Letzte Rebellenhochburg Assads "Tiger" bekämpft die Islamisten in Idlib
Im Norden Syriens halten islamistische Rebellen noch ein größeres Gebiet. Unterstützt von russischen Luftangriffen rücken die Truppen von Präsident Assad immer weiter vor – eine Offensive mit Risiken.
Idlib ist die letzte große Hochburg syrischer Rebellen. Doch der militärische Druck auf die Provinz im Nordwesten des Landes an der Grenze zur Türkei wird immer größer. Unterstützt von russischen Luftangriffen und verbündeten Milizen rücken die Truppen von Präsident Baschar al-Assad immer weiter vor. Bei eisigen Temperaturen fliehen deswegen Tausende Zivilisten Richtung Türkei. In der Region leben nach UN-Anagen rund 2,6 Millionen Menschen, darunter rund 1,1 Millionen Vertriebene aus anderen Gebieten.
UN: Flüchtlingslager haben Kapazität erreicht
"Die Situation ist extrem schlimm", sagte am Montag Linda Tom, die Sprecherin des UN-Nothilfebüros "Ocha" in Syrien. Die Lager für Vertriebene in der Region hätten bereits ihre Kapazität erreicht. Hilfsorganisationen hätten Probleme, den wachsenden Bedarf zu decken. Kaltes und nasses Winterwetter macht die Lage noch schwieriger. Allein am Sonntag starben bei Luftangriffen nach Angaben von Aktivsten mindestens 21 Zivilisten, darunter acht Kinder. Zeitgleich detonierte eine Autobombe vor dem Hauptquartier einer Al-Kaida-nahen Rebellengruppe.
Die Offensive wurde verstärkt, nachdem am ersten Weihnachtsfeiertag Brigadegeneral Suheil al-Hassan das Kommando übernommen hatte. Von seinen Soldaten "Tiger" genannt, gilt al-Hassan als einer der erfahrensten Offiziere – er genießt das Vertrauen von Präsident Assad. Seine Elitekräfte hat al-Hassan in dem seit bald sieben Jahren währenden Konflikt zu zahlreichen Siegen geführt, zuletzt mit der Rückeroberung der Stadt Deir ez-Zor im Osten des Landes nach monatelangen Kämpfen.
Mächtigste Fraktion in Idlib ist die radikalislamische Tahrir al-Scham, die ehemalige Al-Nusra-Front. Offiziell hat sich die Gruppe zwar von Al-Kaida losgesagt – doch an ein tatsächliches Ende der Partnerschaft mit dem Terrornetzwerk glaubt kaum jemand. Zumindest die Türkei schien sich zuletzt trotzdem mit dem Bündnis arrangiert zu haben: Als das türkische Militär in der Provinz einrückte, geschah es unter dem Schutz der Islamisten – um gegen die kurdische Miliz YPG vorzugehen.
Russland: Kampf gegen den IS für beendet
Nachdem die Terrormiliz Islamischer Staat zum Ende des vergangenen Jahres in all ihren Hochburgen besiegt worden war, galt die islamistisch besetzte Provinz als nächstes logisches Ziel der Assad-treuen Militärs und Russlands. Der russische Außenminister Sergej Lawrow erklärte vergangene Woche die wichtigsten militärischen Operationen in Syrien gegen den IS für beendet und signalisierte damit, dass sich der Fokus nun auf andere Ziele verschoben hat.
In den vergangenen zwei Monaten haben Regierungstruppen bereits mehr als 80 Städte und Dörfer im Norden der Nachbarprovinz Hama eingenommen und sind erstmals seit Mitte 2015 auch wieder nach Idlib selbst vorgedrungen.
Die Idlib-Offensive birgt allerdings bedeutende Risiken. Eine großangelegte Offensive der Regierungstruppen könnte zu vielen zivilen Toten führen und viele Flüchtlinge Richtung Türkei treiben.
Es ist daher noch unklar, wie weit die Offensive gehen soll. Die gesamte Provinz einzunehmen, würde lange dauern und blutig werden. Oppositionsvertreter halten es auch für unwahrscheinlich, dass die Regierungstruppen die Provinzhauptstadt angreifen werden, die ebenfalls Idlib heißt. Dort sähen sie sich erfahrenen und bestens ausgerüsteten Aufständischen von Tahrir al-Scham gegenüber.
Truppen rücken in Idlib vor
Wahrscheinlicheres Ziel: Der Luftwaffenstützpunkt Abu Suhur. Am Sonntag eroberten Regierungstruppen nach einem Fernsehbericht eine Stadt nur rund 20 Kilometer südlich des Stützpunkts.
Vieles spricht außerdem dafür, dass al-Hassans Hauptmission die Sicherung der Verbindungsstraße von Damaskus nach Aleppo ist. Sie ist zwar offiziell unter Regierungskontrolle, doch seit Dezember 2016 kam es dort immer wieder zu Angriffen: von Osten durch den IS und von Westen durch die Rebellen. Seit der IS zurückgedrängt wurde, geht es nun vor allem um den westlichen Teil.
Laut der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit Sitz in Großbritannien wurden mindestens 43 Zivilisten, 57 Milizionäre und 46 regierungstreue Kämpfer getötet, seit al-Hassan die Offensive gestartet hat. "Das Regime will den östlichen Teil der Provinz Idlib einnehmen", sagt der Chef der Beobachtungsstelle, Rami Abdurrahman. "Sein Ziel ist es, jede Bedrohung der Straße von Damaskus nach Aleppo zu beseitigen."
Quellen:
– AP, dpa