Hamas übergibt Geiselliste Gaza-Waffenruhe tritt nach Verzögerung in Kraft
Am Sonntagmorgen sollte die Waffenruhe im Gazastreifen in Kraft treten. Doch die Hamas übersendet erst mit Verzögerung eine Liste mit Namen von freizulassenden Geiseln.
Die für 7.30 Uhr geplante Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas im Gaza-Krieg hat sich um knapp drei Stunden verzögert. Laut israelischen Angaben soll die Feuerpause nun um 10.15 Uhr beginnen.
Eine Detailfrage hatte die Verzögerung ausgelöst. Hintergrund sei, dass die Hamas bislang keine Liste mit den Namen der drei Geiseln übermittelt habe, die im Laufe des Tages im Rahmen des Deals freikommen sollen. Das teilte Israels Armeesprecher Daniel Hagari am frühen Sonntagmorgen mit. Solange die Hamas ihre Zusagen nicht einhalte, trete die Waffenruhe nicht in Kraft, hieß es zunächst am frühen Sonntagmorgen.
Laut der Hamas wurde mittlerweile eine Liste an Israel übermittelt. Das berichteten der israelische Sender Kan unter Berufung auf Verhandlungskreise sowie die Hamas selbst. Das Büro von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu bestätigte den Vorgang dann am Sonntagvormittag.
Um 15 Uhr MEZ (16 Uhr Ortszeit) sollen drei weibliche Geiseln aus der Gewalt der Hamas freikommen, teilt Netanjahus Büro weiter mit. Wie ihre Familien israelischen Medienberichten zufolge bestätigen, handelt es sich bei ihnen um die Zivilistinnen Romi Gonen (24), Emily Damari (28) und Doron Steinbrecher (31). Auch das Forum der Geiselfamilien bestätigte, dass die drei für die Freilassung am Sonntag vorgesehen seien. Vier weitere weibliche Geiseln sollen in sieben Tagen aus der Gewalt der Hamas freikommen.
Israels Armee setzte Angriffe fort – wohl fünf Tote
Angesichts der Verzögerung der geplanten Waffenruhe griff Israels Armee zunächst nach eigenen Angaben weiter Ziele im Gazastreifen an. Artillerie und Luftwaffe hätten eine Reihe von "Terrorzielen" im Norden und zentralen Abschnitt des abgeriegelten Küstenstreifens attackiert, teilten die Streitkräfte am Morgen mit.
Palästinensischen Angaben zufolge gab es dabei wieder Tote. 19 Menschen seien zwischen 7.30 Uhr und 10.15 Uhr MEZ im Gazastreifen ums Leben gekommen, teilte der von der Hamas kontrollierte Zivilschutz mit. Laut Augenzeugen soll Israels Armee eine Gruppe Palästinenser attackiert haben, die in ihre Heimat im Osten der Stadt zurückkehren wollten. Die Angaben ließen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen. Israels Armee sagte auf Anfrage, sie prüfe die Berichte.
Palästinenser feiern laut Berichten trotzdem – Israelischer Minister tritt zurück
Trotz der bisher nicht in Kraft getretenen Waffenruhe feierten Menschen in Gaza zunächst, berichtete der arabische Fernsehsender Al-Dschasira. Um genau 8.30 Uhr Ortszeit (7.30 Uhr MEZ), dem ursprünglich angekündigten Beginn der Waffenruhe, seien Jubelfeiern ausgebrochen. Es seien Freudenschüsse und Feuerwerk abgefeuert worden, berichtete der Sender.
Der israelische Minister für nationale Sicherheit, Itamar Ben-Gvir, hat einem Medienbericht zufolge derweil seinen Rücktritt aus der Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu eingereicht. Mit ihm treten demnach weitere Mitglieder seiner ultranationalistisch-religiösen Partei Jüdische Stärke aus der Koalition aus. Das berichtet die "Jerusalem Post" am Sonntag unter Berufung auf ein Schreiben Ben-Gvirs. Der rechtsextreme Politiker hatte seinen Rücktritt zuvor bereits angekündigt.
Zuvor hatte Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu erneut auf die Liste gedrängt, sonst werde die Waffenruhe nicht um 7.30 Uhr MEZ beginnen. Er habe die Armee angewiesen, erst dann mit der Waffenruhe zu beginnen, wenn die islamistische Hamas die Liste übergeben hat. Die Hamas bekräftigte, dass sie zu dem Abkommen stehe und machte "technische Gründe vor Ort" für die Verzögerung bei der Lieferung der Namen verantwortlich. Details dazu nannte sie nicht. Die Hamas hätte die Geisel-Namen eigentlich bereits am Vortag mitteilen müssen.
