Neue Tory-Chefin Badenoch Sie nimmt keine Rücksicht
Sie gilt als Frau klarer Worte: Kemi Badenoch ist neue Vorsitzende der Konservativen Partei. Kann die ehemalige Wirtschaftsministerin die Tories zurück an die Spitze führen?
Kemi Badenoch ist die neue Chefin der Konservativen Partei in Großbritannien. Sie soll die Tories nach der historischen Niederlage bei der Parlamentswahl mit einem harten Rechtskurs zurück in die Regierung führen. Die Mitglieder wählten die ehemalige Wirtschaftsministerin zur Nachfolgerin von Ex-Premierminister Rishi Sunak. Sie ist die erste schwarze Frau in dieser Position.
Seit dem Brexit sind die Tories nicht zur Ruhe gekommen. Innerhalb weniger Jahre scheiterten fünf verschiedene Premierminister – weil sie die Folgen des EU-Austritts nicht in den Griff bekamen oder wie Boris Johnson über Skandale stolperten.
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Seit der Wahlpleite im Juli stellen die Tories – über Jahrzehnte eine der erfolgreichsten demokratischen Parteien Westeuropas – nur noch 121 der 650 Abgeordneten im Londoner Unterhaus. Der Vertrauensverlust bei den Wählern ist immens. Badenoch muss nun für Stabilität und Geschlossenheit sorgen.
Frau klarer Worte
Doch das dürfte schwerfallen. Die 44 Jahre alte Badenoch gilt als Frau der klaren Worte, ohne Rücksicht auf Person und Amt. Wie auch ihr unterlegener Kontrahent, der frühere Staatssekretär für Migration, Robert Jenrick, gilt sie als Vertreterin des rechten Parteiflügels. Insgesamt waren sechs Bewerberinnen und Bewerber angetreten. Moderate Kandidaten wie Ex-Innenminister James Cleverly schieden aber bei den Abstimmungen in der Fraktion aus, bevor die Mitglieder das letzte Wort hatten.
Die Konservativen verwandelten sich immer weiter von einer Mitte-rechts-Kraft in eine radikale rechtspopulistische Partei, erklärte der Politologe Tim Bale. Welche Politik der Experte der Queen Mary University of London erwartet? Forderungen nach möglichst wenig staatlicher Einmischung, im Ton nationalistisch und einwanderungsfeindlich sowie gegen Klimaneutralität.
Die neue Chefin wurde als Olukemi Olufunto Adegoke in London geboren, wuchs aber in Nigeria, dem Heimatland ihrer Eltern, auf. Mit 16 Jahren zog sie nach London, machte ihren Schulabschluss und arbeitete nebenbei bei McDonald's. Danach studierte sie Informatik und arbeitete später im Finanzwesen und bei der Zeitschrift "Spectator". 2015 wurde sie in die Londoner Stadtversammlung gewählt, 2017 in das britische Parlament. Sie war Handelsministerin und Ministerin für Frauen und Gleichstellung und hatte weitere Junior-Ministerposten unter Boris Johnson, Liz Truss und Rishi Sunak inne.
Die 44-Jährige ist enthusiastische Brexit-Befürworterin und Liebling der Parteibasis. Sie gibt sich seit Langem als "Anti-Woke-Kulturkriegerin", die mit Äußerungen gegen das angeblich linksliberale Establishment auffällt. Auch während ihrer Zeit als Ministerin für Gleichberechtigung äußerte sich die Mutter dreier Kinder unter anderem kritisch über Genderfragen und plädierte gegen eine Anhebung des Mutterschaftsgelds. Außerdem behauptete sie, dass zehn Prozent der Staatsbeamten "so schlecht sind, dass sie ins Gefängnis gehören".
Sind die Tories noch Volkspartei?
"Die Parteimitglieder haben sich für Kemi Badenoch entschieden, weil sie sie als prinzipientreu und bereit betrachten, ihre Meinung zu sagen, auch wenn dies zu Kontroversen führt", sagte der Politologe Mark Garnett von der Universität Lancaster. Der Stil der überzeugten Brexit-Unterstützerin sei mit dem von Ex-Premierministerin Margaret Thatcher vergleichbar, die von vielen Tory-Mitgliedern noch immer verehrt werde.
Allerdings sieht Garnett mit dem scharfen Rechtskurs die Zukunft der Tories als Volkspartei infrage gestellt. Die Wahl im Juli, bei der die sozialdemokratische Labour-Partei die Konservativen nach 14 Jahren an der Regierung ablöste, habe gezeigt, dass die meisten Wähler immer noch der politischen Mitte nahestünden.
Druck von Rechtspopulist Farage
Die unmittelbare Herausforderung für die Konservativen bestehe zwar darin, Wähler von der rechtspopulistischen Partei Reform UK zurückzugewinnen. Parteichef Nigel Farage, der einst den Brexit maßgeblich vorangetrieben hatte, jagte den Konservativen zahlreiche Stimmen ab. Aber: "Eine Annäherung an Reform UK birgt das Risiko, Unterstützung aus dem Mitte-Rechts-Spektrum zu verlieren und unbeabsichtigt die Anziehungskraft des populistischeren Farage zu erhöhen", sagte Garnett.
Und wie kann die neue Parteichefin die riesige Lücke zur sozialdemokratischen Labour-Partei schließen, die mit großer Mehrheit regiert? Das hänge weniger von ihr als vielmehr davon ab, wie es Premierminister Keir Starmer gelingt, die öffentlichen Dienstleistungen zu verbessern und das Wirtschaftswachstum anzukurbeln, sagte Experte Bale. Und auch Garnett betont: "Um die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit zu gewinnen, muss die neue Parteichefin aus den Fehlern der Labour-Partei das Beste machen."
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
- guardian.com: "The culture warrior and the populist: Badenoch and Jenrick in profile"