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Herbert Kickl | Wer ist der Mann, der bald Österreich regieren könnte?


FPÖ-Chef Kickl
Das hat vor ihm noch niemand geschafft


Aktualisiert am 06.01.2025 - 14:34 UhrLesedauer: 6 Min.
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Laut Umfragen ist die rechte FPÖ Favorit auf den Sieg (Quelle: reuters)
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Herbert Kickl war jahrelang ein Mann für den Hintergrund. Jetzt könnte er der erste Kanzler der rechtspopulistischen FPÖ werden. Wer ist der Mann?

Rückblickend war es vielleicht der 6. März 2021, an dem die Karriere von Herbert Kickl eine entscheidende Wendung nahm. Durch die österreichische Hauptstadt Wien zogen Zehntausende Demonstranten, darunter auch Hooligans, Rechtsextremisten und Esoteriker. Es war die Hochphase der "Querdenker" in der Corona-Pandemie.

Kickl hielt eine Brandrede: Man müsse sich auflehnen gegen die geltenden Corona-Maßnahmen. Die Berichterstattung dazu sei durch die Bundesministerien gelenkt. Die Entscheidung laute "Freiheit oder Knechtschaft". "Kurz muss weg", skandierte er mit der Menge in Richtung des damaligen Bundeskanzlers Sebastian Kurz. Im Zusammenhang mit dem Impfprogramm in Israel sprach Kickl zudem von einem "Massenexperiment der Pharmaindustrie" und "Gesundheits-Apartheid". Die Menge jubelte.

Zu diesem Zeitpunkt war Kickl schon eine feste Größe in der rechtspopulistischen FPÖ. Der 56-Jährige galt lange als Scharfmacher, arbeitete aber lieber im Hintergrund. Selbst innerhalb seiner Partei galt er als zu scharf für die erste Reihe. Doch das schien sich in diesen Tagen zu ändern. Kickl erkannte, wie seine Worte direkt auf die Menschen wirkten. Wenige Monate nach seiner Rede griff er bereits nach dem Vorsitz seiner Partei.

Studienabbrecher mit Liebe zum Militär

Rund drei Jahre später ist ihm als Parteichef und FPÖ-Spitzenkandidat etwas gelungen, das seine Partei noch nie geschafft hat: Der Österreicher hat nicht nur das beste Ergebnis in der Geschichte der FPÖ eingefahren, sondern erstmals mit seiner Partei insgesamt die meisten Stimmen erhalten. Kickl sieht sich selbst bereits jetzt als "Volkskanzler". Dabei gilt er nicht als Charismatiker, ist innerhalb seiner Partei als Einzelgänger bekannt. Wie hat er dennoch diesen Aufstieg geschafft?

Kickl wird 1968 in Villach im Bundesland Kärnten geboren. Die Eltern und Großeltern arbeiten in einer ortsansässigen Fabrik. Als Schüler soll er sich für das Militär begeistert haben. Nach der Schule absolviert er seinen Dienst beim Bundesheer als Gebirgsjäger. Ende der Achtzigerjahre zieht er nach Wien, um Politikwissenschaft, Publizistik und Philosophie zu studieren.

Abschließen wird er keines der Fächer. Trotzdem beruft er sich bis heute in seinen Reden auf Philosophen wie Hegel oder Rousseau. Die linke Studierendenszene meidet Kickl. Die rechten Burschenschaften, aus denen viele FPÖ-Funktionäre stammen, allerdings auch.

Faszination für Haider

Es ist die Zeit, in der in Österreich erstmals ein gewisser Jörg Haider mit der FPÖ Aufsehen erregt: Haider übernimmt mit 36 Jahren den Parteivorsitz, wird zudem Landeshauptmann in Kickls Heimat Kärnten, das grob gesagt dem Amt des deutschen Ministerpräsidenten entspricht. Der junge Student ist fasziniert von dem neuen Politiker, der heute als Vorreiter für den Rechtspopulismus in Europa gilt.

