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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Enthüllungsautor wird deutlich "Das System zerstört Trump, oder Trump zerstört das System"
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Michael Wolff hat Trump jahrelang begleitet und analysiert. In seinem neuen Buch zeigt er, wie Trump Medien, Justiz und Milliardäre für sein Comeback nutzt. Ein Gespräch über Macht, Strategie und die nächste große Show.
Bastian Brauns berichtet aus Washington
Kaum ein Journalist hatte so direkte Einblicke in Donald Trumps politisches Theater wie Michael Wolff. Der US-Bestsellerautor hat jahrelang die Welt des früheren und erneuten Präsidenten in seinen Büchern beschrieben. Jetzt veröffentlicht er mit seinem neuen Titel "Alles oder nichts" seine nächste ungeschönte Analyse: Trumps Rückkehr zur Macht war nicht nur ein besonderer Wahlkampf – sondern eine Art Überlebensstrategie.
Im Gespräch mit t-online erklärt Wolff, wie Trumps unersättliches Verlangen nach Medienaufmerksamkeit besonders in den vergangenen Jahren zu einer kalkulierten Strategie geworden ist, die ihn schließlich auch wieder ins Weiße Haus gebracht hat. Wolff beschreibt, warum Trumps juristische Probleme seine politische Stellung gestärkt haben und welche Rolle die Milliardäre – allen voran Elon Musk – in seinem Comeback spielen. Er gibt Einblicke in Trumps Gemütslage nach dem Attentat in Butler, seine schwierige Beziehung zu Melania und seine lang andauernde Unlust, das Rampenlicht mit einem Vizepräsidentschaftskandidaten zu teilen.
t-online: Mr. Wolff, Sie begleiten Donald Trump seit vielen Jahren. Stellen Sie eigentlich Veränderungen an ihm fest?
Michael Wolff: Eines der bemerkenswertesten Dinge an Trump ist, wie wenig er sich verändert. Seine Methode war schon immer, das doppelt zu verstärken, was in der Vergangenheit für ihn funktioniert hat. Er lebt von der Aufmerksamkeit – seine gesamte politische Strategie ist darauf ausgerichtet, die Medienzyklen zu dominieren. In früheren Wahlkämpfen wirkte sein Vorgehen impulsiv. Inzwischen hat sich seine Dauer-Dominanz der Medien aber zu einer expliziten Strategie entwickelt: Wenn er die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit hat, hat sie kein anderer. Das ist die Währung, die zählt.
Das heißt also, alles – ob McDonald’s-Fototermine, seine Rechtsstreitigkeiten oder die Bezeichnung des ukrainischen Präsidenten als "Diktator" – fließt in diese Strategie ein?
Ganz genau. Es ist nicht wichtig, was er sagt. Es ist nur wichtig, dass er etwas sagt. Er weiß, dass Schlagzeilen das öffentliche Bewusstsein bestimmen. Jede Provokation sorgt dafür, dass er im Zentrum des politischen Diskurses bleibt.
Erst seit wenigen Wochen ist Trump Präsident. Wird das immer so weitergehen?
Davon kann ausgegangen werden. Schon als Trump nicht mehr Präsident war und dann später im Wahlkampf galt für ihn immer dasselbe Credo: Schlagzeilen, Schlagzeilen, Schlagzeilen. Das Gleiche sehen wir in den ersten Wochen seiner neuen Regierung: Provokation folgt auf Provokation. Und es funktioniert: Er dominiert die Medien und das Bewusstsein der Wähler.
Aber geht es ihm wirklich nur um Aufmerksamkeit? War insbesondere das sogenannte "Project 2025" nicht von Anfang an mehr als nur eine Medienstrategie – nämlich ein umfassenderer, langfristiger Plan?
Trump selbst interessiert sich kaum für das "Project 2025". Es hat ihn im Wahlkampf sogar unendlich genervt. Die Leute dahinter, maßgeblich von der Heritage Foundation, wollen Trump mit Inhalten locken, die ihm Schlagzeilen bringen könnten. Damit versuchen sie, ihn zu ködern. Und tatsächlich, solange es funktioniert, greift er auch darauf zurück. Aber sobald es keine Aufmerksamkeit mehr bringt, wendet er sich dem nächsten Thema zu. Es geht am Ende wirklich immer nur darum, im Mittelpunkt zu stehen.
In Ihrem neuen Buch "Alles oder nichts" beschreiben Sie, wie Trump seine rechtlichen Probleme in eine politische Waffe verwandelt hat. Glauben Sie, dass er das Rechtssystem der USA gezielt untergräbt, oder ist das ein reiner Selbsterhaltungstrieb?
