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Nahostkonflikt: Israel bombardiert Hisbollah im Libanon – Washington besorgt


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Können die USA den Krieg verhindern?
"Das wird nicht passieren"


Aktualisiert am 24.09.2024Lesedauer: 4 Min.
Benjamin Netanjahu mit Kamala Harris: "Bei Teilen der US-Demokraten gibt es eine sehr kritische Sicht auf Israel."Vergrößern des Bildes
Benjamin Netanjahu mit Kamala Harris: "Bei Teilen der US-Demokraten gibt es eine sehr kritische Sicht auf Israel." (Quelle: IMAGO/Pool/ABACA)

Nach den tödlichen Angriffen Israels auf Ziele im Libanon wächst die Angst vor einem Krieg mit der Hisbollah – auch in Washington.

Mehr als 500 Tote, noch mehr Verletzte, darunter viele Kinder: Israelische Luftangriffe auf die Hisbollah haben den Montag im Libanon zum tödlichsten Tag seit fast zwei Jahrzehnten gemacht. Israel erklärte, mit den Angriffen mehr als 1.500 Ziele getroffen zu haben, die von der Hisbollah für militärische Zwecke genutzt worden und teilweise in Wohnhäusern versteckt gewesen seien. Unabhängig überprüfen lässt sich das nicht. Die Terrorgruppe beschießt ihrerseits vom Libanon aus immer wieder Ziele in Israel mit Raketen.

Solche Angriffe, auch die Pager-Explosionen aus der Vorwoche, fänden nicht spontan statt, erklärt Stephan Stetter, Professor für Internationale Politik und Konfliktforschung: "Das ist über Jahre vorbereitet. Israel hat nicht vor, das diplomatisch zu regeln. Die Regierung will die Hisbollah militärisch schwächen."

Die erneute Eskalation zwischen Israel und der Hisbollah stellt nun auch US-Präsident Joe Biden vor Probleme. Unter Führung Washingtons hatten Israel und die Hisbollah bis zuletzt indirekte diplomatische Gespräche geführt. Stetter sieht diese nun zwar nicht am Ende, aber "erschwert".

Trump: Israel soll "Job zu Ende bringen"

In der Öffentlichkeit erklären Sprecher der US-Regierung unentwegt, man habe die Hoffnung auf Frieden in der Region noch nicht aufgegeben. Solange allerdings Raketen zwischen Israel und Libanon fliegen, sei nicht der richtige Zeitpunkt für solche Verhandlungen.

Im Weißen Haus selbst schätzt man die Lage allerdings weniger optimistisch ein, wie die "New York Times" unter Berufung auf Insider berichtet: Die einzige Möglichkeit Bidens sei inzwischen, auf Kamala Harris zu hoffen – und darauf, dass sie in ihrer Amtszeit tatsächlich einen Friedensdeal durchsetzen kann. Netanjahu scheint seinerseits auf einen Wahlsieg Donald Trumps zu hoffen, der bereits angekündigt hatte, er wolle Israel "den Job zu Ende bringen" lassen.

Biden und sein Team seien frustriert von Netanjahu, zitiert die Zeitung einen Insider. Der israelische Premier habe hinter verschlossenen Türen Zusagen gemacht, die er kurz darauf öffentlich gebrochen habe. Biden und Netanjahu hätten sich zuletzt in Telefonaten angebrüllt. Nach den Pager-Explosionen im Libanon gibt es zumindest öffentlich keine Hinweise mehr darauf, dass die beiden miteinander gesprochen hätten. Das, so der Insider, sei ein Zeichen dafür, wie wenig Jerusalem und Washington einander aktuell zu sagen hätten.

Biden-Berater: "Keine sinnvolle Übung"

Einen Teil dieser Frustration ließ Jake Sullivan am Wochenende durchblicken. Sullivan, ein enger Berater des US-Präsidenten, erklärte zwar, es gebe einen Weg zum Frieden, "einen langen und beschwerlichen". Er sagte über die Angriffe auf den Libanon aber auch: "Wir könnten jeden dieser Momente herauspicken, jeden Raketenangriff der Hisbollah, jede Attacke aus Israel und fragen: 'Ist es das? Ist das jetzt eine Eskalation?'" Dies immer wieder neu bestimmen zu müssen, so Sullivan, sei "keine besonders sinnvolle Übung".

Der Konflikt zwischen Israel und der Hisbollah schwelt bereits seit Jahren. Immer wieder gab es in der Vergangenheit niedrigschwellige Schusswechsel. "Das ist seit dem Hamas-Angriff auf Israel und dem Beginn des Krieges in Gaza am 7. Oktober anders", sagt Stetter.

Prof. Dr. Stephan Stetter
Prof. Dr. Stephan Stetter (Quelle: Universität der Bundeswehr München)

Zur Person

Prof. Dr. Stephan Stetter lehrt Internationale Politik und Konfliktforschung an der Universität der Bundeswehr in München. Sein Forschungsschwerpunkt liegt unter anderem auf Politik, Konflikten und Gesellschaft im Nahen und Mittleren Osten, mit Schwerpunkt Israel und Palästina. Aktuell ist er in einem Forschungsjahr als Gastprofessor an der Universität Bologna in Italien tätig.

Nach dem Angriff habe die Hisbollah im Norden Israels eine zweite Front eröffnet. Inzwischen sei das israelische Militär bei den Kämpfen mit der Hamas in Gaza an einem Punkt angelangt, an dem man Teile der Armee in den Norden verlegen konnte, erklärt Stetter. Im Zuge der Kämpfe haben Zivilisten auf beiden Seiten der Grenze das Gebiet in den vergangenen Monaten bereits verlassen müssen. "Die israelische Regierung sieht nun eine Chance, ihre Bevölkerung zurückzubringen. Außerdem will man die Hisbollah militärisch schwächen und das Mächtegleichgewicht in der Region zu den eigenen Gunsten verändern", so Stetter.

Experte: "Abschreckungspotenzial hat gelitten"

Dass die israelische Regierung ausgerechnet jetzt den Konflikt mit der Hisbollah eskaliere, sei sowohl innen- als auch außenpolitisches Kalkül, erklärt Stetter. "Im Inneren kann man damit von der Geiselfrage im Gazastreifen ablenken. Mit den Pager-Explosionen hat die Regierung ihr Standing bereits verbessern können."

In der Außenwirkung könne Israel durch die Eskalation die eigenen militärischen Möglichkeiten präsentieren. "Dieses Abschreckungspotenzial hat durch den 7. Oktober 2023 gelitten", so Stetter.

Hofft Netanjahu auf Trump?

Außerdem sende Israel so auch ein deutliches Signal nach Washington und insbesondere an Kamala Harris: "Bei Teilen der US-Demokraten gibt es eine sehr kritische Sicht auf Israel. Damit hat die israelische Regierung ein strukturelles Problem. Man verspricht sich von Donald Trump mehr. Kamala Harris kann von der aktuellen Lage im Nahen Osten nicht profitieren."

Stetter glaubt nicht, dass Israel seine Angriffe bald einstellen werde: "Netanjahu weiß, dass die Möglichkeiten der USA, Israel zu sanktionieren, besonders vor den Wahlen sehr gering sind. Das wird nicht passieren." Wie es nach den Wahlen weitergehe, sei noch völlig offen – egal, ob letztlich Kamala Harris oder Donald Trump ins Weiße Haus einziehen. "Natürlich sind die USA eine Supermacht", erklärt Stetter. "Aber sie haben in den letzten Monaten so einiges nicht durchsetzen können."

Verwendete Quellen
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