Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.
Zum journalistischen Leitbild von t-online.Neue Taktik von Donald Trump Warum Biden plötzlich ein kommunistischer Diktator ist
Bei seinem Gerichtstermin in Miami testet Donald Trump seine neue Taktik: Er sieht sich als politisch Verfolgter einer kommunistischen Diktatur. Damit zielt er auf eine spezielle Wählergruppe ab.
Bastian Brauns berichtet aus Miami.
Cecilia Romero war auf Kuba eine politische Gefangene. Dann ist sie geflohen. Heute lebt sie in Miami, trägt den wohl größten "Make America Great Again"-Hut der Stadt und verehrt Donald Trump. Wie die Mehrzahl der aus Kuba stammenden Amerikaner wählt sie längst nicht mehr die Demokraten, sondern die Republikaner.
Viele Latinos, die aus kommunistischen Diktaturen in die USA eingewandert sind, fürchten alles, was mit linken politischen Strömungen in Verbindung gebracht wird. Für die Republikaner sind Cecilia Romero und ihre Mitstreiter eine willkommene Wählergruppe.
Was Cecilia Romero von den 37 Anklagepunkten gegen Donald Trump hält, dürfte dem Ex-Präsidenten gefallen. "Was hier passiert, ist wie in Kuba oder Nicaragua", sagt sie. In Nicaragua habe der amtierende Präsident seinen politischen Gegner auch ins Gefängnis gebracht. "Wir müssen Amerika befreien, das Land der Freiheit." Solche Sätze sind an diesem Tag in Miami oft zu hören.
Wir benötigen Ihre Einwilligung, um den von unserer Redaktion eingebundenen X-Inhalt anzuzeigen. Sie können diesen (und damit auch alle weiteren X-Inhalte auf t-online.de) mit einem Klick anzeigen lassen und auch wieder deaktivieren.
Joe Biden soll jetzt ein Diktator sein
Auch die Erzählung von Donald Trump und seinen zahlreichen Beratern gleicht der von Cecilia Romero. "Diese Anklage ist politische Verfolgung. So als käme sie direkt aus einer kommunistischen oder faschistischen Nation." Das sind Trumps erste Worte, als er nach seinem Gerichtstermin in Miami wieder in seinem Golfklub in New Jersey angekommen ist. Das sei schlimmste Wahlbeeinflussung.
In Miami habe er Liebe auf den Straßen gesehen wie nie zuvor, sagt Trump. Unter den etwa 1.000 Menschen vor dem Gerichtsgebäude war auch Cecilia Romero. Sogar ein verfrühtes Geburtstagsständchen haben sie für den Ex-Präsidenten gesungen. Trump wird am Mittwoch 77 Jahre alt.
"Sie waren voller Liebe, weil sie wissen, was wir alle durchmachen", erklärt Trump weiter. Viele dieser Menschen kämen aus Kuba und Venezuela. Sie hätten gesehen, was in ihren Ländern geschehen ist. "Ich habe immer gesagt, wenn die Vereinigten Staaten so weitermachen, dann werden sie zu einem Venezuela auf Steroiden." So beendet Trump seinen Kommunismus-Exkurs.
Er kennt seine neue, treue Wählerschaft, die in ihm und den Republikanern keine Rassisten sehen, sondern die Retter der Nation. Darum besucht er vor seinem Rückflug aus Miami auch noch das berühmte kubanische Café "Versailles". Dort beten die Gäste für ihn und singen noch einmal Happy Birthday.
Übernommen wird Trumps Erzählung aber nicht nur von vielen Wählern. Auch bei Fox News, also jenem Sender, der sich eben erst vom Scharfmacher Tucker Carlson getrennt hat, heißt es, Joe Biden und die Demokraten würden mit zahlreichen herbeigeführten Gerichtsverfahren ihren gefährlichsten politischen Gegner erledigen wollen.
Fox News überträgt während Trumps Rede für kurze Zeit auch eine Ansprache von Biden aus dem Weißen Haus. Darunter blendet der Sender die vorgefertigte Meinung für die eigenen Zuschauer ein: "Der Möchtegern-Diktator spricht im Weißen Haus, nachdem er seinen politischen Rivalen verhaften ließ."
Karibischer Kommunismus
Während Donald Trump in Miami am Nachmittag im Gerichtssaal sitzt, tritt seine Sprecherin, die Anwältin Alina Habba, ebenfalls vor eine Kamera von Fox News. Geschickt baut sie sich direkt vor der jubelnden Menge aus Trump-Unterstützern auf. Die Kommunisten-Gegner sind ihre perfekte Kulisse. "Wir sind an einem Wendepunkt in der Geschichte unserer Nation", orakelt Habba, die damit Millionen Amerikaner erreicht.
"Die gezielte Verfolgung eines führenden politischen Gegners ist etwas, das man in Diktaturen wie Kuba und Venezuela sieht", sagt sie. Was Präsident Trump angetan werde, solle alle Bürger dieses Landes "in Angst und Schrecken versetzen". Denn dies seien nicht die Ideale, auf denen diese Demokratie gründen würde. Dann tritt Alina Habba zufrieden ab, reckt die Faust und kehrt zurück ins klimatisierte Gericht.
Draußen bleibt es bei mehr als 70 Prozent Luftfeuchtigkeit beständig 32 Grad heiß. Die Sonne sticht vom Himmel. In Miami sind nicht nur die Menschen viel stärker mit der Karibik und Mittelamerika verbunden als in Washington. Das Klima ist es auch. Den Demonstranten und Reportern rinnt das Wasser von den Gesichtern. Die immer wieder hitzigen Wortgefechte zwischen den zahlreichen Trump-Unterstützern und den wenigen Gegnern des Ex-Präsidenten werden nur noch erschöpft zur Kenntnis genommen.
Am Ende gibt es nur einen brisanten Zwischenfall. Einer der Trump-Gegner springt vor den SUV, in dem Trump aus der Tiefgarage des Gerichts gefahren wird. Bevor sich die Menge auf den Mann stürzen will, haben Sicherheitskräfte ihn überwältigt.
Sein Name: Domenic Santana. Auch er kommt ursprünglich aus Kuba. Die Trump-Fans beschimpfen ihn als "Kommunisten" und als "Schwuchtel".
- Eigene Recherchen und Beobachtungen vor Ort in Miami
- pewresearch.org: Most Cuban American voters identify as Republican in 2020 (englisch)
- Livestream zur Trump-Rede in Bedminster, New Jersey (englisch)