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Interpol-Chef Meng Hongwei: Was hinter der Verhaftung steckt


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Chinas verschwundener Spitzenbeamter
Was hinter der Verhaftung des Interpol-Chefs steckt

Von Finn Mayer-Kuckuk

Aktualisiert am 09.10.2018Lesedauer: 3 Min.
Meng Hongwei, Interpol-Chef: Nach der Festnahme des chinesischen Interpol-Chefs in China herrscht Rätselraten über die Vorwürfe gegen den Vizechefs des Sicherheitsministeriums.Vergrößern des Bildes
Meng Hongwei, Interpol-Chef: Nach der Festnahme des chinesischen Interpol-Chefs in China herrscht Rätselraten über die Vorwürfe gegen den Vizechef des Sicherheitsministeriums. (Quelle: Wong Maye-E/AP/dpa-bilder)
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Der chinesische Interpol-Chef soll Bestechungsgelder angenommen haben. Deshalb sitzt er jetzt in Haft. Doch hinter den Ermittlungen könnten politische Ränkespiele stecken.

Der Verbleib des Präsidenten der internationalen Polizeiorganisation Interpol ist vorerst geklärt. Das chinesische Ministerium für Öffentliche Sicherheit hat mitgeteilt, dass gegen Meng Hongwei Ermittlungen wegen Annahme von Bestechungsgeldern laufen. Meng war zwei Wochen lang verschollen, nachdem er von einer Reise in sein Heimatland China nicht zu seinem Arbeitsplatz in Lyon, Frankreich, zurückgekehrt war. Dort befindet sich der Sitz von Interpol.

Die Mitteilung vom Montag kam zwar von dem Ministerium, das den gesamten Polizeiapparat Chinas kontrolliert. Doch aus der Wortwahl geht hervor, dass Meng sich nicht in Gewahrsam der Polizei, sondern der internen Ermittler der Kommunistischen Partei Chinas befindet. Die KPCh hat ihre eigene Truppe von Aufsehern, die sogenannte Disziplinarkommission. In China steht diese Organisation über der regulären Justiz.

Minister Zhao Kezhi habe in den frühen Morgenstunden eine Sitzung geleitet und dabei festgestellt, dass alle Anschuldigungen gegen Meng gerechtfertigt seien. "Das Parteikomitee des Ministeriums stimmt in vollem Umfang zu, dass die Überwachung Mengs und die Ermittlungen gegen ihn gerechtfertigt sind", teilte das Ministerium online in seiner Stellungnahme mit. Das Dokument betont sodann in demütiger Weise seine Loyalität zu Machthaber Xi Jinping, dessen weise Führung es insgesamt sechsmal auf verschiedene Weise lobt. "Parteikader sollten einen sauberen Lebensstil pflegen, sich an Recht und Gesetz halten und ein gutes Beispiel für Ehrlichkeit und Gesetzestreue abgeben", wiederholen die Verfasser eine Phrase, die in Xis Reden immer wieder vorkommt.

Aus dem Dokument spricht die Machtlosigkeit der chinesischen Polizei gegenüber der Disziplinarkommission der Partei. Es sieht so aus, als sei Meng parteiinternen Intrigen zum Opfer gefallen. Es ist zugleich nicht auszuschließen, dass er tatsächlich hochgradig korrupt war. Fest steht: Statt Ermittlungsergebnisse abzuwarten, vorverurteilt ihn sogar sein eigener Arbeitgeber ohne Gerichtsverfahren. Meng ist Staatssekretär in dem Ministerium und für vier Jahre auf den Interpol-Posten entsandt.

Zhous-Verbündete verloren ihre Ämter

Meng gehörte zur Seilschaft von Zhou Yongkang, der einst Sicherheitschef und damit wohl der mächtigste Mann im Lande war. Zhou war jedoch auch ein Rivale des derzeitigen Präsidenten Xi Jinping und hat immer wieder versucht, dessen Aufstieg zu bremsen. Nach Xis Amtsantritt begann die Disziplinarkommission sofort Ermittlungen gegen den ehemaligen Geheimdienstchef. Zhou wurde 2015 zu lebenslanger Haft verurteilt. Fast alle, die loyal zu ihm gehalten hatten, verloren nach und nach ebenfalls ihre Ämter.

Meng Hongwei konnte sich jedoch als Vizechef des Sicherheitsministeriums halten, indem er sein Fähnchen rechtzeitig nach dem Wind gedreht hat. Er hatte sich zudem einen Namen als tatkräftiger Beamter gemacht, der Widerstand gegen den Staat sofort rücksichtslos unterdrücken lässt. Das ermöglichte 2016 auch seine Ernennung auf den Interpol-Posten. Dort hat er immer wieder versucht, international nach Kadern fahnden zu lassen, die China wegen Korruption suchte. Er hat also eigentlich genau das getan, was die Partei von ihm wollte.

Gegen 1,5 Millionen Parteikader wurde ermittelt

Doch Mengs Glück hielt nicht an. Nun klagt seine Frau gegenüber der Nachrichtenagentur AP, ihr Mann habe "sein Leben lang für die Herrschaft durch Gesetze gekämpft", und nun geschehe ihm so eine Ungerechtigkeit. Sie fordert ein faires Verfahren für Meng. Der Fall war Ende vergangener Woche ins Licht der Öffentlichkeit gerückt, als seine Frau sein Verschwinden angezeigt hat. Meng habe ihr noch ein Emoji mit einem Messer schicken können, dann habe sie nichts mehr von ihm gehört. Das Messer sollte wohl bedeuten, dass er sich in Gefahr befinde.

Nun geht das Rätselraten los, warum die KP einen der Ihren so plötzlich absägt, obwohl er als Interpol-Chef besondere Aufmerksamkeit genießt. Die Disziplinarkommission hat in den vergangenen fünf Jahren gegen 1,5 Millionen der 90 Millionen Parteimitglieder ermittelt, doch die westlichen Medien sind nur auf wenige Fälle aufmerksam geworden. Warum nun einen so heftigen Imageschaden für das chinesische System riskieren, statt bis zum Ende von Mengs Amtszeit 2020 zu warten – oder einen scheinbar einvernehmlichen Rücktritt aus gesichtswahrenden Gründen einzuleiten?

Experten vermuten, dass Meng entweder wirklich hochgradig korrupt war – oder dass es eine politische Verschiebung in der Partei gab, die ihn untragbar gemacht hat. "Der Vorgang zeigt der Welt überdeutlich, dass China seine Bürger ohne rechtsstaatliche Verfahren verhaftet und aburteilt", schreibt Yang Dali, Politologe an der University of Chicago. "Die Führung hat offensichtlich signifikante, drängende Gründe gesehen, diesen Schritt gerade jetzt zu tun."

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
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