Ich denke, es ist beides. Die zentrale Prämisse in meinem Buch ist: Entweder das System zerstört Trump, oder Trump zerstört das System. Und Trump hat das System ganz klar zerstört. Die Anklagen gegen ihn münzte er in seinen Vorteil um. Sie stärkten seine Position bei seinen Anhängern. Er sagte seinem Team immer wieder: "Meine PR-Strategie ist meine juristische Strategie. Meine juristische Strategie ist meine PR-Strategie." Sein Wahlsieg dient ihm de facto zur Flucht vor rechtlichen Konsequenzen.
Trumps offizielles Präsidentenporträt wurde sogar durch sein berühmtes Polizeifoto bei der Anklage in Georgia inspiriert. Ist das Teil dieser Strategie?
Auf jeden Fall. Trumps gesamtes öffentliches Auftreten basiert auf den Prinzipien des Reality-Show-Fernsehens. Konflikte und Dramen halten das Publikum bei der Stange. Er war 14 Jahre lang der Star von "The Apprentice". Das ist eine verdammt lange Zeit. Diese Erfahrung hat seine Fähigkeiten enorm geschärft, Geschichten zu erzählen, die die öffentliche Aufmerksamkeit fesseln. Er macht aus jedem Konflikt, selbst aus rechtlichen Problemen, ein Spektakel, das seine Marke stärkt.
Sie beschreiben die Zeit nach der verlorenen Wahl 2020 als eine Art "Exil" für Trump in Mar-a-Lago. Gibt es historische Parallelen für Führungspersönlichkeiten, die aus dem Exil zurückkehren?
Vielleicht tatsächlich Napoleon. Nach dem 6. Januar 2021 war Trump politisch in Ungnade gefallen – selbst das republikanische Establishment wollte ihn endgültig loswerden. Als er damals aus Washington nach Mar-a-Lago abflog, stand keiner von ihnen am Flughafen zur Verabschiedung. Kaum einer glaubte damals daran, dass man von ihm politisch noch einmal hören würde. Was für ein großartiger Stoff für seine nächste Geschichte. Es konnte kein größeres Comeback geben.
Was hat es mit seinem Vizepräsidenten auf sich? Sie schreiben, dass Trump ursprünglich eine Frau wollte, sich dann aber für J. D. Vance entschied. Warum?
Trump mag es nicht, das Rampenlicht zu teilen. Er hat gezögert, überhaupt einen Vizepräsidenten zu wählen. Ursprünglich tendierte er zu einer Frau, aber er lehnte jede Kandidatin ab, die ihm vorgestellt wurde. Schließlich setzten ihn milliardenschwere Spender, darunter Elon Musk, unter Druck, J. D. Vance auszuwählen. Nachdem Kamala Harris die Nominierung der Demokraten gewonnen hatte, bedauerte Trump, dass er sich nicht für eine Frau entschieden hatte. Aber da war es schon zu spät.
Apropos, Elon Musk, hält die Beziehung zwischen den beiden?
Musk ist für Trump im Moment noch nützlich. Aber niemand hält sich lange in Trumps Umfeld auf, ohne ausrangiert oder gedemütigt zu werden. Jeder in seiner Nähe fällt irgendwann in Ungnade. Die Medien spekulieren bereits darüber, wann dies bei Musk der Fall sein wird. Ironischerweise könnte genau das ihre Allianz verlängern – Trump hasst es, das zu tun, was die Medien erwarten.
Michael Wolff, Jahrgang 1953, ist ein amerikanischer Journalist, Autor und Kolumnist, bekannt für seine tiefgehenden, investigativen Recherchen über Donald Trump. Er ist Autor mehrerer Bestseller, darunter "Feuer und Zorn: Im Weißen Haus von Donald Trump", "Unter Beschuss: Trumps Kampf im Weißen Haus" und "77 Tage: Amerika am Abgrund", in denen er die Trump-Präsidentschaft mit beispiellosem Zugang dokumentierte. Sein neuestes Buch, "Alles oder nichts: Donald Trumps Rückkehr an die Macht", beleuchtet Trumps Kampagne für einen Wiedereinzug ins Weiße Haus. Wolff schrieb unter anderem für Vanity Fair, The Guardian, The Hollywood Reporter und das New York Magazine.
Sie schreiben, Trump sei nach dem Attentat in Butler kurz vor dem Zusammenbruch gestanden. Was haben Sie an seiner Reaktion beobachtet?
