Streit um Hilfsgüter Tote und Verletzte in Venezuela – greifen die USA ein?
In Venezuela ist der Kampf um Hilfsgüter eskaliert. Zwei Menschen wurden bei Zusammenstößen mit venezolanischen Sicherheitskräften getötet, fast 300 Menschen wurden verletzt. Der US-Außenminister sieht "Zeit zum Handeln".
Schwere Zusammenstöße zwischen Demonstranten und Staatsapparat in Venezuela: Machthaber Nicolas Maduro blockierte am Samstag (Ortszeit) mit Hilfe des Militärs Hilfstransporte aus Kolumbien. Nach Angaben aus kolumbianischen Sicherheitskreisen setzten die Truppen Maduros im Grenzgebiet Tränengas und Gummigeschosse gegen Bürger ein, die Hilfsgüter ins Land bringen wollten.
Zwei Lastkraftwagen mit Lebensmitteln und Medikamenten für die Bevölkerung Venezuelas gingen Augenzeugen zufolge in Flammen auf. Weitere Fahrzeuge mit Waren mussten umkehren. Bei den Krawallen kamen laut der Nichtregierungsorganisation Penal Forum mindestens zwei Menschen ums Leben. Kolumbianischen Behörden zufolge wurden 285 Personen verletzt.
Berichte über Deserteure
Oppositionsführer Juan Guaido wollte mit Helfern Medizin und Lebensmittel über die Grenze ins Land schaffen. Die Güter lagerten bereits in der Grenzregion. Maduro will das verhindern. Er erklärte am Samstag, er breche die Beziehungen seines Landes zu Kolumbien ab. Alle kolumbianische Diplomaten und Konsularbeamten sollten binnen 24 Stunden das Land verlassen. Aus Kreisen der kolumbianischen Einwanderungsbehörden hieß es unterdessen, rund 60 Mitglieder der venezolanischen Sicherheitskräfte seien desertiert.
Auch an der Grenze zu Brasilien setzte venezolanisches Militär Tränengas ein. In der Grenzstadt Santa Elena hatten Bürger zuvor versucht, Barrikaden zu errichten. Sie wollten nach eigenen Angaben verhindern, dass bewaffnete Anhänger der Regierung in den Ort kommen. Auch von Brasilien aus sollten Hilfsgüter nach Venezuela gebracht werden. Maduro hatte die Schließung der Grenzen nach Kolumbien und Brasilien angeordnet.
Für Maduro geht es um alles
Die Regierung behauptet, Guaidó wolle mit den Hilfslieferungen eine ausländische militärische Intervention und den Sturz Maduros einleiten. Die gezielte Verteilung von Lebensmitteln an Anhänger ist überdies für die Maduro-Regierung ein Mittel, soziale Kontrolle auszuüben. Die Macht Maduros würde weiter geschwächt, wenn die Opposition die Not der Bevölkerung in dem eigentlich ölreichen Staat lindern könnte.
US-Außenminister Mike Pompeo kündigte unterdessen "Maßnahmen" Washingtons zur Unterstützung der Demokratie in Venezuela an. Nun sei die "Zeit zum Handeln" gekommen, um dem "verzweifelten venezolanischen Volk" zu helfen, schrieb Pompeo am Samstag auf Twitter. Zugleich verurteilte er das gewaltsame Vorgehen der venezolanischen Sicherheitskräfte.
"Attentat gegen die Menschenrechte"
"Die USA werden Maßnahmen gegen jene ergreifen, die sich der friedlichen Wiederherstellung der Demokratie in Venezuela widersetzen", schrieb Pompeo. "Wir sind solidarisch mit denen, die ihren Kampf für die Freiheit fortsetzen."
Kolumbiens Staatschef Iván Duque forderte die freie Einfuhr von Hilfsgütern. Die Blockade der Transporte sei ein "Attentat gegen die Menschenrechte", sagte Duque in Cúcuta auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Guaidó und dem chilenischen Präsidenten Sebastián Piñera.
Auch Guaidó rief die venezolanischen Sicherheitskräfte auf, sich "auf die Seite der Verfassung" zu stellen und die Hilfsgüter durchzulassen. Dann machte sich der Interimspräsident, der inzwischen von Dutzenden Staaten und auch Deutschland anerkannt ist, nach eigenen Angaben auf den Weg an die Grenze.
Venezolanische Soldaten desertieren
Guaidó war am Freitag unbehelligt nach Kolumbien gereist, um dem Benefizkonzert "Venezuela Aid Live" in Cúcuta beizuwohnen. Viele westliche Staaten unterstützen den jungen Politiker, andere wie Russland und China stehen auf Seite der Führung in Caracas.
Inmitten des Machtkampfs sind nach kolumbianischen Angaben 13 weitere Sicherheitskräfte desertiert. Elf Soldaten und zwei Polizisten aus dem benachbarten Krisenland seien über die Grenze nach Kolumbien geflohen, teilte die dortige Einwanderungsbehörde am Samstag mit. Drei Soldaten der Nationalgarde durchbrachen mit einem Panzerwagen die Barrieren auf der Grenzbrücke Simón Bolívar.
In Kolumbien standen 600 Tonnen Hilfsgüter bereit, in Brasilien weitere 200 Tonnen Medikamente und Nahrungsmittel. Ein Schiff mit 200 Tonnen sei außerdem am Samstag von Puerto Rico ausgelaufen, erklärte der Oppositionsabgeordnete Miguel Pizarro in Caracas.
In der brasilianischen Grenzstadt Pacaraima trafen am Samstag die ersten zwei Lastwagen mit Hilfsgütern ein. Wie das Nachrichtenportal G1 berichtete, sie transportieren rund sieben Tonnen Lebensmittel und Medikamente. Brasiliens Außenminister Ernesto Araújo erklärte in Pacaraima, dass sie in Venezuela ausgeliefert werden sollen.
"Die Welt sieht zu"
An der geschlossenen Grenze zu Brasilien war es am Freitag auf venezolanischer Seite zu einem schweren Zusammenstoß von Sicherheitskräften mit indigenen Bewohnern gekommen, die üblicherweise auf der anderen Seite der Grenze in Brasilien Lebensmittel einkaufen. Zwei Demonstranten seien in der Ortschaft San Francisco de Yuruaní getötet worden, erklärte der venezolanische Oppositionsabgeordnete Américo De Grazia. Elf weitere Menschen wurden verletzt in Krankenhäuser auf der brasilianischen Seite eingeliefert.
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Die US-Regierung warnte Maduro und das Militär vor neuer Gewaltanwendung. In einer am Freitagabend (Ortszeit) verbreiteten Erklärung forderte auch das Weiße Haus die Soldaten auf, Hilfsgüter für das Volk ungehindert passieren zu lassen. "Die Welt sieht zu", warnten die USA. Präsident Donald Trump schrieb tags darauf auf Twitter: "Gott segne das Volk Venezuelas."
Der Nationale Sicherheitsberater John Bolton sagte eine geplante Reise nach Südkorea ab, um die Lage in Venezuela zu beobachten. UN-Generalsekretär António Guterres forderte ebenfalls die venezolanischen Sicherheitskräfte auf, keine Gewalt gegen Demonstranten einzusetzen.
- Nachrichtenagenturen Reuters, dpa, AFP