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Russland im Ukraine-Krieg: Putins Fußballer finden keine richtigen Gegner mehr


Kolumne "Russendisko"
Russland findet keine richtigen Gegner mehr

MeinungEine Kolumne von Wladimir Kaminer

08.12.2024Lesedauer: 4 Min.
Wladimir Putin: Kaum jemand will gegen Russland im Fußball antreten.Vergrößern des Bildes
Wladimir Putin: Kaum jemand will gegen Russland im Fußball antreten. (Quelle: Alexei Druzhinin/imago-images-bilder)
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Angriffskrieger Wladimir Putin will Russland "groß" machen, im Fußball verzwergt er sein Land aber. Denn es gibt fast keine Nation, die gegen Russlands Kicker antreten will, meint Wladimir Kaminer.

Schleichend frisst sich der sinnloseste Krieg der Geschichte durch das öffentliche Leben Russlands, er vergiftet und zerstört Sport, Bildung, Kultur. Die Verleger wissen inzwischen nicht mehr, was sie drucken dürfen. Denn jedes Buch kann als Kritik am Krieg oder am Regime gedeutet werden. Sogar russische Klassiker werden aus den Regalen der Buchläden entfernt, entweder waren sie zu sehr für Frieden, oder ein inzwischen geflüchteter "ausländischer Agent und Extremist" hatte vor vielen Jahren das Vorwort dazu geschrieben.

Was für Filme darf man noch drehen? Patriotische Filme über russische Soldatenhelden oder über das "nationalistische ukrainische Regime" würden sofort eine Finanzierung vom Staat bekommen. Aber es finden sich nicht genug Profis, die bereit wären, dieses Geld zu nehmen. 50 Regisseure haben gerade abgelehnt, im Auftrag des Kulturministeriums eine Soap über sogenannte ukrainische Nationalisten zu drehen. Das sind recht viele Verweigerer.

(Quelle: Frank May)

Zur Person

Wladimir Kaminer ist Schriftsteller und Kolumnist. Er wurde 1967 in Moskau geboren und lebt seit Jahrzehnten in Deutschland. Zu seinen bekanntesten Werken gehört "Russendisko". Sein neuestes Buch "Mahlzeit! Geschichten von Europas Tischen" erschien am 28. August 2024.

Also wird das Staatsgeld hauptsächlich für die Neuverfilmung alter sowjetischer Märchen verschwendet. Nächstes Jahr sollen "Der Zauberer aus der Flasche" und "Buratino", der russische Pinocchio, neu verfilmt werden. Und als Highlight des Jahres kommt das alte gute "Aschenputtel" zurück, ein Film aus dem Jahr 1947, den jeder in Russland kennt: Es war ein Film, der Hoffnung ausstrahlte, die Hoffnung auf ein besseres Leben, das möglich sein kann.

Die damals an der Produktion beteiligten Schauspieler hätten eigentlich aus ihrem wirklichen Leben eine ganz andere Geschichte erzählen können: Aschenputtel wurde von ihrem Mann während des Krieges verlassen und wäre beinahe unter deutschen Bomben umgekommen. Dem Prinzen war während der Stalin-Repressionen fast die ganze Familie verhaftet und umgebracht worden, sein Bruder wurde am Drehort verhaftet und als Heimatverräter hingerichtet.

Fußball im Niedergang

Die Fee hatte ihre Eltern während der deutschen Blockade von Leningrad verloren, sie waren verhungert. Und der König hatte lange im Lager gesessen. Aber auf der Leinwand tanzten und lachten und sangen sie, als wären sie die glücklichsten Menschen auf Erden. Das Land hatte gerade das Leid des Großen Krieges hinter sich und die Menschen wollten wieder Hoffnung schöpfen, Hoffnung auf ein besseres Leben, das möglich wurde. Damals kam Aschenputtel zum richtigen Zeitpunkt in die Kinos.

Doch der heutige Krieg wütet weiter, und das Ende ist nicht abzusehen, die Weltgemeinschaft schaut zu, wie sich die beiden Länder bekämpfen, schüttelt ab und zu den Kopf und hilft dem Schwächeren mit Raketen: Was soll sie sonst auch tun? Wie eine heiße Kartoffel wird dieser Krieg von einer Hand in die andere gelegt. Biden, Nato, Uno, Trump kommentieren das Kriegsgeschehen oft und gerne, doch in Wahrheit will niemand etwas damit zu tun haben. Also geht der Krieg weiter und verwüstet alle zivilen Bereiche des öffentlichen Lebens.