Die israelischen Behörden gehen davon aus, dass die 33 Geiseln am Leben sind, eine Bestätigung der Hamas stand allerdings noch aus. Aus dem Hamas-Umfeld hieß es, als Erstes sollten drei israelische Frauen freigelassen werden. Das Rote Kreuz werde die ersten Geiseln am Sonntag gemeinsam mit ägyptischen und katarischen Teams in Empfang nehmen. Sie würden dann nach Ägypten gebracht und dort der israelischen Seite übergeben.
Justizministerium veröffentlicht Liste für Freilassung von Palästinensern
Ein israelischer Militärbeamter erklärte, dass in Kerem Schalom, Eres und Reim Aufnahmestellen eingerichtet worden seien, wo die freigekommenen Geiseln von Ärzten und Psychiatern betreut werden sollten, bevor sie per Hubschrauber oder per Fahrzeug in israelische Krankenhäuser gebracht würden.
Nachdem die ersten freigelassenen Geiseln nach Israel heimgekehrt seien, werde die "Freilassung der ersten Gruppe palästinensischer Häftlinge, darunter mehrere mit hohen Strafen, erwartet", hieß es weiter.
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Netanjahu: Nur "vorläufige Waffenruhe"
Das israelische Justizministerium hatte zuvor eine Liste von 95 palästinensischen Häftlingen veröffentlicht, die am Sonntag freigelassen werden sollten, die Mehrheit von ihnen Frauen.
Netanjahu erklärte am Samstagabend in einer TV-Ansprache, Israel behalte sich das Recht vor, "den Krieg wenn nötig wieder aufzunehmen, mit amerikanischer Unterstützung". Die erste, 42-tägige Phase der Waffenruhe sei eine "vorläufige Waffenruhe". "Wenn wir gezwungen werden, den Krieg wieder aufzunehmen, werden wir das mit Gewalt tun", erklärte Netanjahu, der versprach, "alle Geiseln zurückzubringen". In Tel Aviv forderten Demonstranten am Samstag die Freilassung der im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln.
Israels Armee warnt Bewohner des Gazastreifens
Die israelische Armee warnte indes die Menschen im Gazastreifen kurz vor dem Inkrafttreten einer Waffenruhe davor, sich den israelischen Soldaten zu nähern oder sich auf die Pufferzone zuzubewegen. "Wir fordern Sie zu Ihrer eigenen Sicherheit dringend auf, nicht in Richtung der Pufferzone oder der (israelischen) Streitkräfte zu gehen", erklärte ein Militärsprecher am Sonntag im Onlinedienst Telegram.
"Zum jetzigen Zeitpunkt ist es gefährlich, sich auf die Pufferzone zuzubewegen oder sich von Süden nach Norden durch das Gaza-Tal zu bewegen", fuhr er fort. "Jeder, der sich in diese Gebiete begibt, bringt sich selbst in Gefahr."
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Seit zehn Jahren vermisste Soldatenleiche geborgen
In der Nacht zu Samstag barg die israelische Armee zudem eigenen Angaben zufolge die Leiche eines israelischen Soldaten, die seit mehr als zehn Jahren im Gazastreifen festgehalten wurde. Vergangene Nacht habe der Inlandsgeheimdienst Shin Bet zusammen mit den israelischen Streitkräften in einem Spezialeinsatz die Leiche des Soldaten Oron Shaul zurück nach Israel gebracht", erklärte die Armee am Sonntag.
Oron Shaul war 2014 bei einem Militäreinsatz im Gazastreifen gefallen. Die dort regierende radikalislamische Hamas hatte seine Leiche entführt und seitdem aufbewahrt. Die Familie des Unteroffiziers sei nach einer offiziellen Identifizierung über die Rückbringung seiner sterblichen Überreste informiert worden, teilte die Armee mit.
Israel will 737 Palästinenser freilassen
Erstmals seit November 2023 soll es im Krieg zwischen Israel und der Hamas ab Sonntag wieder eine Waffenruhe geben. Das Vermittlerland Katar gab den Beginn der Feuerpause mit 07.30 Uhr MEZ an – daraus wurde zunächst nichts.
In der ersten Phase des Abkommens soll die Hamas 33 der von ihr im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln freilassen. Nach Angaben aus dem Hamas-Umfeld sollen als Erstes drei israelische Frauen freigelassen werden. Im Gegenzug sollen in der ersten Phase nach ägyptischen Angaben 1890 palästinensische Häftlinge freikommen. Israel hatte am Freitag die Zahl von 737 freikommenden Häftlingen genannt.
- Nachrichtenagenturen AFP und dpa