Nach Tod von Mahsa Amini Proteste in Iran weiten sich aus – Raisi kündigt hartes Vorgehen an
Die Massenproteste im Iran eskalieren weiter: Staatsmedien melden 35 Tote. Im Osten des Landes sollen Regimegegner ganze Stadtviertel kontrollieren.
Nach dem Tod einer jungen Frau im Iran sind erneut Tausende Menschen gegen das islamische Herrschaftssystem und die systematische Diskriminierung von Frauen auf die Straße gegangen. Hunderte wurden dabei festgenommen, wie die Behörden berichteten. Allein im Norden nahm die Polizei demnach am Samstag 739 Menschen in Gewahrsam, darunter 60 Frauen. Medienberichten zufolge gab es auch erneut Todesopfer, ihre Zahl blieb aber unklar.
Präsident Ebrahim Raisi kündigte unterdessen einmal mehr ein hartes Durchgreifen gegen die Demonstranten an. Man werde nicht zulassen, dass "vom Ausland bezahlte Söldner" die Sicherheit des Landes gefährdeten, sagte er bereits am Freitag. "Proteste ja, Unruhen nein", sagte Raisi.
Demonstranten jagen Polizei aus der Stadt
Bei den Protesten haben Demonstrierende offenbar Polizeikräfte aus einer Stadt im Westen des Landes vertrieben. Stadteingänge in Oschnaviyeh sollen blockiert und das Gebäude der Milizen-Einheit Basij in Brand gesetzt worden sein. "Es gibt Tote", schreibt die Journalistin Natalie Amiri auf Twitter.
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Wegen der anhaltenden Massendemonstrationen im Land ist das Internet im Iran abgeschaltet worden. Dennoch dringen Informationen nach außen, wonach staatliche Einheiten in den Straßen mit scharfer Munition auf Protestierende schießen sollen.
Menschen sollen ihre Häuser geöffnet haben, um Demonstrierenden Schutz "vor prügelnden und bewaffneten Sicherheitskräften" zu geben, schreibt die Journalistin Isabel Schayani auf Twitter.
Aktivisten der Menschenrechtsorganisation Iran Human Rights (IHR) mit Sitz in Oslo gingen am Freitag von mindestens 50 Toten aus. Iranische Behörden hatten die Zahl der Toten offiziell mit 17 angegeben. Inzwischen berichten allerdings auch iranische Staatsmedien von höheren Zahlen. So sprach der staatliche iranische Fernsehsender IRIB von 35 Toten, fügte jedoch hinzu, dass diese Zahl inoffiziell und noch nicht bestätigt sei.
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Während etliche Regimegegner auf die Straße gehen, war es am Freitag auch zu Pro-Regierungsprotesten gekommen. Teils wurde dort für das Tragen von Kopftüchern demonstriert. Mehr dazu lesen Sie in unserem Live-Blog.
Geheimdienst: Mehrere Bombenanschläge verhindert
Innenminister Wahidi bestätigte zwar, dass es sowohl unter Demonstranten als auch bei den Sicherheitskräften weitere Tote gegeben habe, eine Zahl werde aber erst nach Untersuchungen bekanntgegeben. Dem Minister zufolge wurden einige Menschen, die in "hochgesicherte Einrichtungen" eindringen wollten, von Sicherheitsbeamten erschossen.
Der Polizeichef der Provinz Gilan, Asisiollah Maleki, bezeichnete die mehr als 700 festgenommenen Demonstranten als "Krawallmacher". Sie seien für die Verletzung von mehr als 100 Polizisten sowie für Beschädigungen an öffentlichen Einrichtungen zuständig. Bei den Festnahmen seien zahlreiche Waffen, Munition und Sprengstoffe sichergestellt worden, behauptete Maleki nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Irna.
Der iranische Geheimdienst erklärte nach Angaben der Nachrichtenagentur Mehr unterdessen, man habe in der Stadt Täbris im Nordwesten des Landes mehrere Bombenanschläge vereitelt und Tatverdächtige festgenommen. Sie seien von Monarchie-Anhängern und Mitgliedern der Volksmudschaheddin geplant worden.
Mahsa Amini starb nach Festnahme durch Sittenpolizei
Ausgelöst wurden die landesweiten Proteste durch den Tod der 22-jährigen Mahsa Amini am Freitag vergangener Woche. Sie war in der Hauptstadt Teheran von der Sittenpolizei festgenommen worden, weil sie das islamische Kopftuch offenbar nicht den strikten Vorschriften entsprechend getragen hatte.
Amini brach nach ihrer Festnahme unter ungeklärten Umständen auf der Polizeiwache zusammen und wurde drei Tage später im Krankenhaus für tot erklärt. Laut Polizei hatte sie einen Herzanfall. Menschenrechtsaktivisten zufolge erlitt die junge Frau einen tödlichen Schlag auf den Kopf. Seit Aminis Tod kommt es im Iran zu landesweiten Protesten.
- Nachrichtenagenturen afp und dpa