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Thüringen- & Sachsen-Wahl: So blickt das Ausland auf mögliches AfD-Ergebnis


Höcke und Wagenknecht
Das Ausland schlägt Alarm


01.09.2024Lesedauer: 6 Min.
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Björn Höcke: Die guten Umfrageergebnisse der rechtspopulistischen AfD in Thüringen und Sachsen werden auch von ausländischen Medien aufmerksam verfolgt.Vergrößern des Bildes
Björn Höcke: Die guten Umfrageergebnisse der rechtspopulistischen AfD in Thüringen und Sachsen werden auch von ausländischen Medien aufmerksam verfolgt. (Quelle: Getty Images/getty-images-bilder)

Die bevorstehenden Landtagswahlen in Ostdeutschland werden auch in Europa, den USA, Russland und China verfolgt. Die Umfrageergebnisse der populistischen Parteien AfD und BSW sorgen für unterschiedliche Reaktionen. Ein Überblick.

Am Sonntag ist es so weit. Thüringen und Sachsen wählen jeweils neue Landesregierungen und selten war die Aufmerksamkeit auf Landtagswahlen in der gesamten Bundesrepublik so hoch wie in diesem Sommer vor dem wichtigen Stimmungstest in Ostdeutschland. Das politische Berlin ist nervös. Immerhin könnten mit der AfD und dem BSW von Sahra Wagenknecht zwei Parteien der extremen politischen Ränder gute Ergebnisse erzielen. In Thüringen und Sachsen liegt die rechtspopulistische AfD in den Umfragen bei mehr als 30 Prozent, das BSW liegt in Thüringen bei 18 und in Sachsen bei 12 Prozent.

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Das macht auch nach den bevorstehenden Landtagswahlen hitzige Debatte wahrscheinlich. Denn momentan ist völlig unklar, welche Koalitionen die Bundesländer künftig regieren könnten. Experten sind sich einig: Diese Wahlen werden auch die Bundespolitik mitbeeinflussen.

Und das wird natürlich auch im Ausland registriert. Während sich Medien in anderen westlichen Staaten eher schockiert darüber zeigen, dass mit der AfD und dem Thüringer Landeschef Björn Höcke eine in Teilen rechtsextreme Partei regieren könnte, hofft man in Russland durch Wagenknecht und die AfD eine Kreml-freundlichere Politik. Eines liegt auf der Hand: Dafür, dass es sich bei den Wahlen in Sachsen und Thüringen lediglich um Abstimmungen auf Landesebene handelt, ist die internationale Aufmerksamkeit groß. Ein Überblick.

Angst vor Russland und Verweise zur NS-Vergangenheit

Besonders im Westen und bei Deutschlands europäischen Nachbarn führen vor allem die starken Umfrageergebnisse der populistischen Parteien für Sorgen.

Die Medien in Polen sorgen sich etwa darum, dass die Bundesregierung und damit auch die deutsche Unterstützung für die Ukraine nach den Landtagswahlen geschwächt sein könnten. Das Nachrichtenportal "Forsal" schreibt: "Die Parteien der Bundesregierung und die CDU stehen vor einer peinlichen Niederlage, die möglicherweise das gesamte politische System in Deutschland erschüttert."

Selbst die Presse, die der national-konservativen Partei PiS nahesteht, und damit zumindest in Vergangenheit auch der AfD, sieht die Entwicklungen in Deutschland kritisch. Das rechte Portal "I" kommentiert: "Wir wissen bereits, dass Populisten gewinnen werden – und damit auch Russland."

Österreich ist aktuell in einer ähnlichen Situation wie Deutschland. Am 29. September wird der Nationalrat neu gewählt und die rechtspopulistische FPÖ hat laut aktuellen Umfragen gute Chancen, die stärkste Kraft zu werden. Der Unterschied: In Österreich scheint klar, dass auch ohne die FPÖ eine Regierung gebildet werden kann. Die Tageszeitung "Der Standard" erinnert mit Blick auf die Landtagswahlen in Thüringen an den Aufstieg des Nazi-Regimes: "Weniger bekannt ist, dass Thüringen beim Aufstieg der NSDAP eine wichtige Rolle spielte – jenes Bundesland, in dem am Sonntag bei der Landtagswahl die AfD allen Voraussagen nach stärkste Kraft wird."

