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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Kolumbien knickt ein Trumps abschreckendes Beispiel
Wie weit geht Donald Trump, um Stärke zu demonstrieren? Die jüngste Eskalation mit Kolumbien zeigt: Abschiebeflüge werden zur Bühne für Machtspiele – mit weitreichenden Folgen für die internationale Diplomatie.
Bastian Brauns berichtet aus Washington
Das Triumphgeheul von Trumps Anhängern war vergangene Nacht nicht zu überhören. Nachdem das Weiße Haus in einer Mitteilung bekannt gegeben hatte, dass die kolumbianische Regierung nun doch Abschiebeflüge mit eigenen Landsleuten aus den USA akzeptieren würde, war die Erklärung für deren Einlenken schnell gefunden: Donald Trump hat Präsident Gustavo Petro mit seiner Demonstration von Stärke förmlich niedergerungen. So zumindest die Lesart aus dem Trump-Lager.
In der offiziellen Erklärung des Weißen Hauses las sich dazu: "Die heutigen Ereignisse machen der Welt klar, dass Amerika wieder respektiert wird." Präsident Trump werde die Souveränität der USA nun weiterhin mit aller Kraft verteidigen und erwarte von allen anderen Nationen der Welt, "dass sie uneingeschränkt kooperieren und die Abschiebung ihrer illegal in den Vereinigten Staaten anwesenden Bürger akzeptieren."
Die Botschaft der US-Regierung an die Länder Mittel- und Südamerikas, aber auch an den Rest der Welt ist eindeutig: Entweder ihr akzeptiert unsere Bedingungen oder wir versuchen, euch wirtschaftlich zu zerstören. Am Beispiel Kolumbiens wird nur wenige Tage nach Trumps Amtsantritt deutlich, was in den kommenden Wochen, Monaten und Jahren aus Washington zu erwarten ist: Neben radikalen, politischen Maßnahmen ist es insbesondere eine laute, erbarmungslose und nationalistische Rhetorik und Symbolik. Die Länder der Welt stehen vor der Frage, inwieweit sie bereit sind, den USA dieses Verhalten zuzugestehen.
Trump wählt einen ganz anderen Ton als Biden
Wenige Stunden zuvor nämlich standen die USA und das südamerikanische Land noch vor einem nie dagewesenen Handelskrieg. Weil Kolumbiens Präsident Petro zwei amerikanische Militärmaschinen nicht in der Hauptstadt Bogotá landen lassen wollte, drohte Trump umgehend mit Strafzöllen von bis zu 50 Prozent, mit harten Visa- und Einreisebeschränkungen und sogar mit Wirtschaftssanktionen. Die Folgen wären nicht nur für Kolumbien brutal gewesen. Die Preise, etwa für importierten Kaffee, für Blumen, auch für Rohöl wären in den USA über Nacht in die Höhe geschnellt.
Was aber war geschehen? Nach Angaben des neuen US-Außenministeriums hatte die kolumbianische Regierung die Abschiebeflüge mit ihren Landsleuten zunächst akzeptiert. Kurz bevor die Militärmaschinen Bogotá erreichten, muss Präsident Petro also die Landeerlaubnis zurückgezogen haben. Das klingt nach einem ungewöhnlichen Schritt. Denn während der vergangenen vier Jahre hatte Kolumbien regelmäßig Rückführungsflüge aus den USA akzeptiert.
Es sollen zwei Flüge pro Woche gewesen sein. Und laut der Organisation "Witness at the Border" ("Zeugen an der Grenze"), die Flugbewegungen der amerikanischen ICE-Behörde (Immigration and Customs Enforcement) aufzeichnet, soll Kolumbien zwischen 2020 und 2024 insgesamt 475 Abschiebeflügen aus den USA zugestimmt haben. Offenkundig geschah dies aber ohne öffentliche Drohungen mit einem Handelskrieg.
Im Gegenteil: Im Jahr 2022 waren beim "Summit of the Americas" die USA und die lateinamerikanischen Staaten übereingekommen , dass man die Ursachen für die Fluchtbewegungen fortan gemeinsam und nachhaltig bekämpfen werde – unter den Unterzeichnern der Erklärung waren 22 Staaten, darunter auch Kolumbien. Die USA erklärten sich unter Joe Biden sogar dazu bereit, für Abschiebeflüge von Panama nach Kolumbien zu bezahlen, um Migranten frühzeitig an einem Weiterziehen nach Norden zu hindern.
Viel spricht dafür, dass die jetzige Eskalation und die nachfolgende Einigung mit Kolumbien vor allem atmosphärische Gründe hat. Den jetzigen Abschiebeflügen war nicht nur Donald Trumps Rhetorik vorausgegangen. Der US-Präsident hatte schon im Wahlkampf immer wieder behauptet, Regierungen wie die Kolumbiens würden gezielt Strafgefangene und psychisch Kranke in die USA schicken. Eine Erfindung von Trump, die er auch als gewählter Präsident ständig wiederholte.
