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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Verfolgung von Homosexuellen "Es ist wieder salonfähig, gegen Lesben und Schwule zu hetzen"
Brunei verteidigt die Steinigung von Homosexuellen. Damit ist das Sultanat nicht allein. Im Gespräch mit t-online.de spricht Klaus Jetz vom Lesben- und Schwulenverband über alarmierende Zahlen.
In über zehn Ländern auf der Welt bedeutet gleichgeschlechtliche Liebe die Todesstrafe. In vielen Regionen gibt es Gesetze, die homosexuelle Liebe unter Strafe stellen. Besonders in afrikanischen Ländern werden homosexuelle Menschen verfolgt, eingesperrt oder gar getötet.
Doch wie kann es sein, dass das Sultanat Brunei die Einführung der Todesstrafe gegen Homosexuelle in einem Brief an das Europäische Parlament verteidigt? Klaus Jetz vom Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD) sagte t-online.de: "Es gibt keinen Konsens über die Universalität und die Unteilbarkeit der Menschenrechte. Aus der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte wird das rausgepickt, was einem am besten gefällt und es wird bestritten, dass die Menschenrechte auch für Lesben und Schwule gelten."
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Einige Länder überdenken ihr Strafrecht
In 70 Ländern gibt es Gesetze gegen Homosexualität. Auch UN-Mitglieder wie Jemen, Sudan, Iran, Irak, Nigeria, Somalia und Saudi-Arabien sehen immer noch eine Todesstrafe für homosexuelle Handlungen vor. "Fundamentalistische Regime berufen sich auf die Scharia um Homosexuelle entweder zu steinigen oder auch an Baukränen aufzuhängen", sagt Jetz.
In vielen Ländern ist die Schwulenfeindlichkeit historisch begründet. Strafen für Homosexuelle sind in den Gesetzbüchern der Länder wie Sambia, Simbabwe oder Nigeria fest verankert. "Diese stammen aus der britischen Kolonialzeit", erklärt der Geschäftsführer vom LSVD weiter. Dennoch gibt es auch Länder, die ihr Strafrecht überdacht haben. Als positives Beispiel gilt Mosambik, wo homosexuelle Menschen entkriminalisiert wurden. Auch Botsuana und Indien gehen mit positiven Entwicklungen voran. Doch das ist nicht überall der Fall.
In Brasilien gibt es eine Gegenbewegung
Jüngstes Beispiel für eine Verschlechterung der Lage für die LGBT-Community (Lesbisch, Schwul, Bisexuell, Transgender) ist Brasilien. Seit Anfang des Jahres ist Jair Bolsonaro als neuer Präsident im Amt. Er gilt als rechter Politiker und machte im Wahlkampf mit Ansprachen gegen Homosexuelle von sich reden.
"Der neue Präsident stellt Menschenrechte generell in Frage, obwohl das Strafrecht derzeit gar keine Verfolgung für Homosexuelle vorsieht – ganz im Gegenteil, denn in Brasilien können gleichgeschlechtliche Paare heiraten", so Jetz über die Lage in Südamerika.
"In Honduras oder Venezuela gibt es weitreichende Verfolgungen"
In vielen lateinamerikanischen Ländern schützen die Verfassungen LGBT vor Diskriminierung. Doch auch hier gibt es wieder dramatische Ausnahmen: In Honduras oder Venezuela gibt es weitreichende Verfolgungen von Homosexuellen und Menschen, die sich für die Rechte von Schwulen und Lesben einsetzen. Aktivisten stoßen immer wieder an ihre Grenzen im Kampf für die Rechte von Homosexuellen. Etwa dann, "wenn Länder wie China oder aus der arabischen Welt behaupten, bei uns gibt es keine Homosexuellen", so Jetz.
Uganda und Nigeria haben ebenfalls ihre Gesetze verschärft. Das Auswärtige Amt stellt dazu fest: "In den nördlichen Bundesstaaten Nigerias sind nach islamischem Recht homosexuelle Handlungen mit besonders schweren Strafen belegt. Seit Anfang Januar 2014 (...) ist das Eingehen homosexueller Verbindungen oder die Mitwirkung daran mit 14 Jahren, die Organisation oder Unterstützung von Homosexuellen-Clubs, Vereinigungen oder Kundgebungen sowie öffentliches zur Schau stellen gleichgeschlechtlicher Liebesbeziehungen mit bis zu 10 Jahren Haft bedroht."
Verfolgung in Tschetschenien
Unterdrückt werden die Menschen besonders im Norden von Afrika, im Nahen Osten, aber auch in Gegenden wie in der ehemaligen Sowjetunion. In Tschetschenien werden Homosexuelle seit Jahren verfolgt. Viele Menschen fliehen nach Moskau oder St. Petersburg und suchen dort Zuflucht.
Dutzende Länder wie Nigeria, Uganda, Malawi oder auch die islamischen Staaten lassen kaum Fortschritte bei Rechten für Homosexuelle zu. Für europäische Regierungen sei es zudem schwierig Druck auf diese Regierungen auszuüben. Jetz: "Es stellt sich die Frage, ob eher eine stille Diplomatie verfolgt wird oder öffentlich ausgesprochen werden soll, dass Verfolgung nicht toleriert wird."
Gewalt nimmt auch in Deutschland zu
So hat Bundeskanzlerin Angela Merkel im Jahr 2017 die Verfolgung von Homosexuellen in Tschetschenien öffentlich kritisiert. Doch das sei nicht immer zielführend, wenn in der Öffentlichkeit über die Missstände diskutiert werde, sagt Jetz. Der Grund: Lesben und Schwule würden mit einem öffentlichen Anprangern Gefahren ausgesetzt werden.
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Auch für Deutschland sieht Jetz eine besorgniserregende Entwicklung: "Die Transfeindlichkeit und die Feindlichkeit gegen Homosexuelle sind auch bei uns wieder auf dem Vormarsch und haben zugenommen. Es ist wieder salonfähig, gegen Lesben und Schwule zu hetzen." Das würde man auch bei der Diskussion ums dritte Geschlecht sehen. Die Gewalt gegenüber Homosexuellen nehme genauso wieder zu wie gegen Geflüchtete oder andere Minderheiten. "Wo Lesben, Schwule und Transmenschen sichtbar sind, kommt es auch in Deutschland immer wieder zu Gewalttaten", mahnt Jetz an.
- Eigene Recherchen
- Das Auswärtige Amt: Aktuelle Reisewarnungen
- ILGA (International Lesbian, Gay, Bisexual, Trans and Intersex Association)