In Italien regiert bereits die neofaschistische Partei Fratelli d'Italia von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni seit 2022 in einer Koalition. Die Tageszeitung "La Repubblica" sieht vor allem die Umfragewerte des BSW kritisch und einen Boom von Wagenknechts "rotbrauner Partei". Laut dem Nachrichtenportal "EUNews" seien die Wahlen "ein weiterer deutlicher Beweis dafür, dass Deutschland trotz der Wiedervereinigung vor 34 Jahren immer noch tief gespalten ist."

Höcke und Wagenknecht im Fokus

Der Blick in die Auslandspresse zeigt, dass viele Medien allgemein Schwierigkeiten haben, Wagenknecht politisch zu verordnen. Während die ehemalige Linkenpolitikerin in einigen Ländern eher als Kommunistin eingestuft wird, sehen sie andere Medien wie das französische Politmagazin "Le Monde diplomatique" als "konservative Linke", die genug vom Linksliberalismus habe. Die BSW-Anhänger seien das Gegenstück zu den "progressiven, urbanen und akademisch gebildeten Wählern der Grünen".

Die Tageszeitung "Le Monde" erwartet, dass die Landtagswahlen aufgrund der Stärke von AfD und BSW "Auswirkungen weit über die Grenzen dieser kleinen Region der ehemaligen DDR hinaus haben könnten".

Noch deutlich kritischer sind die Medien in Großbritannien. Die britische Zeitung "The Guardian" wertet die Ostwahlen als "Testfall für die deutsche Demokratie". Die Tageszeitung "Financial Times" ist dagegen schon einen Schritt weiter: "Die drei Parteien der Regierungskoalition werden am Sonntag von frustrierten Wählern eine Abreibung bekommen." Schuld daran seien die Inflation, die Angst vor Migration und politisch-handwerkliche Fehler wie das Heizungsgesetz von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne).

In dem Text zur Ost-Wahl heißt es weiter: "Im Osten geraten Konservative, Sozialdemokraten, Grüne und Liberale in eine Art Zangenbewegung der beiden politischen Extreme, während die Mitte immer kleiner, enger und prekärer wird." Eine andere Analyse der "Financial Times" bezeichnet Wagenknecht darüber hinaus als "Deutschlands linksextremer Störenfried".

Ausländische Medien sehen zwischen AfD und BSW vor allem zwei thematische Verbindungen: die Kritik an der deutschen Unterstützung der Ukraine und ihre Migrationspolitik. Neben Wagenknecht steht in den internationalen Analysen auch immer wieder der rechtsextreme Thüringer AfD-Chef Björn Höcke im Fokus.

Die "The Times" wirft Höcke vor, den Terroranschlag von Solingen zu nutzen, um "Angst vor Migranten" zu schüren. "Dieser ehemalige Geschichtslehrer, eine ausgesprochen demagogische Galionsfigur der AfD, steht kurz davor, der erste rechtsextreme Politiker seit 1933 zu werden, der eine deutsche Landtagswahl gewinnt", warnt die britische Tageszeitung.

Video | Bei Höcke-Kundgebung: Tausende protestieren gegen AfD
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Quelle: dpa

US-Medien warnen vor Gefahr für deutsche Demokratie

Die Migrantenfeindlichkeit der AfD schlägt auch in den Ländern hohe Wellen, von denen es größere Migrationsbewegungen nach Deutschland gab – etwa die Türkei. So sieht die türkische Tageszeitung "Hürriyet" in der AfD den "Motor für rechte Gewalt" in Deutschland. Der Vorwurf an die deutschen Rechtspopulisten: "Noch bevor die Identität des Angreifers von Solingen bekannt wurde, verstärkte die AfD den Hass auf Flüchtlinge. Ausländer und Menschen mit Migrationshintergrund." Hürriyet kritisiert weiter, dass die Zahl der rechtsextremistischen Straftaten im Jahr 2024 auf einem Rekordniveau ist.

