Sanktionen wegen Krieg Erste Unternehmen bereiten Rückkehr nach Russland vor

Nach der Invasion in der Ukraine haben sich viele Firmen aus Russland zurückgezogen. Seit Trumps-Wende erwägen viele Firmen die Rückkehr – vereinzelt auch aus Deutschland.
Drei Jahre nach dem russischen Einmarsch in der Ukraine sind in einer Moskauer Fabrik des südkoreanischen Elektronikkonzerns LG die Maschinen zur Produktion von Waschmaschinen und Kühlschränken wieder angelaufen. Vorerst testweise. Es gehe darum, nach mehrjährigem Stillstand Rost vorzubeugen, da es nun Anzeichen auf ein mögliches Kriegsende gebe, sagte ein Sprecher des südkoreanischen Konzerns russischen Medien dazu.
Auch beim südkoreanischen Autobauer Hyundai gibt es Bewegung. Tochterfirmen des Konzerns schalteten beim größten russischen Online-Personalbeschaffer HeadHunter zuletzt mehrere Stellenanzeigen. Gesucht werden etwa Logistiker und IT-Spezialisten. Das deute auf die Wiederaufnahme der Tätigkeit Hyundais in Russland hin, schrieben Medien in Seoul. Der Konzern hatte Ende 2023 seine Autofabrik in Petersburg für den symbolischen Preis von 7000 Rubel (umgerechnet knapp 80 Euro) verkauft - sich allerdings eine Rückkaufoption gesichert.
Die könnte nach dem Schwenk von US-Präsident Donald Trump wichtig werden. So überdenken nicht nur asiatische Unternehmen die Lage neu. "In den letzten Wochen sind eine Reihe von Vorstandschefs nach Russland gereist", sagt ein Kenner der deutschen Wirtschaft. Offiziell möchte sich kaum jemand aus Wirtschaftskreisen äußern. Das Thema ist heikel angesichts der Sanktionen, die weiterhin gelten.
Deutsche Firmen lange führend im Russland-Geschäft
Lange Zeit waren die Deutschen führend in Russland. Der bilaterale Handel steigerte sich nach dem Fall des Eisernen Vorhangs schnell und erreichte dem Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft zufolge 2012 mit mehr als 80 Milliarden Euro seinen Höhepunkt. Die Russen lieferten Rohstoffe, vor allem Öl und Gas, die Deutschen Maschinen und Anlagen.
Vor dem Krieg investierten deutsche Unternehmen in Russland aber auch jahrelang im zweistelligen Milliardenbereich, selbst 2022 waren es noch mehr als 18 Milliarden Euro. Grund waren gute Geschäfte trotz der politischen Unsicherheit spätestens seit der Krim-Annexion 2014. Den hochprofitablen Markt gaben die deutschen Unternehmen daher nur ungern auf.
Auch auf politischen und gesellschaftlichen Druck hin ist die Zahl der deutschen Firmen in Russland seit Kriegsbeginn von 3.400 auf knapp 2.000 gesunken. Noch deutlicher ist der Umsatz gefallen, weil viele der Verbliebenen ihr Geschäft eingefroren haben.
Autozulieferer Bosch prüft die Lage
Die Deutschen waren beim Rückzug nicht allein. Die meisten großen westlichen Marken sind gegangen. Waren es auf deutscher Seite VW, Mercedes, Henkel, Adidas oder Siemens, so gingen auch McDonalds, Coca-Cola, Mars, Nike, Apple, IKEA, Toyota, Sony, Samsung oder die erwähnten Hyundai und LG.
Dem in Moskau zur Schau gestellten Optimismus zum Trotz wird der Traum vom "business as usual" vorerst unerfüllt bleiben, erwartet das unabhängige Portal "The Bell". Man habe gut 60 der von ihrem Umsatz her größten aus Russland weggegangenen Unternehmen zu ihren Plänen befragt. "Insgesamt haben wir 21 Antworten bekommen, in keiner davon ist von eindeutigen Plänen für eine Rückkehr nach Russland die Rede", teilte das Portal mit. So sähen Nokian Tyres, IKEA, Henkel, Nissan oder der Energiekonzern Wintershall DEA derzeit keine Perspektive. Nur drei Konzerne – Baker Hughes, Otis und Bosch – schauen sich die Lage an. Aber auch sie halten vorerst still. Doch machten zuletzt auch Berichte über eine Wiederaufnahme der deutsch-russischen Gaspipeline Nord Stream die Runde.
Lediglich bei Plänen, ihr Geschäft in Russland zu verkaufen, treten Unternehmen nach Trumps Amtsantritt auf die Bremse. Das ist nicht überraschend, da sie für ihre russischen Niederlassungen kaum etwas erhalten. Wer sich aus Russland zurückzieht, darf nach Regierungsverordnung nur zu maximal 60 Prozent des ohnehin niedrigen Schätzwertes verkaufen. Und darauf sind noch 35 Prozent Steuern und Abgaben fällig.
Putin Vertrauter Kadyrow sichert sich Zugriff
Es bleibe also kaum etwas übrig – und als Käufer träten dann Vertraute von Putin auf, sagt ein Branchenkenner. Tatsächlich hat sich etwa der Clan von Tschetschenenchef Ramsan Kadyrow die russischen Danone-Töchter gesichert. Daher warten die Firmenchefs nun lieber ab.
Neue Betriebe aufbauen will aber niemand. "Kein ausländischer Investor würde ohne staatliche Garantien aus dem Heimatland hierherkommen", stellte Ulf Schneider, Präsident der weiterhin auch in Russland tätigen Consultingagentur Scheider Group, klar. Eine solche Garantie aus Berlin ist derzeit illusorisch. Die Linie der Politik ist klar. Erst muss sich Putin in der Frage eines möglichen Waffenstillstands mit der Ukraine bewegen.
Doch der zeigt sich unnachgiebig. So gehe es bei der Neubewertung des russischen Marktes auch nicht darum, frische Gelder aus Deutschland zu transferieren, heißt es aus Kreisen der deutschen Wirtschaft. Vielmehr sollten bereits in Russland festliegende Gelder wieder angelegt werden. Dies allerdings ist eine Menge. Die deutschen Vermögenswerte in Russland wachsen trotz oder gerade wegen des laufenden Kriegs schnell. Derzeit seien es bereits mehr als 100 Milliarden Euro, schätzt die Deutsch-Russische Auslandshandelskammer. Das liegt daran, dass Kapital nicht aus Russland herausgebracht werden kann. Die Gewinne bleiben also in Russland, da Moskau die Ausfuhr von Dividenden unterbindet.
Dass die Lage mit den Rückkehrwilligen nicht ganz so rosig ist wie von russischen Offiziellen dargestellt, musste inzwischen sogar das Finanzministerium in Moskau einräumen. Bisher gebe es keine Anfragen ausländischer Unternehmen zu einer möglichen Wiederkehr, sagte Vizeminister Iwan Tschebeskow.
- Nachrichtenagentur dpa