Der Weg des jungen Kickl in die FPÖ beginnt Anfang der Neunzigerjahre, wo er unter anderem Wahlkämpfe und Parteiprogramme organisiert. Er soll sich mit den Worten: "Ich kann zwar nichts, aber ich kann alles lernen", vorgestellt haben.

Die klassische Ochsentour vom Lokal- zum Bundespolitiker durchläuft Kickl nicht. Stattdessen tut er sich schnell mit seinen scharfen Slogans für Wahlplakate und als Redenschreiber hervor, auch für Jörg Haider. Beim politischen Aschermittwoch 2001 macht dieser einen antisemitischen Witz über den Chef der israelischen Kulturgemeinde in Wien, Ariel Muzicant: Er könne nicht verstehen, wie jemand mit dem Namen Ariel – also mit demselben Namen wie ein Waschmittel – so viel Dreck am Stecken haben könne.

Auf Haider folgt Strache

Es ist ein Skandal, für den sich Haider mehrfach entschuldigt. Erdacht wurde der Spruch allerdings von Kickl, der auch Jahre später kein Problem mit der Äußerung hat. Der Spruch habe damals gepasst, und er würde ihn heute nicht anders machen. Im Laufe seiner Karriere wird Kickl immer wieder kurze Wahlslogans dichten wie "Daham statt Islam", "Asylbetrug heißt Heimatflug" oder "Volksvertreter statt EU-Verräter".

Haider führt die FPÖ 2000 in die Bundesregierung. Sein Weg mit Kickl endet 2005, als er mit der Partei bricht: Im Streit verlässt Haider die FPÖ und gründet die neue Partei BZÖ. Viele gehen davon aus, dass Kickl ihm folgt. Doch stattdessen setzt der bei den Rechtspopulisten auf einen ähnlich charismatischen, aber jüngeren Mann: Heinz-Christian Strache, der nach Haider der neue Parteichef wird.

Kickl schießt fortan gegen Haider, wird als FPÖ-Generalsekretär noch einflussreicher und arbeitet jetzt Strache zu. Er baut Strache zum Gesicht der Partei auf und bleibt weiter der Strippenzieher im Hintergrund. Die FPÖ kann sich unter der Führung der beiden nach dem Haider-Zoff langsam wieder nach oben arbeiten: 2017 führen beide ihre Partei erneut in die Bundesregierung.

In der Regierung von Kanzler Sebastian Kurz erhält Kickl den Posten des Innenministers. Viele sind über die Wahl erstaunt: Denn das Ministerium war jahrelang fest in der Hand von Kurz' konservativer ÖVP. Zudem soll der FPÖ-Mann zunächst mit dem Prestigeposten gefremdelt haben.

Mäßigend wirkt sich das Amt auf Kickl nicht aus: Das Ministerium wirbt für Jobs bei der Polizei auf rechtsextremen Webseiten. Der Minister gründet eine neue Grenzschutzeinheit und lässt große Übungen abhalten – inklusive Hubschraubern und Panzern. Ihr Name: "Pro Borders". Ein Slogan, der zuvor in der rechtsextremen "Identitären Bewegung" gebräuchlich war. Eine Distanzierung zu der Bewegung gibt es bei Kickl nicht: Er nennt sie etwa in einem Interview eine "rechte NGO".

In seiner Amtszeit wurde zudem der österreichische Verfassungsschutz von der Polizei durchsucht. Kritiker warfen Kickl vor, mit der Maßnahme einen Umbau der Behörde zugunsten der FPÖ anzustreben. Vor Gericht wurde die Durchsuchung später als rechtswidrig eingestuft, der Nachrichtendienst im Nachgang aufgelöst und völlig neu aufgebaut. Auch deshalb nennt der heutige Bundeskanzler Karl Nehammer den FPÖ-Mann ein "Sicherheitsrisiko".

Keine Konsequenzen durch Ibiza

Kickls Amtszeit endet bereits nach zwei Jahren: Als Vizekanzler Strache 2019 über die sogenannte Ibiza-Affäre stolpert, zerbricht die ÖVP-FPÖ-Regierung. Kickl beweist erneut das richtige Gespür und sagt sich wieder von seinem Parteichef los. Als die Affäre publik wird, soll er Strache als Erster mit wenigen Worten klargemacht haben, dass er zurücktreten muss. Strache wird sich politisch nie von der Affäre erholen.

