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Russland unter Putin: Trump hat die Russen schon einmal enttäuscht


Kolumne "Russendisko"
Über Trump gab es in Russland ein böses Gerücht

MeinungEine Kolumne von Wladimir Kaminer

23.03.2025Lesedauer: 3 Min.
Donald Trump und Wladimir Putin (Archivbild): Die USA nähern sich Russland wieder an.Vergrößern des Bildes
Wladimir Putin und Donald Trump (Archivbild): Die USA nähern sich Russland wieder an. (Quelle: Evan Vucci/AP/dpa)
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Die Zeiten sind schlimm, viele Russen suchen Orientierung in den Sternen. Wladimir Kaminer meint, dass nur eine Sache sicher ist: Trump und Putin sind nicht die letzte Apokalypse, die uns heimsuchen wird.

Fernsehen war gestern, heute sind Podcasts angesagt. Es gibt sie in unzähliger Menge für Alt und Jung, für Klug und Doof. Die Zuhörer werden zu jedem Thema von Experten aufgeklärt. Inzwischen habe ich das Gefühl, dass es mehr Experten als Zuhörer gibt. Meine 93-jährige Mutter hört zusammen mit ihrer aus der Ukraine geflüchteten Pflegekraft Nina ukrainische Podcasts in russischer Sprache.

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Ninas Heimatstadt wird zurzeit beinahe täglich bombardiert, doch das Thema Krieg wird gemieden. Ebenso das Thema Zukunft. Geflüchtete Menschen versuchen – teils unbewusst – schlechte Nachrichten zu vermeiden. Schlechte Nachrichten führen auf Dauer nur zu Stress und Schlaflosigkeit, die Menschen stumpfen ab, sie können nichts für den Krieg und haben ihr ganzes Mitleid längst aufgebraucht. Sie wollen nicht mehr jeden Tag über schwere Kämpfe an der Front, zerstörte Wohnhäuser und verwaiste Kinder hören.

(Quelle: Frank May)

Zur Person

Wladimir Kaminer ist Schriftsteller und Kolumnist. Er wurde 1967 in Moskau geboren und lebt seit Jahrzehnten in Deutschland. Zu seinen bekanntesten Werken gehört "Russendisko". Sein neuestes Buch "Mahlzeit! Geschichten von Europas Tischen" erschien am 28. August 2024.

Die ukrainische Pflegehilfe meiner Mutter hört mit Mama zusammen Podcasts aus Kiew zu solch lebensbejahenden Themen wie "Die Auswirkung der Sonnenstrahlen auf die mentale Gesundheit", "Tarotkarten richtig lesen lernen" und – von meiner Mutter besonders geschätzt "Das Geheimnis des Sauerkrauts. Das gesündeste Essen der Welt". Wenn man die Corona-Zeit mitrechnet, leben die Ukrainer gefühlt seit fünf Jahren inmitten der Apokalypse, denn gleich nach der Pandemie kam der Krieg, die Bombardierung ihrer Wohnorte, die Vertreibung und die Flucht vieler nach Deutschland.

Das Unglück steigert die Neugier, was mag noch kommen? Und die entscheidende Frage ist: Welche Chancen eröffnen die unterschiedlichen Sternzeichen Menschen, um die Apokalypse zu überleben? Nina ist Widder, ihre Chancen stehen nicht schlecht. Meine Mutter ist Schütze und pfeift auf die Sterne, sie hält die Apokalypse(n) für den Normalzustand der Welt, die sich im Kreis dreht – von einer Apokalypse zur nächsten.

Wartet die nächste Sau schon?

Auch die jetzige Apokalypse mit Trump und Putin wird vergehen, und bald wird eine neue Sau durchs Dorf getrieben. Interessanterweise haben auch Mamas Verwandte in Moskau einen Hang zum Esoterischen entwickelt, Mamas Schwester (Sternzeichen Fisch) und ihr Mann (Sternzeichen Skorpion) lesen meiner Mutter am Telefon ihre Horoskope vor. Dabei waren sie früher alles andere als abergläubisch, normale sowjetische Ingenieure.

In Russland erleben derzeit die Wahrsager, Handleser und Sternzeichendeuter goldene Zeiten, und je länger der Krieg dauert, umso mehr. Das hat angeblich mit der modernen Kriegsführung zu tun. Beide Länder bekämpfen einander mit unzähligen Drohnen, einige werden abgeschossen, nur wenige erreichen ihr programmiertes "Ziel", die meisten verschwinden einfach vom Radar, weichen von ihrer Route ab oder fliegen Gott weiß wohin. Der Großteil fliegt unkontrolliert durch die Gegend.

Wenn das kein Grund ist, abergläubisch zu werden. Die Menschen wissen nicht, wohin die Drohnen fliegen, vielleicht wissen es die Sterne. Die Menschen trauen inzwischen den Sternen mehr als den Politikern und den Drohnenpiloten. Die geben doch nur vor, alles unter Kontrolle zu haben, allein die Sterne wissen, wen es trifft. Gegen die Macht der Sterne können die Politiker und die Drohnenpiloten nichts ausrichten. Man muss die Sterne nur richtig verstehen, aber wer kann das bloß?

Die Sterndeuter, die Wahrsager und die Kartenleger irren sich genauso oft wie die Politexperten und Nachrichtenmacher. Besonders oft irren sie sich, wenn sie das Ende prophezeien, sei es das "Ende der Geschichte", eine verunglückte Prophezeiung von Francis Fukuyama oder die gute alte Apokalypse, die nicht nur von den Zeugen Jehovas immer wieder verkündet, dann aber verschoben wird. Wie viele Apokalypsen die Menschen schon überlebt haben, ist kaum zu zählen.

Sauerkraut ist stabil

Es gab zum Beispiel vor einigen Jahren in Russland eine weitverbreitete Prophezeiung, dass der 45. Präsident der Vereinigten Staaten, Donald Trump, auch der letzte Präsident sein würde: Mit ihm gehe die Welt unter. Das klang authentisch, nichts sprach dagegen. Auch unsere Verwandten in Moskau haben daran geglaubt, jetzt müssen sie eingestehen, dass sie schon wieder falsch lagen. Anstelle des Weltuntergangs ist der 45. Präsident zum 47. Präsidenten geworden, Trump tanzt wie ein ungezähmtes Kind auf dem Rücken des ihm verhassten "Establishments" zur Melodie von "La Cucaracha". Früher traditionell mächtige Familien des Landes, die Clintons und die Bushs, erstarren.

Was lehrt uns diese Geschichte? Jedes Ende ist auch ein Anfang und es gibt überhaupt nichts mehr Solides auf diesem Planeten, woran man glauben könnte – mit Ausnahme von Sauerkraut, das tatsächlich das gesündeste Essen der Welt ist. Das können alle Sterne nur bestätigen.

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