Drastische Inszenierungen für das Heimatpublikum
Hinzu kam jetzt noch die Art und Weise, wie die Trump-Regierung ihre Abschiebungen inszenierte. Während die Biden-Regierung sich offenbar darum bemühte, diese Flüge möglichst geräuschlos zu organisieren, wählte man jetzt in Washington eine drastische Gangart und Bildsprache. Trumps Team entschied sich dazu, abzuschiebende Menschen in Handschellen, Fußfesseln und Metallketten in US-Militärmaschinen zu verfrachten. Die Aktion wurde dazu öffentlichkeitswirksam gefilmt und verbreitet. Trumps Pressesprecherin Karolin Leawitt teilte dazu auch heute die Titelseite der "New York Post", auf der diese Szene zu sehen ist.
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Diese Form der Abschiebepraxis scheint den kolumbianischen Präsidenten Petro derart empört zu haben, dass er die zunächst akzeptierten Flüge ablehnte. Bis dahin war man in Bogotá wohl davon ausgegangen, dass die Flüge wie noch unter der Biden-Regierung durchgeführt würden. Gustavo Petro begründete seine Blockade daher in einer wütenden Erklärung auch damit, dass er ein Mindestmaß an "Würde" für die eigenen Staatsbürger erwarte, die nicht wie Kriminelle behandelt werden dürften. Hinzu kam noch, dass das Weiße Haus den Namen seines Landes in einer Presserklärung falsch geschrieben hatte – eine vermeintliche Kleinigkeit mit großem Konfliktpotenzial.
Dass es Petro vor allem um die Art und Weise geht, darauf deutet nach der jetzt erzielten Einigung zwischen den beiden Regierungen auch hin: Der kolumbianische Präsident will seine Präsidentenmaschine zur Verfügung stellen, um die zuletzt abgelehnten Landsleute nun nicht in Handschellen im Frachtraum, sondern mit einem ordentlichen Sitzplatz nach Bogotá auszufliegen. In einer eigenen Erklärung teilte das kolumbianische Außenministerium außerdem mit, dass man gedenke, "auch weiterhin" Flüge aus den USA zu akzeptieren.
Aufstand vorerst abgeblasen
Insofern gibt es genaugenommen keine wirklichen Neuigkeiten. Die Abschiebeflüge gehen weiter. Kolumbiens Außenminister und andere hochrangige Regierungsmitglieder werden aber in diesen Tagen in Washington erwartet. Es gibt offenkundig viel zu klären mit der neuen Trump-Regierung. Die künftigen Modalitäten sollen in direkten Gesprächen ausgetauscht werden. Vielleicht ist das Weiße Haus im Anschluss dann bereit, künftig auf Handschellen-Symbolik zu verzichten.
Der Aufstand von Kolumbiens Präsident Petro hat vorerst trotzdem ein jähes Ende gefunden. Zu groß war offenbar die Sorge, eine Eskalation teuer bezahlen zu müssen. Und damit hat Donald Trump seine vorrangigen Ziele erreicht: Stärke zu zeigen und sich als Sieger nach einer inszenierten Provokation von den eigenen Leuten feiern zu lassen. Es geht ihm aber auch um Abschreckung.
Wie weit kann Trump damit gehen?
Deutlich wird in diesem kurzen, aber heftigen Streit, dass die neue US-Regierung bereit ist, massiven finanziellen und wirtschaftlichen Druck aufzubauen, sobald sie den Eindruck hat, dass ein Land sich quer stellt. So wie in Deutschland die FDP nun fordert, Ländern die Entwicklungshilfe zu kürzen oder zu entziehen, wenn sie ihre Landsleute nicht zurücknehmen, droht Trump nur gleich mit dem ganz großen Besteck. Auch bei Ländern, die eigentlich kooperiert hatten. In Washington schießt man also mit Kanonen auf Spatzen.
Bei anderen Ländern wie China, Kanada oder Mexiko dürfte das Trump weniger gut gelingen. Verglichen mit diesen ist das Handelsvolumen mit Kolumbien äußerst gering. Und doch hätte Trump auch hier in einem beginnenden Handelskrieg den Amerikanern erklären müssen, warum die Preise plötzlich ansteigen. Dabei war eines der zentralen Versprechen des US-Präsidenten, die Kosten für die Verbraucher massiv zu senken. Das Drohpotenzial von Trump ist darum endlich. Sobald der US-Präsident seine Strafzölle in die Tat umsetzen muss, weil ein Land nicht klein beigibt, wird es auch für ihn problematisch.
- X-Profil von Gustavo Petro (spanisch)
- witnessattheborder.org: ICE-Flüge von 2020-2024 (englisch)
- Presseerklärungen des Weißen Hauses (englisch)
- Presseerklärung des US State Department (englisch)
- Presseerklärung des kolumbianischen Außenministeriums (spanisch)
- Los Angeles Declaration on Migration and Protection (englisch)
- carnegieendowment.org: "The Los Angeles Declaration Continues to Shape the Regional and Global Migration Response" (englisch)