Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.
Zum journalistischen Leitbild von t-online.Streit mit langjährigen Partnern Trump bricht alle Brücken hinter sich ab

Trump greift in der Außenpolitik hart durch. Das trifft insbesondere langjährige Partner Washingtons. Der neue US-Präsident riskiert, einige von ihnen an China zu verlieren.
Breitbeinig stellte sich Donald Trump im Weißen Haus vor die versammelten Medienvertreter und Republikaner. "Sie haben vielleicht vor zwei Tagen von Kolumbien gelesen", sagte der US-Präsident am Mittwoch. "Sie [die kolumbianische Regierung, Anm. d. Red.] haben gesagt: 'Nein, wir werden sie nicht annehmen.' Aber wir haben gesagt: 'Doch, ihr werdet sie annehmen und es wird euch gefallen.'" Beifall und Gelächter brandeten auf, als Trump seine Version des jüngsten Streits mit Kolumbien erzählte.
Kolumbiens Präsident Gustavo Petro hatte am vergangenen Sonntag zunächst zwei US-Militärflugzeuge mit kolumbianischen Migranten an Bord zurückgewiesen. Trump drohte daraufhin umgehende Einfuhrzölle in Höhe von bis zu 50 Prozent auf kolumbianische Produkte an. Petro kündigte zunächst als Gegenmaßnahme Zölle auf Einfuhren aus den USA an. Schließlich lenkte die kolumbianische Regierung aber ein und gab den Widerstand gegen die Abschiebeflüge mit Militärmaschinen auf. Mehr dazu lesen Sie hier.
Trump wurde daraufhin in einigen internationalen Medien und von Parteifreunden für seine harte Hand gefeiert. Tatsächlich aber stellte der US-Präsident einen Konflikt mit Kolumbien dar, der in dieser Form gar nicht existiert. Sein Vorgehen gegen den seit Jahren engsten Partner der USA in der Region deckt sich mit seinen Drohungen gegen Panama oder Mexiko.
Wir benötigen Ihre Einwilligung, um den von unserer Redaktion eingebundenen X-Inhalt anzuzeigen. Sie können diesen (und damit auch alle weiteren X-Inhalte auf t-online.de) mit einem Klick anzeigen lassen und auch wieder deaktivieren.
Trump aber läuft mit seiner harten Linie Gefahr, diese und weitere Partner auf lange Sicht zu verlieren. Der lachende Dritte dabei ist Chinas Staatschef Xi Jinping. Denn Peking steht schon lange in den Startlöchern, um ein von den USA hinterlassenes Machtvakuum in Lateinamerika zu füllen.
Kolumbien akzeptierte Hunderte Abschiebeflüge
Kolumbiens Präsident hatte am vergangenen Wochenende insbesondere den Einsatz von Militärflugzeugen für die Abschiebungen kritisiert. Er erklärte, die abgeschobenen Kolumbianer müssten "würdig" und nicht "wie Kriminelle" behandelt werden.
Hintergrund ist die scharfe Kritik Brasiliens am Umgang der USA mit Abgeschobenen: Die dortige Regierung ließ vergangene Woche einen US-Abschiebeflug auf dem Weg nach Belo Horizonte in der Amazonas-Stadt Manaus zwischenlanden. Die Brasilianer an Bord waren mit Handschellen gefesselt, die Klimaanlage des Flugzeugs ausgefallen.
Die brasilianische Bundespolizei holte die Abgeschobenen in Manaus aus dem Flugzeug, entfernte ihre Handschellen und brachte sie dann zu einer brasilianischen Militärmaschine, die die Menschen weiter nach Belo Horizonte flog. Kolumbien wollte ein ähnliches Szenario vermeiden.
Dabei sperrt sich Kolumbien nicht generell gegen Abschiebeflüge aus den USA. Zwischen 2020 und 2024 – während der Amtszeit von Joe Biden – akzeptierte das Land 475 solcher Abschiebeflüge, allein 124 davon im vergangenen Jahr. Nur Guatemala, Honduras, Mexiko und El Salvador nahmen in diesem Zeitraum mehr Abschiebeflüge an. Zudem erklärte sich Kolumbien 2024 sogar dazu bereit, US-finanzierte Abschiebeflüge aus dem Nachbarland Panama zu akzeptieren. All das war Ergebnis der bilateralen Bemühungen Bidens.
Trump: "Mörder, Drogenbarone, Vergewaltiger und knallharte Typen"
In Trumps Welt aber scheinen diese Fakten nicht zu existieren. Am Mittwoch erklärte er erneut, dass die in Handschellen abgeschobenen Kolumbianer "Mörder, Drogenbarone, Vergewaltiger und knallharte Typen" gewesen seien.
Bogotá weist das zurück. Außenminister Luis Gilberto Murillo sagte am Dienstag, bei den 201 abgeschobenen Kolumbianern seien keine Strafverfahren anhängig – weder in den USA noch in ihrem Heimatland.