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Es ist durchaus bemerkenswert: In Sachsen und Thüringen gibt es zusammen gerade einmal fünf Millionen Wahlberechtigte. Trotzdem haben diese Landtagswahlen eine so große Symbolkraft, dass selbst große Medien in den USA darüber berichten.

So kommentiert die US-Tageszeitung "The Washington Post" mit Blick auf die Stärke der AfD in Ostdeutschland: "Die Hundepfeifer des Dritten Reichs sind keine Randpartei mehr." Hundepfeifer-Politik, im Englischen "dogwhistling", bedeutet, dass Politiker etwa doppeldeutige Aussagen verwenden, die je nach Publikum unterschiedlich aufgefasst werden können. Ein Beispiel ist die Verwendung von Nazi-Begriffen von Höcke. Die US-Zeitung schreibt weiter: "Sogar unter anderen rechtsextremen Populisten, die in ganz Europa auf dem Vormarsch sind, wird die AfD gemieden, weil sie für Marine Le Pen in Frankreich, den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán und andere einwanderungsfeindliche Blöcke zu schädlich ist."

Ein Meinungsbeitrag in der "New York Times" warnt außerdem davor, dass die AfD das demokratische System in Deutschland zerstören möchte. Darin heißt es: "Das deutsche Grundgesetz enthält Bestimmungen, die es der Bundesregierung erlauben, eine Landesregierung abzusetzen, die demokratische Normen untergraben will." Auch wenn die Gesetzeslage unklar sei, würde es unvermeidlich erscheinen, dass eine AfD-Regierung eine Verfassungskrise heraufbeschwören würde. Eine Analyse der "LA Times" sieht dagegen ein "schmerzhaftes Muster" in Deutschland: "Wieder einmal steht eine rechtsextreme Partei, die für viele an die Nazi-Vergangenheit des Landes erinnert, vor einer beispiellosen Demonstration ihrer Stärke bei den Wahlen."

Kreml sieht AfD und Wagenknecht als Chance

Während also westliche Medien Deutschland größere Probleme nach den Landtagswahlen vorhersagen, gibt es wenige Länder, die einen möglichen Rechtsruck in Deutschland positiv sehen. Dazu zählt in erster Linie Russland. Die staatliche Nachrichtenagentur Tass sah schon im Europawahlergebnis eine "laute Ohrfeige" für die Ampel, das Neuwahlen und das Ende von Olaf Scholz (SPD) als Bundeskanzler auslösen sollte. Zwar berichten russische Medien nun vor den Landtagswahlen über Verbindungen der AfD- und BSW-Kandidaten zur SED und Stasi, aber sie versprechen sich von einem starken Wahlergebnis der Parteien, Druck auf die Bundesregierung und eine Russland-freundliche Politik.

In China dagegen spielen die Ost-Wahlen in der medialen Berichterstattung keine große Rolle, aber auch hier werden die möglichen Zugewinne der rechtspopulistischen AfD thematisiert. "China Daily", ein Sprachrohr der Kommunistischen Partei Chinas, schreibt in Bezug auf mögliche Wahlerfolge der Rechtspopulisten: "Sollte das passieren, könnte es zu Problemen kommen, da die anderen Parteien schon seit Langem eine "Firewall"-Politik verfolgen und Koalitionen ablehnen."

Mit "Firewall" ist in diesem Fall die sogenannte Brandmauer gemeint. Große Gefahren sehen chinesische Medien weder in der AfD noch in Wagenknecht. Vor allem die ehemalige Linkenpolitikerin fällt aus chinesischer Perspektive auf, weil sie die Nato ablehnt und die Ukraine nicht mehr mit Waffen unterstützen möchte. Das nationalistische Nachrichtenportal "Guancha" erklärt Wagenknechts Popularität damit: "Die Menschen wollen nicht in einen europäischen Krieg verwickelt werden."

Verwendete Quellen
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