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Aufstand in Kasachstan: Präsident erteilt Schießbefehl "ohne Vorwarnung"


Aufstand in Kasachstan
Staatschef gibt Schießbefehl – Bundesregierung übt scharfe Kritik

Von dpa, reuters, afp, joh

Aktualisiert am 07.01.2022Lesedauer: 4 Min.
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Militär gegen die gewaltsamen Proteste: Bei den Ausschreitungen in Kasachstan sind mindestens 26 Menschen ums Leben gekommen. (Quelle: t-online)
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Die Unruhen in Kasachstan dauern an: Demonstranten sollen sich in einem Fernsehsender verschanzt haben. Präsident Tokajew kündigt an, weiter mit aller Härte vorzugehen.

Der kasachische Präsident Kassym-Schomart Tokajew hat der Polizei angesichts der seit Tagen anhaltenden Proteste einen Schießbefehl erteilt. "Ich habe den Befehl gegeben, ohne Vorwarnung tödliche Schüsse abzugeben", sagte Tokajew am Freitag in einer Fernsehansprache. Er schloss Verhandlungen mit den Demonstranten aus. Aus dem Ausland kämen Aufrufe zu einer friedlichen Lösung der Krise. "Welch eine Dummheit! Was für Verhandlungen kann es mit Verbrechern und Mördern geben?", so Tokajew.

Bundesjustizminister Marco Buschmann hat den Schießbefehl gegen Demonstranten scharf verurteilt. "Wer ohne Vorwarnung auf Demonstranten schießen lässt, um zu töten, hat den Kreis zivilisierter Staaten verlassen", schrieb der FDP-Politiker am Freitag auf Twitter.

Das Staatsoberhaupt erklärte, es hätten insgesamt 20.000 "Banditen" die Millionenstadt Almaty im Südosten des zentralasiatischen Landes angegriffen, wo die Unruhen in den vergangenen Tagen besonders heftig waren. Er bezeichnete die Demonstranten auch als "Terroristen" und als aus dem Ausland gesteuert. Derzeit ist es schwierig, Informationen unabhängig zu überprüfen. Immer wieder wird in Kasachstan das Internet abgestellt, die Grenze wurde für Ausländer geschlossen.

"Mein besonderer Dank gilt dem russischen Präsidenten Wladimir Putin. Er hat sehr schnell und vor allem freundlich auf meinen Anruf reagiert", sagte Tokajew in seiner Fernsehansprache. Die Soldaten wurden nach Angaben der OVKS auf begrenzte Zeit nach Kasachstan geschickt, "um die Lage zu stabilisieren und zu normalisieren". Zur Zahl der entsandten Soldaten machte die OVKS zunächst keine Angaben.

26 Tote und 3.000 Festnahmen

Infolge der Unruhen im zentralasiatischen Kasachstan sind nach Angaben des Innenministeriums 26 Demonstranten getötet worden. Zudem habe es mehr als 3.000 Festnahmen gegeben, berichtete der Staatssender Khabar 24 am Freitagmorgen unter Berufung auf das Ministerium. Die Behörde sprach demnach von "bewaffneten Verbrechern". Weitere 18 von ihnen seien verletzt worden.

Schon am Donnerstag hatte das Staatsfernsehen von Dutzenden "eliminierten" Menschen in der Millionenstadt Almaty gesprochen. Das ließ bereits auf zivile Todesopfer schließen. Die Behörden hatten aber zunächst nur den Tod von 18 Sicherheitskräften bestätigt.

Tokajew: Ordnung weitgehend wiederhergestellt

Tokajew sagte Khabar 24 zufolge, dass die – von ihm so bezeichneten – Anti-Terror-Einsätze bis zur "kompletten Auslöschung der Kämpfer" andauern sollen. In Almaty im Südosten des Landes, wo die Ausschreitungen besonders heftig gewesen waren, sollen sich bewaffnete Demonstranten im Gebäude eines Fernsehsenders verschanzt haben. Die Ordnung im Land sei aber weitgehend wiederhergestellt, sagte Tokajew. Der Staatschef wollte sich am Mittag in einer Ansprache an das kasachische Volk wenden.

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In Kasachstan gibt es seit Tagen beispiellose Proteste gegen die autoritäre Führung des Landes. Auslöser der Unruhen in der öl- und gasreichen Ex-Sowjetrepublik war Unmut über gestiegene Treibstoffpreise an den Tankstellen. Sie schlugen aber schnell in teils gewaltsame Proteste gegen die Regierung, Korruption und Machtmissbrauch um.

Kasachstan wurde über Jahrzehnte von dem autoritären Machthaber Nursultan Nasarbajew regiert, der auch nach seinem Rücktritt 2019 großen Einfluss behielt. Als Reaktion auf die Proteste entließ der jetzige Präsident Tokajew die gesamte Regierung und verhängte einen landesweiten Ausnahmezustand.

Mit Unterstützung aus Russland wurde der Flughafen von Almaty "unter volle Kontrolle" gebracht. Sie hätten unmittelbar nach ihrer Ankunft damit begonnen, "die ihnen übertragenen Aufgaben zu erfüllen", sagte der Sprecher des Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow, am Freitag in Moskau der Nachrichtenagentur Interfax zufolge. Man sei gemeinsam mit kasachischen Sicherheitskräften am Flughafen vorgegangen. Der Airport der Millionenstadt war zeitweise von Demonstranten besetzt gewesen. Nach Darstellung der russischen Regierung soll Kasachstan allerdings in der Lage sein, seine Probleme selbst zu lösen können, sagte Russlands stellvertretender Außenminister Alexander Gurshko zuvor der Nachrichtenagentur Ria.

Macron und von der Leyen rufen zu Ende der Gewalt auf

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron haben zu einem Ende der Gewalt in Kasachstan aufgerufen. "Ich verfolge die Lage in Kasachstan mit großer Sorge", sagte von der Leyen auf einer gemeinsamen Pressekonferenz am Freitag in Paris. "Ich rufe zum Ende der Gewalt und zur Zurückhaltung auf", fügte sie hinzu. Die Rechte und die Sicherheit der Einwohner seien zu schützen.

"Die Europäische Union ist bereit zu helfen, wo sie kann", sagte von der Leyen. Macron mahnte ebenfalls zur "Deeskalation" in Kasachstan, wo Präsident Kassym-Schomart Tokajew angesichts anhaltender Proteste den Sicherheitskräften am Freitag einen Schießbefehl erteilt hatte. Die zentralasiatische Republik wird seit Tagen von regierungskritischen Massenprotesten erschüttert.

Von der Leyen und Macron betonten zudem die Rolle der EU in der Krisenregion Ukraine. "Es gibt keine Lösung des Konflikts ohne die EU", sagte von der Leyen. Sie verwies darauf, dass die EU die Ukraine mit sechs Milliarden Euro unterstütze und Sanktionen gegen Russland verhängt habe.

Macron betonte, dass er gemeinsam mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) für die Wiederaufnahme der Verhandlungen im Normandie-Format eintrete, das Frankreich, Deutschland, Russland und die Ukraine umfasst.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa, AFP und Reuters
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