Embed
"Sie sind keine Kriminellen. Diese Information wurde von den zuständigen Behörden geprüft und bestätigt", so Murillo. Kolumbianische Grenzbeamte erklärten zudem, dass unter den Abgeschobenen 21 Kinder und 77 Frauen – zwei davon schwanger – gewesen seien.
- Kampf der USA gegen die Drogen: Trump erklärt den Kartellen den Krieg
Einige der Kolumbianer berichteten nach ihrer Rückkehr vom menschenunwürdigen Umgang der US-Behörden mit ihnen. Zwei Männer erzählten CNN, US-Grenzschützer seien auch gegenüber Kindern und Familien grob vorgegangen, niemand habe sie zudem darüber informiert, was eigentlich vor sich ging. Erst als sie in Kolumbien waren, hätten sie vom Streit über die Abschiebeflüge erfahren.
Kolumbien ist der wichtigste Partner der USA in der Region
Die Beziehungen zwischen Kolumbien und den USA haben nach diesen Vorfällen tiefe Risse bekommen. Dabei gehen sie bis ins 19. Jahrhundert zurück: Kolumbien war die erste ehemalige spanische Kolonie, die 1821 von den Vereinigten Staaten nach ihrer Unabhängigkeit anerkannt wurde. Die Zeit danach prägten Interventionen des US-Militärs sowie die Aktivitäten der United Fruit Company. 1903 unterstützte Washington etwa eine Rebellion in Panama, die letztlich zur Abspaltung der Region von Kolumbien führte und den USA den Bau sowie den Betrieb des Panamakanals ermöglichte.
Seit den 1960er-Jahren aber näherten sich beide Länder einander zunehmend an: Die Vereinigten Staaten unterstützten damals kolumbianische Regierungen im Kampf gegen linke Guerillas. Ab den 1980er-Jahren wurde Kolumbien als führender Kokainproduzent zudem zum Frontstaat des US-amerikanischen "Kriegs gegen die Drogen". Die USA pumpten Milliarden an Militärhilfen in das Land, unterstützten dabei aber paradoxerweise auch rechtsgerichtete Paramilitärs, die selbst in das Kokaingeschäft verwickelt waren.
Kolumbiens Regierung revanchierte sich mit weitreichendem Zugang für das US-Militär zu Militärbasen im ganzen Land. Für die USA ist das besonders wertvoll, denn Kolumbien ist für sie das Tor zum südamerikanischen Kontinent. Kurzum: Die enge Partnerschaft ist die Voraussetzung für den umfassenden US-Einfluss in der Region.
Kolumbien exportiert knapp ein Drittel seiner Handelsgüter in die USA: primär Öl, Kohle, Kaffee und Blumen. Das Handelsvolumen beider Länder betrug 2023 rund 33,8 Milliarden US-Dollar. Die von Trump angedrohten Zölle von bis zu 50 Prozent hätten Kolumbien also hart getroffen. Obwohl Trump diese Drohung zunächst nicht wahr machte, könnte sich Kolumbien jetzt verstärkt einem anderen Partner zuwenden: China.
Übernimmt China jetzt endgültig in Lateinamerika?
Denn die Volksrepublik hat schon lange ein Auge auf Lateinamerika geworfen. Im Rahmen von Pekings globalem Infrastrukturprojekt Neue Seidenstraße bauen chinesische Firmen auf dem ganzen Kontinent Häfen, Straßen, Eisenbahnlinien und Stromnetze. Das stärkt die Beziehungen zu den lateinamerikanischen Staaten, erhöht deren Abhängigkeit von Peking und schwächt letztlich den Einfluss der USA in der Region, die sie als eigenen Hinterhof betrachten.
Erst im vergangenen November reiste Staatschef Xi Jinping eigens nach Peru, um das in der Stadt Chancay neu errichtete, rund 3,5 Milliarden teure Schifffahrtsterminal zu eröffnen. 40 Prozent des Tiefwasserhafens gehören dem peruanischen Bergbauunternehmen Volcan, 60 Prozent der chinesischen Reederei Cosco, die zudem Betreiber ist.
Auch Güter aus Brasilien, Chile, Ecuador und Kolumbien werden dort verfrachtet. China interessiert sich besonders für brasilianische Sojabohnen und chilenisches Kupfer.
Brasilien ist bereits seit Jahren ein wichtiger Partner für China. Beide Länder arbeiten durch das BRICS-Bündnis eng zusammen, das sie gemeinsam mit Russland, Indien und Südafrika gegründet haben. Mehr dazu lesen Sie hier. Brasilien ist mit Abstand die größte Volkswirtschaft in Lateinamerika und hat auch international politisches Gewicht, das es besonders unter dem aktuellen linksgerichteten Präsidenten Lula aufseiten Pekings einsetzt.
Auch in Kolumbien will China expandieren. Mit dem ebenfalls linksgerichteten Präsidenten Petro hat es erstmals einen Partner, der sich dafür offen zeigt. Bereits seit Jahren bearbeitet Peking Kolumbien, um den Pazifikhafen in Buenaventura ausbauen zu dürfen. Außerdem errichtet ein staatliches chinesisches Unternehmen die erste Metro-Linie in der Hauptstadt Bogotá.