Beschossen zu werden, ist für jeden traumatisch, auch für Trump. Er ist immerhin 78 Jahre alt. Für einen kurzen Moment befürchteten seine Mitarbeiter, dass er das Rennen nicht fortsetzen wolle und aufgibt. Er war sichtbar physisch und psychisch erschüttert. Mit wirren Äußerungen und Auftritten war er dabei, sich selbst zu sabotieren. Aber hier wird es eben kompliziert. Denn Trump sabotiert sich eigentlich andauernd. Womöglich schützte ihn das in diesem Moment. Trumps Widerstandskraft war dann allerdings auch außergewöhnlich. Schnell machte er aus dem Vorfall wieder einen weiteren dramatischen Bogen seiner Geschichte und stellte sich selbst als Beinahe-Märtyrer dar.
Er schaffte es wieder, das für sich zu nutzen.
Wie sehr man Donald Trump ablehnen oder verabscheuen mag, musste man da doch sagen: Mein Gott, der Typ ist nicht wie ein normaler Mensch.
Sie beschreiben, dass Trump in seiner ganz eigenen Realität lebt. Wie schafft er es, andere davon zu überzeugen, ihm diese als die Wahrheit abzunehmen?
Er umgibt sich mit Menschen, die seine Version der Ereignisse bestätigen. Sein innerer Kreis besteht aus Kriechern, die ihm nicht nur sagen, dass er recht hat, sondern auch andauernd Informationen finden, die seine Überzeugungen unterstützen. Auf diese Weise hält er trotz aller gegenteiligen Beweise an der Vorstellung fest, dass er die Wahl 2020 gewonnen hat. Seine Fähigkeit, anderen seine Realität aufzudrängen, ist der Schlüssel zu seinem politischen Erfolg.
Experten warnen vor einer amerikanischen Verfassungskrise und autoritären Bestrebungen. Sieht Trump sich als der wahre Herrscher über das Recht?
Mehr als alles andere geht es Trump um Schlagzeilen. Seine Aktionen eskalieren, weil er ständig seine letzte Provokation übertreffen muss, um in den Nachrichten zu bleiben. Das ist auf lange Sicht nicht tragbar, aber im Moment hat er so die Kontrolle über die Berichterstattung.
Wer sind die einflussreichsten Milliardäre, die ihn jetzt unterstützen?
Die Tech-Milliardäre, die 2016 noch abwesend waren, sind jetzt voll eingebunden. Elon Musk, Peter Thiel, Mark Zuckerberg und Marc Andreessen haben sich alle auf seine Seite gestellt. Traditionelle Großspender unter den Milliardären, wie Ike Perlmutter und Jeff Yass, sind ebenfalls wichtige Akteure. In Mar-a-Lago schwirren eine ganze Menge solcher Leute herum. Etwa solche, die Botschafter werden wollen. Milliardäre sind letztlich durch Geld motiviert, und im Moment sehen sie in Trump die beste Möglichkeit, ihr Vermögen zu schützen und weiter zu vergrößern.
Und Trump sucht ihr Geld?
Man darf nicht vergessen, dass er sich im Kreis von Milliardären einfach auch am wohlsten fühlt. Er hat seine ganze Identität um das Milliardärsdasein herum aufgebaut. Auch wenn er für einen Großteil seines Lebens wahrscheinlich kein Milliardär gewesen ist. Aber das Geld, der Status und die ganze Kultur sind ihm sehr wichtig. Aber im Zweifel hält er sich nicht an sie, weil er tief davon überzeugt ist, dass sich alle an ihn halten müssen.
Melania Trump ist schon sehr lange auffällig abwesend. Sie schreiben, dass nicht einmal sein Wahlkampfteam wusste, wo Trumps Ehefrau in Wahrheit wohnt. Was ist da eigentlich los?
Trumps Ehe mit Melania ist anders als jede konventionelle Ehe. Es ist ein Arrangement – eines, das für beide nützlich ist. Sie leben nicht im eigentlichen Sinne zusammen. Und in Trumps Umfeld weiß jeder Bescheid. Sie erschien nicht zu seinen Gerichtsverhandlungen, weigerte sich, auf dem Nominierungsparteitag lange neben ihm zu sitzen, und trat in der letzten Woche des Wahlkampfs nur einmal auf. Und doch scheint dies den Wählern seltsamerweise egal zu sein. Trump hat es geschafft, eine Ehe vorzutäuschen – so wie er mit so vielem anderen davongekommen ist.
- Video-Interview mit Michael Wolff