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Coronavirus: Macht die Pandemie China zur letzten Supermacht?


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Macht die Corona-Krise China zur einzigen Supermacht?

Von Maximilian Kalkhof

02.01.2021Lesedauer: 5 Min.
Ein Corona-Test in Chengdu, China: Die Volksrepublik scheint die Pandemie besiegt zu haben. Macht sie das zur letzten Supermacht?Vergrößern des Bildes
Ein Corona-Test in Chengdu, China: Die Volksrepublik scheint die Pandemie besiegt zu haben. Macht sie das zur letzten Supermacht? (Quelle: ZUMA Press/imago-images-bilder)
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China erholt sich besser von der Wirtschaftskrise als der Rest der Welt. Das befeuert im Westen eine Debatte, die vielen Angst macht: Die Pandemie könnte endgültig den Beginn des "chinesischen Jahrhunderts" markieren.

Es war ein Paukenschlag.

Als China und 14 asiatische Staaten im November erklärten, die größte Freihandelszone der Welt zu schaffen, kam das für viele Beobachter nicht nur überraschend. Es passte auch so gar nicht in ihr von der Corona-Pandemie geplagtes Weltbild.

In Europa tobt seit dem Herbst die zweite Welle, die Infektions- und Todeszahlen sind höher als in der ersten. Zum Jahresende gingen mehrere Länder erneut in einen harten Lockdown – obwohl man das um jeden Preis vermeiden wollte. In vielen Ländern Asiens ist Corona jedoch Vergangenheit. Zwar trafen sich die Unterzeichner des Abkommens nur online. Aber mitten in die größte Krise des 21. Jahrhunderts sendeten sie die gut gelaunte Botschaft: Wir treiben Handel – und zwar mehr als je zuvor!

Ein geopolitischer Sieg

Die Unterzeichnung des Abkommens, das den Namen RCEP (Regional Comprehensive Economic Partnership) trägt, war besonders für China ein geopolitischer Sieg. Die USA hatten unter Barack Obama versucht, das asiatische Land mit dem Handelsabkommen TPP (Trans-Pacific Partnership) zu isolieren. Doch Donald Trump stieg aus dem Abkommen aus – nur drei Tage nach seinem Amtsantritt. RCEP war für die Volksrepublik also ein später Triumph über die USA, ihren größten geopolitischen Rivalen.

Doch RCEP ist nicht Pekings einziger Triumph. Chinas Wirtschaft hat sich auf erstaunliche Weise von der Pandemie erholt. Bereits im zweiten Quartal wuchs sie um 3,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahresquartal. Im ersten Quartal war sie – im Vergleich zum Vorjahreszeitraum – noch um 6,8 Prozent eingebrochen. Der Positivtrend setzte sich im dritten Quartal fort: Die chinesische Wirtschaft wuchs um 4,9 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal.

Nach einer Prognose des Internationalen Währungsfonds (IWF) ist China damit dieses Jahr die einzige führende Volkswirtschaft, deren Bruttoinlandsprodukt (BIP) wächst. Die Sonderorganisation der Vereinten Nationen (UN) schätzt das chinesische Wirtschaftswachstum bis Jahresende auf 1,9 Prozent. Zum Jahresende haben sich China und die EU zudem grundsätzlich auf ein Investitionsabkommen geeinigt. Nur wenige Wochen vor Amtsantritt des neuen US-Präsidenten Joe Biden ist auch das ein geopolitischer Sieg für Peking.

Die Ironie: China, das Land, in dem die Pandemie ausgebrochen ist, kommt so gut aus der Krise wie kaum ein anderes.

Die neue letzte Supermacht?

Chinas v-förmige wirtschaftliche Erholung befeuert eine der großen Debatten des 21. Jahrhunderts: die Frage, wie sich die Pandemie auf das Verhältnis zwischen den USA, der nach dem Fall des Eisernen Vorhangs einzig verbliebenen Supermacht, und China, der aufstrebenden Supermacht, auswirkt. Die Pandemie ist der Beginn einer neuen Weltordnung mit China als Mittelpunkt, behaupten die einen. Die USA sind zwar nicht mehr die unangefochtene Supermacht, werden aber, insbesondere nach der Wahl von Joe Biden, wieder zu alter Führungsstärke zurückfinden, argumentieren die anderen.

