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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Tödliche Doppelwirkung Putins "Pinocchio" – Diese Waffe verbreitet Angst und Schrecken
Der Raketenwerfer TOS-1 gilt als eines der gefürchtetsten konventionellen Waffensysteme der Welt. Seine Wirkweise ist besonders perfide. Dass Putins Armee es wohl auch im Ukraine-Konflikt einsetzt, ist kein Zufall.
Als am frühen Donnerstagmorgen die Nachrichten von einem russischen Angriffskrieg in der Ukraine hereinkamen, ließen die ersten Bilder von russischen Bodentruppen nicht lange auf sich warten. Darauf waren auch Panzer mit einem merkwürdig aussehenden Aufbau zu erkennen. Bei den Panzern handelt es sich um den TOS-1A Mehrfachraketenwerfer, auch bekannt als "moderne Stalinorgel" oder "Putins Höllensonne".
Mit dem Einmarsch in ukrainisches Territorium macht Moskau der Welt klar, dass es "die Kosten weiterer Untätigkeit höher einschätzt als die Kosten einer signifikanten militärischen Eskalation", wie der britische Militärexperte Rob Lee schreibt. Die Eskalation wird dokumentiert von Bildern schweren Militärgeräts, das den ganzen Tag über in die Ukraine gebracht wird.
Unter den konventionellen Waffensystemen in Wladimir Putins kriegerischem Arsenal sticht dabei der TOS-1 heraus. Das Kürzel TOS steht für "schweres Flammenwerfersystem", ein 24-flammiger Raketenwerfer, der auf dem Fahrgestell eines T-72-Panzers montiert ist. Der überdimensionierte Aufbau thront wie eine lange Nase auf dem Panzerchassis und gibt dem System seinen Beinamen "Buratino".
Hitze und Druck töten
Der "Buratino" ist das Pendant zur italienischen Figur des "Pinocchio", auch in Russland eine der bekanntesten Kinderfiguren, basierend auf einer Erzählung des Schriftstellers Alexander Nikolajewitsch Graf Tolstoi. Im Gegensatz zum hölzernen Zinken im Märchen, der beim Lügen immer größer wird, ist der stählerne Aufwuchs des TOS-1 aber alles andere als harmlos.
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Seine Raketen sind mit einem thermobarischen Gefechtskopf ausgerüstet und besitzen die Wirkungsweise einer Aerosol- bzw. Vakuumbombe. Nach dem Einschlag im Zielgebiet setzen die Sprengkörper eine leicht entzündliche Chemikalie frei. Zusätzlich zur normalen Druckexplosion wird mit dem feinen Aerosol die Umgebungsluft entzündet und es entsteht eine verheerende Kombination aus Hitze- und Druckwelle.
Auf die durch die Explosion entstandene Druckwelle folgt eine Unterdruckphase im Explosionszentrum. Die zuvor nach außen gedrängte Luft wird zurückgesaugt – inklusive der brennbaren Aerosole. Im Umkreis von 200 bis 400 Metern entsteht ein tödlicher Feuerball.
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Innerhalb von Sekunden kollabiert die Lunge
Die besondere Perfidie dieser Waffe liegt in der zweiten Phase, in der die Sogwirkung eintritt und nicht nur Gebäude und Kriegsgerät nachhaltig beschädigt. Dadurch, dass die Sprengkörper kein Oxidationsmittel mit sich führen, entziehen sie der Umgebung großräumig Sauerstoff. Es kommt zu einer Art Vakuum, das der Bombe ihren Namen gab. Durch die sich rasch umkehrenden Druckverhältnisse im Wirkungsbereich der Waffe werden auch die Lungen von Menschen und Tieren stark zusammengepresst, noch vorhandener Sauerstoff in den Gefäßen dehnt sich aus. Die Lungen bersten.
Die relativ großflächige Vernichtungswirkung prädestiniert den TOS-1 daher für den Einsatz gegen Infanteristen, die sich in Tunneln, Bunkern, Häusern oder Schützengräben verschanzt haben. Dass es dabei häufig auch Zivilisten trifft, kann kaum vermieden werden.
Zwar zählt der TOS-1, der als eine Fortentwicklung des klassischen Flammenwerfers gedacht war, zur Artillerie, das System besitzt allerdings nur eine relativ geringe Reichweite von bis zu 3,5 Kilometern. Fast doppelt so hoch ist dagegen die Reichweite der zweiten Generation der TOS-1, der TOS-1A "Solntsepyok" (in etwa "Sonnenglut").
Laut Generalmajor Igor Kirillow, Befehlshaber der russischen ABC-Streitkräfte, arbeitet man bereits an einem weiteren Upgrade der TOS-1, das den Namen TOS-2 trägt. Dieser soll noch tödlicher sein als seine Vorgänger und ganze Wohnblöcke innerhalb von Sekunden in Schutt und Asche legen können.
Putin weiß wohl um die Symbolwirkung der Waffe
Zum ersten Mal wurde der feuerspeiende Raketenwerfer Anfang der 1980er-Jahre im Afghanistankrieg eingesetzt. Später ließ Wladimir Putin die Waffe dann im Tschetschenienkrieg auffahren, zuletzt sind auch Einsätze in Syrien bekannt geworden. Dort soll die russische Armee den TOS-1 in Rebellengebieten eingesetzt haben, etwa im Häuserkampf in der Oppositionshochburg Aleppo oder in der Hafenstadt Latakia. Auch Lieferungen des Systems nach Saudi-Arabien und in den Iran stehen im Raum.
Putin weiß wohl um die Symbolwirkung der Waffe. Berichte von deren Einsatz tragen stets auch zur Zermürbung des militärischen Gegners bei. Und es ist wohl kein Zufall, dass der TOS-1 nun schon auf den ersten Bildern zu sehen ist, die vom russischen Einmarsch in der Ukraine zu uns gelangen. Der TOS-1 ist eben nicht nur eine besonders tödliche, sondern auch eine besonders abschreckende Waffe. Wie die britische "Sunday Times" schrieb: "Eine Stufe unter der Atombombe."
Seinen Namen hat der TOS-1 aus einem Märchen. Im Gegensatz zur Marionette Pinocchio ist der "Buratino", dem sich die ukrainischen Soldaten und Zivilisten nun gegenübersehen könnten, aber keine lustige Kinderfigur. Er ist ein zynisches Vernichtungsinstrument, stahlgewordenes Fanal einer vom Kreml ins Werk gesetzten Invasion. Dieser Pinocchio lügt nicht. Er tötet wirklich.
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