt guttun. Die Frage wird – erneut – auftauchen, ob man das vermeintliche Zugpferd im Wahlkampf in einzelnen Stimmbezirken überhaupt zu Hilfe holt. Die Nervosität der Abgeordneten bezüglich einer Wiederwahl wird jedenfalls größer.
Und gehen für die Republikaner die Midterm-Wahlen verloren, wird auch ein Amtsenthebungsverfahren gegen Trump wieder wahrscheinlicher. Einen solchen Prozess müssen die Abgeordneten des Repräsentantenhauses mehrheitlich anstoßen - viele Demokraten lauern nur auf diese Möglichkeit.
Der zuletzt schwächelnden Opposition hat der Präsident eine Steilvorlage geliefert - auch ohne den Fußball, den Putin ihm nach erfolgreich ausgerichteter Weltmeisterschaft schenkte. Senator Lindsey Graham verlangte, der Ball solle vorsichtshalber erstmal auf russische Wanzen untersucht werden.
- AFP, dpa