Kickl wird wenig später aus der Regierung entlassen, hat aber mit dem Ibiza-Komplex nichts zu tun. Denn auch wenn seine Worte regelmäßig Aufsehen erregen: Abseits des politischen Betriebs verbindet ihn und Strache nur wenig.

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Einzelgänger mit Disziplin

Während der eine einen Hang zum Luxus hat oder noch als Vizekanzler Nächte in Discos durchtanzte, ist von Kickl nichts dergleichen zu hören. Bekannt ist, dass er verheiratet ist, einen Sohn hat und sich privat fürs Skifahren, Bergsteigen und den Triathlon begeistert. Viel mehr dringt nicht nach außen. Noch heute als Parteichef soll er in seinen eigenen Reihen ein Außenseiter sein.

Strache wird später die Partei verlassen, Kickl weiter eine prägende Figur bleiben. Nach dem Bruch mit Haider liegt die FPÖ nach dem Ibiza-Video erneut am Boden. Heute ist von dem Skandal, der zum Absturz der FPÖ in den Umfragewerten geführt hat, keine Rede mehr: Kickl hat die FPÖ im September des vergangenen Jahres erstmals auf Rang eins bei einer Nationalratswahl geführt.

Selbst ernannter Volkskanzler

Und seine Slogans nutzt er heute nur noch für sich: Seit einiger Zeit nennt sich Kickl "Volkskanzler". Ein Begriff, mit dem sich in der NS-Zeit auch Adolf Hitler schmückte. Die Zahl der Asylanträge will Kickl drastisch reduzieren, um eine "Festung Österreich" zu erreichen. "Wir brauchen Remigration", sagte er bei der Vorstellung des Programms. Statt Hilfe für die Ukraine propagiert Kickl Verständnis für Russland. Der Klimawandel? Selbst in Zeiten von Jahrhundertfluten kein Thema. Es sind Ideen, die denen seines ungarischen Nachbarn Viktor Orbán gleichen.

Seine drastische Sprache hat seinen Aufstieg nicht behindert. Für den Posten als erster FPÖ-Bundeskanzler war sie jedoch lange Zeit ein Hindernis. Nach der Wahl im September traten die konservative ÖVP, die sozialdemokratische SPÖ und die liberalen Neos auch deswegen in Koalitionsverhandlungen, um einen Bundeskanzler Kickl zu verhindern. Doch nach über dreimonatigen Verhandlungen erklärten die Neos die Verhandlungen für beendet. Wenig später scheiterten auch die Verhandlungen zwischen ÖVP und SPÖ über eine Minderheitsregierung.

Nun hat der österreichische Bundespräsident Alexander Van der Bellen doch Herbert Kickl und die FPÖ mit der Regierungsbildung beauftragt. Zuvor hatte Van der Bellen dies noch konsequent ausgeschlossen. Auch aus der ÖVP kamen nach dem Rücktritt des Bundeskanzlers und ÖVP-Vorsitzenden Karl Nehammer positive Signale in Richtung FPÖ. So erklärte der neue Parteivorsitzende der Konservativen, Christian Stocker: "Wenn wir zu Koalitionsgesprächen eingeladen werden, dann werden wir diese Einladung auch annehmen."

Ob und unter welchen Konditionen die ÖVP einer Koalition mit Herbert Kickl als Bundeskanzler zustimmen wird, ist offen. Denkbar ist, dass die ÖVP als Bedingung für eine Koalition Kickl zum Verzicht auf die Kanzlerschaft auffordern könnte. Dies hatte Kickl aber schon im Vorfeld zurückgewiesen. Der FPÖ-Chef dürfte sich an seinen einstiegen Mentor Haider erinnern: Der verzichtete nämlich 2000 auf ein Regierungsamt, um seine Partei in die Bundesregierung zu bringen. Kickl nannte das später eine "große politische Dummheit" und einen "Betrug an den Wählern". Und damit begann auch Haiders Abstieg.

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