Haftbefehl gegen Netanjahu und Galant Die Vorwürfe gegen sie wiegen schwer
Gegen Benjamin Netanjahu, Joav Galant und den wahrscheinlich toten Hamas-Chef Mohammad Deif gibt es internationale Haftbefehle. Die Vorwürfe sind vielfältig.
Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, unter anderem das Aushungern von Zivilisten: Die Vorwürfe, die der Internationale Strafgerichtshof (ICC) Benjamin Netanjahu und Israels Ex-Verteidigungsminister Joav Galant macht, wiegen schwer. Das Gericht hat nun einen internationalen Haftbefehl gegen die beiden Israelis sowie den als tot geltenden Hamas-Anführer Mohammad Deif erlassen. Sie folgen damit einem Antrag des Chefanklägers Karim Khan aus dem Mai.
Was wird Netanjahu, Galant und Deif genau vorgeworfen?
Das Gericht sagt, dass Galant und Netanjahu verantwortlich für Verbrechen gegen die Menschlichkeit sind, die "Teil eines systematischen Angriffes auf Zivilisten in Gaza" darstellen. Sie hätten absichtlich und wissentlich der Zivilbevölkerung in Gaza Dinge vorenthalten, "die für deren Überleben notwendig" wären. Dazu gehören Nahrungsmittel, Wasser, Medizin, Treibstoff und Strom.
Dazu hätte es keine militärische Notwendigkeit gegeben. Auch Hilfslieferungen nach Gaza hätten Netanjahu und Galant blockiert. Viele Hilfsangebote hätte Israel nur nach internationalem Druck zugelassen. Es bestünde Grund zur Annahme, dass Netanjahu und Galant damit Umstände herbeigeführt hätten, die "kalkuliert sind, die Zivilbevölkerung Gazas in Teilen zu zerstören". Auch Kinder seien dadurch verhungert und verdurstet. Nicht alle Voraussetzungen für eine Anklage wegen Vernichtung seien gegeben, wohl aber für eine Anklage wegen "des Kriegsverbrechens Mord".
Hamas-Anführer Mohammad Deif werden ebenfalls eine Vielzahl von Verbrechen vorgeworfen – unter anderem Mord, Vernichtung, Folter, Vergewaltigung und Geiselnahme. Einige dieser Vorwürfe beziehen sich auf die Attacken des 7. Oktober 2023, andere auf den Krieg zwischen Israel und der Hamas seitdem. Deif soll bei einem israelischen Angriff im Juli ums Leben gekommen sein. Der Antrag auf Haftbefehl wurde allerdings bereits zuvor gestellt.
Kann Netanjahu nun keine Staatsbesuche mehr antreten?
Das Gericht mit Sitz in Den Haag hat selbst keine Möglichkeiten, die Haftbefehle auch zu vollstrecken. Aber seine 124 Mitgliedsstaaten – darunter Deutschland – sind dazu verpflichtet, die Gesuchten festzunehmen, sobald sie sich in ihrem Hoheitsgebiet befinden. Damit werden die Reisemöglichkeiten für die Gesuchten stark eingeschränkt. Grundlage ist das Römische Statut von 1998.
Doch nicht alle Staaten haben sich verpflichtet, sich an die Anordnungen des Gerichtes zu halten. Unter anderem die USA, Russland oder China haben das Statut nicht unterzeichnet und erkennen die Autorität des ICC nicht an. Ein Sonderfall ist die Ukraine, die das Römische Statut nicht unterzeichnet hat, sich aber in Erklärungen von 2014 und 2015 der Gerichtsbarkeit des ICC für Verbrechen seit November 2013 unterworfen hat.
- "Dunkler Tag für die Menschheit": Israel reagiert empört auf Haftbefehl gegen Netanjahu
Die Bundesregierung hat sich bislang noch nicht zu der Frage geäußert, wie sie sich zu dem Haftbefehl gegen Netanjahu und Galant verhalten will. Frankreichs Regierung will sich nach Angaben eines Sprechers des Außenministeriums noch nicht festlegen, ob sie Netanjahu festnehmen würde. Die Frage sei rechtlich kompliziert. Er wolle sich dazu noch nicht äußern, so der Sprecher.
Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell hingegen hat alle Mitgliedsländer aufgerufen, den internationalen Haftbefehl gegen Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu und andere Verantwortliche zu achten. Die Entscheidung des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) in Den Haag sei rechtsverbindlich, sagte Borrell am Donnerstag in der jordanischen Hauptstadt Ammann. Alle EU-Staaten seien als Vertragsparteien "verpflichtet, die Gerichtsentscheidung umzusetzen".
Gegen wen richten sich internationale Haftbefehle?
Ein solcher Haftbefehl richtet sich häufig gegen Personen, denen schwerwiegende Verbrechen wie Völkermord, Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen werden. Ein prominentes Beispiel ist der sudanesische Ex-Präsident Omar Al-Baschir, gegen den der ICC 2009 einen Haftbefehl wegen des Verdachts auf Völkermord erließ. Al-Baschir wurde jedoch nie überstellt, was die praktischen Hürden bei der Durchsetzung solcher Befehle verdeutlicht.
Auch gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin gibt es einen solchen internationalen Haftbefehl. Ihm und weiteren russischen Politikern werden wegen des Krieges in der Ukraine unter anderem Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord vorgeworfen.
Können internationale Haftbefehle verjähren?
Artikel 29 des Römischen Statuts legt fest, dass die vom ICC verfolgten Verbrechen nicht verjähren können. Dies stellt sicher, dass die Verantwortlichen selbst nach Jahren noch zur Rechenschaft gezogen werden können. Relevant wurde dies im Fall des ehemaligen liberianischen Präsidenten Charles Taylor, der 2012 von einem Sondergericht wegen Kriegsverbrechen zu 50 Jahren Haft verurteilt wurde. Der Warlord wurde insbesondere wegen Verbrechen angeklagt, die rund um das Jahr 1990 begangen wurden.
Welche Reaktionen gibt es auf die Haftbefehle?
Israels Präsident Izchak Herzog hat mit Empörung und scharfer Kritik auf den Erlass der Haftbefehle gegen Netanjahu und Galant reagiert. "Dies ist ein dunkler Tag für die Justiz. Ein dunkler Tag für die Menschheit", schrieb er auf X. Herzog sprach von einer skandalösen Entscheidung, die der Gerichtshof in böser Absicht getroffen habe.
Regierungschef Netanjahu bezeichnete die Haftbefehle gegen sich und Galant als "antisemitische Entscheidungen", getroffen von "voreingenommenen Richtern, getrieben von antisemitischem Hass gegen Israel", heißt es in einer Erklärung von Netanjahus Büro. Israel werde dem Druck nicht nachgeben und seine Bürger weiter verteidigen.
Auch der Zentralrat der Juden in Deutschland übte scharfe Kritik an den Haftbefehlen. "Dieser Haftbefehl gegen einen Ministerpräsidenten eines demokratischen Staates und seinen früheren Verteidigungsminister ist eine Absurdität", erklärte Zentralratspräsident Josef Schuster in Berlin.
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