Und nicht zuletzt planen Kolumbien und China eine Eisenbahnlinie zwischen der kolumbianischen Pazifik- und Karibikküste als Alternative zum Panamakanal. Wegen der kolumbianischen Furcht, die Beziehungen zu den USA zu beschädigen, schleppten sich die Verhandlungen bislang dahin. Das könnte sich aber bald ändern. Seit Petro 2022 an die Macht kam, sollen die Gespräche Berichten zufolge schneller voranschreiten als zuvor. 2023 besuchte er zuletzt Peking. Trumps Ton gegenüber Lateinamerika könnte letzte Zweifel an dem Projekt in Kolumbien ausräumen.
Embed
Mexikos Präsidentin will einen Plan gegen Trump haben
Dafür ist nicht nur die harte Hand des US-Präsidenten in der Migrationspolitik verantwortlich. Sondern auch der von ihm formulierte Anspruch auf den Panamakanal sowie die Androhung eines Handelskriegs mit Mexiko belasten die Beziehungen zu Lateinamerika massiv. Trump hatte nach seiner Amtseinführung mit der Einführung von Zöllen von 25 Prozent gegen Kanada und Mexiko gedroht – "weil sie eine große Zahl von Menschen einreisen lassen", sagte er. Er möchte damit auch erreichen, dass Mexiko härter gegen Drogenkartelle vorgeht.
Mexikos Präsidentin Claudia Sheinbaum appellierte zuletzt noch an ihre lateinamerikanischen Amtskollegen, im Umgang mit Trump einen "kühlen Kopf" zu bewahren. Sie behauptete, den Drohungen Trumps über hohe Zölle keinen Glauben zu schenken – im Notfall aber einen "Plan" zu haben. Sie wird sich dafür den Streit zwischen Kolumbiens Präsidenten Petro und Trump genau mitverfolgt und eigene Lehren daraus gezogen haben. Ihr Hebel gegen Donald Trump ist zudem deutlich länger als der Petros – nicht zuletzt wegen der unmittelbaren Nachbarschaft.
Immerhin ist Mexiko der wichtigste Handelspartner der USA mit einem Anteil von rund 16 Prozent am Gesamtvolumen. Jährlich tauschen die Länder Güter im Wert von 800 Milliarden Dollar aus. Tausende Unternehmen und Millionen Jobs sind in beiden Ländern vom Handel abhängig.
Die Zölle sollen laut Trump ab dem 1. Februar gelten. Dann kommt es ganz auf Sheinbaums angekündigten Plan an: Geht er nicht auf, könnte auch Mexiko den "kühlen Kopf" verlieren – oder aber sie hat ein Mittel gegen den Druck aus dem Norden gefunden.
US-Außenminister Rubio setzt einen Akzent
Die USA bleiben derweil nicht untätig. Auch in Washington ist man sich bewusst, dass China in Lateinamerika mehr Einfluss möchte. US-Außenminister Marco Rubio setzt an diesem Wochenende sogleich einen Akzent: Seine erste Auslandsreise führt ihn nach Panama, El Salvador, Guatemala, Costa Rica und in die Dominikanische Republik. Es ist das erste Mal seit mehr als einem Jahrhundert, dass ein US-Außenminister seine erste Reise im Amt nach Lateinamerika unternimmt.
Rubio wird wohl versuchen, die Staaten zur Zusammenarbeit in der Migrationspolitik zu bewegen. Gleichzeitig wird er den Druck seines Präsidenten auf Panama unterstreichen. Trump begründet seine angeblichen Ansprüche auf den dortigen Kanal damit, dass China de facto dort die Kontrolle übernommen habe. Auch Peking wird in diesen Tagen die Region nicht aus den Augen verlieren.
- Eigene Recherche
- politico.com: "Trump got what he wanted with Colombia. But his tactics could come back to bite him." (englisch)
- edition.cnn.com: "Inside the ordeal of deported migrants as US and Colombia squared off" (englisch)
- infobae.com: "Donald Trump envió contundente mensaje a Petro por rebelarse contra su política migratoria" (spanisch)
- independentespanol.com: "Entre los 200 colombianos deportados, había mujeres embarazadas y niños, pero ningún criminal" (spanisch)
- theatlantic.com: "Trump’s Colombia Spat Is a Gift to China" (englisch)
- edition.cnn.com: "Latin American leaders are learning how to handle Trump. Colombia’s president showed how not to do it" (englisch)
- apnews.com: "Trump’s tariff threat worked on Colombia, but his plans for Canada and Mexico carry higher stakes" (englisch)
- nytimes.com: "Inside a Chaotic U.S. Deportation Flight to Brazil" (englisch)
- bbc.com: "Megaport opens up Latin America to Chinese trade as US looks on" (englisch)
- csis.org: "Colombia’s Relationship with the PRC" (englisch)
- Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa und Reuters