Will nun jemand wissen, wie sich die Fußballfans in Russland fühlen, von den Fußballspielern ganz zu schweigen? Sie feiern riesige Erfolge. Beim letzten Spiel der russischen Nationalmannschaft hat sie einen eigenen Rekord in Krasnodar aufgestellt: 11:0 gegen die Nationalmannschaft von Brunei. Der eigentliche Skandal ereignete sich nach dem Spiel, als die Brunei-Mannschaft sich in einer Shishabar in Krasnodar unsittlich benahm und ein wenig randalierte.

Nach einer polizeilichen Ermittlung wurde festgestellt, dass die Nationalmannschaft aus Brunei gar nicht nur aus Fußballern besteht. Es waren zwei Polizisten darunter sowie ein Taxifahrer, einige Jungs aus der Jugendmannschaft hatten ihre Freunde nach Russland mitgenommen. Die russische Seite zahlte nämlich für ein Freundschaftsspiel ansehnliches Geld. Die Sache mit Brunei war dann aber doch zu peinlich, deswegen wurde jetzt der Chef der National Football Association von Brunei vom Sultan persönlich entlassen.

Was kommt jetzt?

Das russische Problem wurde damit nicht gelöst, dem Land gelingt es immer weniger, Freundschaftsspiele zu organisieren. Von allen internationalen Turnieren und Meisterschaften ausgeschlossen, sucht Russland aktiv nach potenziellen Partnern für die Freundschaftsspiele, aber es wird eng. Es gibt zwar einen Haufen Länder, die bereit sind, für Geld gegen Russland zu spielen oder zumindest auf dem Fußballfeld zu tanzen. Aber es sind eben keine großen Fußballnationen, vorsichtig gesagt. In der Presse wird diese Situation als ein großer Gewinn dargestellt, denn die russische Nationalelf stellt einen Rekord nach dem anderen auf.

Die letzten Zahlen aus dem Jahr 2024 klingen beeindruckend: fünf Siege in fünf Spielen, mit einem traumhaften Gesamtergebnis an Toren, nämlich 26:00. Die Russen konnten sich gegen Serbien und Belarus tapfer behaupten, Vietnam und Syrien wurden auf dem Feld beinahe überrannt. Dann folgte als Kirsche auf der Torte das Spiel gegen Brunei, mit dem ersten Tor bereits nach sieben Sekunden Spielzeit! Möglicherweise war der Torwart gleich in die Shishabar gegangen?

Insgesamt hat die russische Nationalelf jedoch erstaunlich wenig gespielt. Ein paar Freundschaftsspiele waren zwar versprochen worden, fanden aber nicht statt. Das Spiel gegen Paraguay wurde wegen eines terroristischen Anschlags in Moskau abgesagt, das Spiel gegen Thailand fiel wegen eines Taifuns in Vietnam ins Wasser, und die Verabredung mit Pakistan wurde zu einem Desaster: Kurz vor dem Spiel erklärte die Nationale Fußballakademie Pakistans, dass niemand es wirklich vorgehabt hatte, gegen die Russen anzutreten.

Doch mit wem haben dann die russischen Fußballbürokraten überhaupt verhandelt? "Mit irgendwelchen Menschen aus Pakistan", sagte der Sportminister. Seitdem sind "irgendwelche Menschen aus Pakistan" zu einem Meme geworden und gelten als Bezeichnung für alle infrage kommenden Gegner der Nationalelf. Wie geht es nun weiter? Für das Jahr 2025 sind weitere Freundschaftsspiele geplant.

Wenig Interesse

Die meisten Länder weigern sich allerdings aus politischen Gründen, mit Russland zu spielen. Aber wie bereits Erich Honecker einmal sagte: "Wir sind nicht allein auf der Welt." Es werden Gespräche mit Israel geführt, mit Kasachstan und Zypern. Ansonsten ist Europa abgegrast, sogar Albanien hat abgesagt (wollen sie etwa auch in die EU?). Mit Afrika ist die Situation ebenfalls kompliziert.

Insider behaupten, ein Spiel gegen Nigeria wäre nächstes Jahr realistisch, plus noch ein weiteres afrikanisches Land, das aber noch nicht genannt werden möchte. Das Spiel mit Venezuela findet höchstwahrscheinlich statt, Burkina Faso und die République de Côte d'Ivoire (die Elfenbeinküste) machen auch mit. Der Präsident wünschte den Mannschaften schon mal viel Erfolg. Auf zu neuen Rekorden!

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