Kishore Mahbubani gilt als einer der bekanntesten Vertreter der Idee des "chinesischen Jahrhunderts". Der 72-Jährige stand mehr als 30 Jahre lang im diplomatischen Dienst Singapurs. Unter anderem war er der ständige Vertreter des Stadtstaates bei den UN. Seit seinem Ausscheiden aus dem diplomatischen Dienst lehrt Mahbubani an Universitäten und schreibt Bücher. Zuletzt hat er das Buch "Has China won?" veröffentlicht. Der Titel verpackt Mahbubanis Meinung als Frage. Denn eigentlich steht für ihn völlig außer Frage, dass China gegen den Westen gewonnen hat.

Die Pandemie habe den Ansehensverlust der USA dramatisch beschleunigt, sagt Mahbubani am Telefon in Singapur. "Das Land, das einen Mann auf den Mond geschossen hat, kriegt die Pandemie nicht in den Griff." Amerika, dessen Wissenschaftler und Institutionen lange als die besten der Welt galten, mache im Vergleich zu China eine schlechte Figur.

China dürfte weiter aufsteigen

Corona werde die Rollen zwar nicht schlagartig neu verteilen, sagt Mahbubani. Aber die Pandemie führe dazu, dass Chinas schrittweiser Aufstieg weitergehe. "Das relative Gewicht hat sich bereits deutlich verschoben – und das wird so weitergehen."

Den USA wirft der Ex-Diplomat vor, keine Vision für eine multipolare Welt zu haben. Er glaubt, dass Washington enttäuscht sei, dass sich China trotz seines wirtschaftlichen Aufstiegs nicht zu einer Demokratie entwickelt habe. Und er glaubt, dass es in den USA eine rassistisch grundierte Abneigung gegen eine asiatische Supermacht gebe.

Aber den entscheidenden Grund für Chinas langfristigen Erfolg sieht Mahbubani hierin: Das Land sei eine Meritokratie. Wer etwas leiste, habe Aufstiegsmöglichkeiten. Die USA hingegen sieht er als Plutokratie, also als eine Gesellschaft, in der Vermögen die Voraussetzung für Teilhabe darstellt.

Mahbubanis Ansichten sind umstritten. Oft wird ihm vorgeworfen, dass er keine Moral kenne. Als ihn der "Spiegel" im Frühjahr fragte, ob er Pekings Unterdrückung der Muslime in Xinjiang für eine Politik halte, die einer Kulturnation würdig sei, antwortete er ausweichend: "Das weiß ich nicht." Wer ihm eine Weile zuhört, bekommt den Eindruck, dass er von Chinas Stärke gar nicht so sehr überzeugt ist, sondern vielmehr von Amerikas Schwäche.

Gewichtsverschiebung schon vor Corona

Auch Gabriel Felbermayr beobachtet, dass China – relativ betrachtet – immer mächtiger wird. Der Österreicher ist seit 2019 Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW). Seine Schlussfolgerung aber ist eine andere. Dass das Land deswegen zur neuen Hegemonialmacht aufsteigt, glaubt er nicht.

Wenn man ihn anruft, weist Felbermayr auf die Einheit des BIP in US-Dollar hin. Vor der Pandemie habe der chinesische Wert bei rund 63 Prozent des US-Niveaus gelegen. Nach Corona werde er wohl bei mehr als 70 Prozent liegen. Corona sei deswegen keine Wegscheide, sondern ein Katalysator. "Die geopolitischen Gewichte haben sich schon vor der Pandemie verschoben", sagt er: "Aber Corona hat diese Verschiebung beschleunigt."

China werde, so Felbermayr, immer schneller der wichtigste Handelspartner von immer mehr Ländern. Damit böten sich der Volksrepublik auch immer mehr Möglichkeiten, ihre Interessen durchzusetzen. Das Abkommen RCEP sieht er als Ausdruck dieses Bedeutungsgewinns. Aber dem Aufstieg Chinas seien Grenzen gesetzt. "Relativ gewinnt China schon seit Jahrzehnten an wirtschaftlicher Bedeutung. Das wird wahrscheinlich noch bis etwa 2040 so weitergehen."

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Aber den Flaschenhals für Pekings Aufstieg sieht Felbermayr in Chinas Demografie: Das Land werde vermutlich alt bevor es reich werde. "Und selbst auf dem Höhepunkt der Macht wird Chinas wirtschaftliche Bedeutung nicht die des Westens überschreiten." All denen, die eine chinesische Weltordnung ausrufen, erteilt der Österreicher damit eine Abfuhr.

Auch weist der Wirtschaftswissenschaftler noch auf einen anderen Punkt hin: China verfüge zwar über eine florierende Wirtschaft, aber über wenig politische und kulturelle Strahlkraft. Auch das sei ein limitierender Faktor. "China ist als wirtschaftliches Modell attraktiv", sagt er, "aber nicht als gesellschaftspolitischer Entwurf."

Verwendete Quellen
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