Nach Brand in Elendslager "Der Hilferuf aus Moria wird in Nordrhein-Westfalen gehört“
Auf der Insel Lesbos brennt ein Elendslager für Flüchtlinge. Die deutsche Politik reagiert bestürzt auf die Lage vor Ort. Und nennt Schuldige. Die Reaktionen im Überblick.
Nach dem Großbrand im Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Insel Lesbos stehen fast 13.000 Menschen ohne Dach über dem Kopf da. Große Teile des Camps sind abgebrannt. Die Behörden gehen derzeit von Brandstiftung aus. Mehrere deutsche Politiker haben sich bereits zur dramatischen Lage geäußert.
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet schrieb in einer Mitteilung, die Bilder aus Moria seien bestürzend. "Die Menschen auf der Flucht haben nach dem Feuer alles verloren, selbst das einfache Dach über dem Kopf", so der CDU-Politiker. "Hier ist schnelle humanitäre Hilfe erforderlich. Wir stehen in dieser Situation an der Seite Griechenlands."
Er habe dem griechischen Ministerpräsidenten Kyriakos Mitsotakis Hilfe seines Bundeslandes angeboten. "Wir brauchen jetzt beides: Eine schnelle Soforthilfe für Moria und eine nachhaltige, europäische Hilfe bei der Aufnahme von Kindern und Familien", heißt es weiter. Nordrhein-Westfalen habe der auch Bundesregierung angeboten, Zelte, Medikamente und andere Hilfsgüter nach Moria zu bringen.
Maas spricht von humanitärer Katastrophe
Außerdem erklärte Laschet sich bereit, bis zu 1.000 Menen aus Moria in Nordrhein-Westfalen aufzunehmen. "Der Hilferuf aus Moria wird in Nordrhein-Westfalen gehört“, so Laschet.
Außenminister Heiko Maas (SPD) hat nach dem Großbrand schnelle Unterstützung für Griechenland gefordert. "Dazu gehört auch die Verteilung von Geflüchteten unter Aufnahmewilligen in der EU", schrieb der Minister am Mittwoch auf Twitter. Er bezeichnete das Feuer als "eine humanitäre Katastrophe". Mit der EU-Kommission und anderen hilfsbereiten EU-Mitgliedstaaten müsse Deutschland schnellstens klären, wie Griechenland unterstützt werden könne.
Ein Sprecher von Innenminister Horst Seehofer kündigte ebenfalls Hilfe für Griechenland an: "Wir befinden uns seit gestern in intensiven Gesprächen mit der griechischen Regierung", schrieb der Sprecher des Bundesinnenministeriums, Steve Alter, am Mittwoch bei Twitter. Er erklärte: "Wir haben Griechenland in der Vergangenheit geholfen und wir werden selbstverständlich auch jetzt helfen". Innenminister Horst Seehofer (CSU) habe dies bereits angeboten. Wie genau diese Hilfe aussehen könnte, teilte er nicht mit.
"Bankrotterklärung der europäischen Werteordnung"
Der Nordrhein-westfälische Flüchtlingsminister Joachim Stamp (FDP) forderte eine rasche Reaktion von Bund und EU. "Es ist erbärmlich, dass die EU so lange zugeschaut hat, bis es in Moria zu dieser Eskalation gekommen ist", sagte Stamp. Jetzt sei unmittelbares Handeln notwendig, um es nicht zur Katastrophe kommen zu lassen.
Die Länder hätten bereits Hilfe angeboten, sagte Stamp. "Der Bund muss die Koordination übernehmen. Horst Seehofer und Heiko Maas sind bisher untätig geblieben. Das muss sich sofort ändern." Da Deutschland die EU-Ratspräsidentschaft inne habe, trage es eine besondere Verantwortung. "Wenn die EU nicht in der Lage ist, wenige Tausend Migranten menschenwürdig unterzubringen, ist das eine Bankrotterklärung der europäischen Werteordnung."
Erik Marquardt, Grünen-Politiker und Mitglied des Europäischen Parlaments, sagte gegenüber t-online: "Wir haben seit Jahren vor solch einer Katastrophe gewarnt. Die Mitgliedstaaten und die Kommission müssen jetzt schnell humanitäre Hilfe leisten um eine Evakuierung, unter Beachtung der Corona-Maßnahmen, vorzubereiten. Viel zu lange haben EU-Staaten versucht politisches Kapital aus dem Leid dieser Menschen zu schlagen." Jede EU-Regierung müsse nun aufhören mit dem Finger auf andere zu zeigen und selbst handeln, so der EU-Politiker weiter.
Grünen-Chefin Annalena Baerbock reagierte ebenso entsetzt auf den Brand im Flüchtlingslager Moria und forderte die Aufnahme weiterer Flüchtlinge. "Die Bilder aus Moria sind erschütternd", sagte Baerbock am Mittwoch den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Das Lager steht fast komplett in Flammen, Menschen irren umher, sie haben Angst – und das auf europäischem Boden." Europa könne und dürfe nicht mehr wegsehen.
"Deutschland muss handeln", forderte Baerbock. Die Bundesregierung bremse jedoch Hilfe aus. "Unsere Anträge im Bundestag zur Aufnahme von Flüchtlingen wurden abgeschmettert", kritisierte die Grünen-Chefin. Bundesländer, die bereit und in der Lage seien, mehr Menschen aufzunehmen, liefen bei Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) gegen die Wand.
"Es gibt Kapazitäten, es gibt den Platz, es gibt eine überaus große Bereitschaft von Ländern und Kommunen in Deutschland, zu helfen", zeigte sich Baerbock überzeugt. Darauf könnte und müsste man aufbauen. "Aber vor allem CDU und CSU stellen sich taub und blind." Die SPD wiederum kündige an, bringe aber nichts durch.
"Deutschland muss seinen Beitrag leisten"
Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) forderte ebenfalls eine europäische Hilfsaktion. "Griechenland braucht Hilfe, die Menschen brauchen Hilfe und Lesbos braucht Hilfe", sagte Ramelow am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur. Die Situation in Moria sei bereits vor dem Brand immer katastrophaler geworden und es habe eine Überforderung sowohl der Geflüchteten als auch der Menschen in der Nachbarschaft gegeben. "Für mich ist das ein Tatbestand der europäischen Schande", sagte Ramelow.
Das Lager sei durch den Brand faktisch geräumt, die Menschen seien aber alle noch da. "Nun braucht es eine europäische Hilfsaktion und Deutschland muss dort seinen Beitrag leisten", sagte Ramelow. Es brauche eine "Entlastungsaktion für Griechenland und eine Umverteilung von Schutzsuchenden".
FDP-Chef Christian Lindner will eine Priorisierung der Flüchtlingsfrage während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft. "Die Bilder aus Moria sind erschütternd. Seit fünf Jahren scheitert EU an einer europäische Lösung der Flüchtlingsfrage", twitterte Lindner am Mittwoch. Das Thema müsse auf der Agenda "ganz nach oben."
- Nachrichtenagenturen dpa, AFP, Reuters