Unglaublicher Vorwurf Trump nennt Selenskyj "Diktator ohne Wahlen" – Kiew reagiert
US-Präsident Trump geht massiv auf Konfrontation zur Ukraine. Die ukrainische Führung beschwört den Kampfgeist seines Volkes.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat nach den Verbalattacken von US-Präsident Donald Trump die Bedeutung eines guten Verhältnisses mit Washington betont. Am Donnerstag sei ein Treffen mit dem US-Sondergesandten Keith Kellogg geplant, sagte Selenskyj in seiner abendlichen Videoansprache. "Für uns ist sehr wichtig, dass dieses Treffen und die Arbeit mit Amerika insgesamt konstruktiv ist", stellte er klar. Nur so könne ein stabiler Frieden für die Ukraine gewährleistet werden.
Es handle sich um einen Krieg, "den wir in der Ukraine seit der ersten Sekunde beenden wollen", betonte Selenskyj. Mit dieser Äußerung widersprach er, ohne Trump zu nennen, den Anschuldigungen des US-Präsidenten, dass die ukrainische Führung den Krieg begonnen habe.
Der ukrainische Außenminister Andrij Sybiha hatte zuvor erklärt, niemand könne sein Land zum Aufgeben zwingen. "Wir werden unser Recht auf Existenz verteidigen", schrieb Sybiha auf X. "Die Ukraine hat den schlimmsten militärischen Angriff in der jüngeren europäischen Geschichte und drei Jahre totalen Krieg überstanden. Das ukrainische Volk und sein Präsident haben sich geweigert, sich Putins Druck zu beugen."
Trump hatte den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj als "Diktator ohne Wahlen" bezeichnet und ihn aufgefordert, sich besser zu beeilen, um einen Frieden zu sichern, sonst werde er kein Land mehr haben. Auch hatte er die Ukraine für die russische Invasion im Jahr 2022 verantwortlich gemacht und gesagt, die Ukraine hätte den Konflikt mit Russland "niemals beginnen dürfen" und schon längst verhandeln sollen. Am Mittwoch erneuerte Trump seine Kritik am ukrainischen Präsidenten. Selenskyj hätte bei den Gesprächen mit Russland dabei sein können, wenn er gewollt hätte, sagte Trump auf einer Konferenz in Florida. Selenskyj mache "einen schrecklichen Job". Hier lesen Sie mehr.
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Der ukrainische Präsident stellte in seinem Video auch heraus, dass er weiterhin gute Beziehungen zu ausländischen Staatsführern habe. So berichtete er von einem Telefonat mit Nato-Generalsekretär Mark Rutte, Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron und dem US-Senator Lindsay Graham. Graham ist Parteigänger Trumps. Er bedanke sich für die weiterhin vorhandene Unterstützung der Ukraine durch beide Parteien im US-Parlament.
"Leider lebt Trump in diesem Bereich der Desinformation"
Selenskyj hatte sich zuvor schon zu Vorwürfen Trumps vom Vorabend geäußert. Da hatte Trump fälschlicherweise behauptet, Selenskyj habe nur noch eine "Zustimmungsrate von vier Prozent" in der Ukraine. "Leider lebt Präsident Trump in diesem Bereich der Desinformation", so Selenskyj. "Wir haben diese Falschinformation gesehen, wir nehmen an, dass sie aus Russland kommt." Eine jüngste Erhebung des Kyiv International Institute of Sociology (KIIS) ergab, dass 57 Prozent der Befragten in der Ukraine Selenskyj vertrauen.
Zudem warf Selenskyj der Trump-Regierung vor, den Kremlchef Putin aus der Isolation befreit zu haben. "Ich glaube, die USA haben Putin geholfen, aus einer jahrelangen Isolation auszubrechen", sagte Selenskyj mit Blick auf die Gespräche zwischen den USA und Russland in Saudi-Arabien. "All das hat keine positiven Auswirkungen auf die Ukraine."
Deutsche Politiker reagieren entsetzt auf Trump
Auch in der deutschen Politik stießen Trumps Äußerungen auf scharfen Widerspruch. "Das ist im Grunde genommen eine klassische Täter-Opfer-Umkehr", sagte Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz zu Trumps Vorwurf, die Ukraine habe den Krieg gegen Russland begonnen. "Und ich bin ehrlich gesagt einigermaßen schockiert darüber, dass Donald Trump das jetzt offensichtlich sich selbst zu eigen gemacht hat", sagte Merz im "ARD Interview der Woche".
Auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wies Trumps Äußerung zurück, Selenskyj sei ein Diktator. "Es ist schlicht falsch und gefährlich, Präsident Selenskyj die demokratische Legitimation abzusprechen", sagte Scholz dem "Spiegel". Selenskyj sei das gewählte Staatsoberhaupt der Ukraine. "Dass mitten im Krieg keine ordentlichen Wahlen abgehalten werden können, entspricht den Vorgaben der ukrainischen Verfassung und den Wahlgesetzen." Niemand sollte etwas anderes behaupten.
Britischer Premier unterstützt Selenskyj
Unterstützung erhielt Selenskyj auch aus Großbritannien. Premierminister Keir Starmer habe in einem Telefonat mit Selenskyj seine Unterstützung für den ukrainischen Präsidenten als demokratisch gewähltes Staatsoberhaupt zum Ausdruck gebracht, teilte eine Regierungssprecherin aus der Downing Street mit. Er habe auch klargemacht, dass es absolut vertretbar sei, Wahlen in Kriegszeiten auszusetzen, wie es auch Großbritannien im Zweiten Weltkrieg getan habe.
Die britische Regierung betonte, man unterstütze die von den USA angeführten Bemühungen, einen anhaltenden Frieden in der Ukraine zu erreichen, der Russland von jeder weiteren künftigen Aggression abschrecke. Die Ukraine verteidigt sich seit drei Jahren gegen einen Angriff Russlands.
Macron: Verbündete der Ukraine bekräftigen Unterstützung
Bei den zweiten Beratungen binnen weniger Tage zur Lage in der Ukraine auf Einladung von Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron erklärten die Verbündeten des Landes nach Macrons Angaben ihre Einigkeit in ihrer Unterstützung. "Wir stehen an der Seite der Ukraine und werden all unsere Verantwortung wahrnehmen, um Frieden und Sicherheit in Europa zu gewährleisten", erklärte Macron am Mittwoch nach dem Treffen, an dem laut Élysée-Palast 19 Staaten teilnahmen.
Die Teilnehmer des Treffens, darunter Staats- und Regierungschefs Kanadas und mehrerer EU-Staaten, hätten laut Macron unterstrichen, dass die Ukraine in Gespräche über die Beendigung des Kriegs einbezogen und "ihre Rechte respektiert" werden müssten. "Robuste und glaubwürdige Garantien" seien erforderlich, um eine dauerhafte Einigung zu gewährleisten, zudem müssten "europäische Sicherheitsbedenken" berücksichtigt werden, fügte der französische Präsident an.
- Nachrichtenagenturen dpa und Reuters
- x.com: Post von Andrij Sybiha vom 19. Februar