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First Lady stürzt Spanien in Ungewissheit


Korruptionsaffäre
First Lady stürzt Spanien in Ungewissheit

Von dpa
Aktualisiert am 25.04.2024Lesedauer: 4 Min.
Pedro Sánchez und Begona GomezVergrößern des BildesSpaniens Regierungschef Pedro Sanchez zusammen mit seiner Ehefrau Begona Gomez beim Gipfeltreffen der Europäischen Politischen Gemeinschaft in der Alhambra in Granada. (Quelle: Álex Cámara/EUROPA PRESS/dpa/dpa-bilder)

Regierungschef Pedro Sánchez enthüllt Rücktrittsgedanken, die ganz Spanien in Aufruhr versetzen. Rückzug? Oder doch Schachzug? Das ewige "Stehaufmännchen" ist immer für eine Überraschung gut.

Umstrittene Aktivitäten der Ehefrau von Ministerpräsident Pedro Sánchez haben Spanien in große Ungewissheit gestürzt. Nach einer Korruptionsanzeige gegen seine Gattin Begoña Gómez verkündete Sánchez, er erwäge einen Rücktritt. Am Montag wolle er seine Entscheidung bekanntgeben, teilte der 52-Jährige gestern Abend mit. Der sozialistische Politiker, der die viertgrößte Volkswirtschaft der EU schon seit fast sechs Jahren regiert und in dieser Zeit viele Krisen überstand, beklagte eine Schlammschlacht.

Auf der Nachrichtenplattform X, vormals Twitter, gab Sánchez die Absage aller kommenden Termine bekannt, um darüber nachzudenken, ob es sich "lohnt, trotz des Sumpfes, in dem die Rechten und Rechtsextremen versuchen, Politik zu machen. Ob ich weiter an der Spitze der Regierung stehen oder von dieser hohen Ehre zurücktreten soll".

Damit löste der Regierungschef eine Welle der Spekulationen aus. Wird der Mann, der als politischer Überlebenskünstler, als "Stehaufmännchen" gilt und heftigste Widerstände außerhalb und auch innerhalb der eigenen Partei zu überwinden wusste, nun ausgerechnet über die eigene Ehefrau stolpern? Der staatliche Fernseh-Sender RTVE sprach von einem "Erdbeben".

Mögliche Szenarien

Folgende Szenarien sind möglich: Sollte Sánchez tatsächlich am Montag ohne Weiteres zurücktreten, müsste König Felipe VI. Konsultationen mit den Parteichefs zur Ernennung eines neuen Kandidaten auf den Posten des Regierungschefs aufnehmen, der anschließend vom Parlament akzeptiert werden müsste. Dies würde viel Zeit in Anspruch nehmen und das Land in einer komplizierten Zeit unter anderem mit den anstehenden Katalonien- und Europawahlen am 12. Mai und 9. Juni in den Pausenmodus versetzen.

Bis zur Wahl eines neuen Regierungschefs würde das Land von einer geschäftsführenden Regierung geleitet werden, deren Befugnisse stark eingeschränkt sein würden. Doch die meisten Analysten glauben nicht an einen Rückzug des gewieften Taktikers. "Das Werfen des Handtuchs passt nicht zu Sánchez", hieß es unisono in einer RTVE-Talkrunde. Er werde auch für den Trostpreis eines hohen Postens in Brüssel kaum aufgeben.

Die Analysten stimmen aber auch nahezu alle darin überein, dass Sánchez am Montag nach seinem Aufsehen erregenden "Brief an die Öffentlichkeit" auch nicht ohne Weiteres zur Tagesordnung werde übergehen können. Am wahrscheinlichsten sei, dass er dem Parlament die Vertrauensfrage stelle, schrieb unter anderem die Zeitung "La Vanguardia". "Selbst die schärfsten Kritiker räumen seine große strategische Fähigkeit ein, Kaninchen aus dem Hut zu zaubern und immer wieder aufzuerstehen, als er schon tot und begraben war."

Und eine Neuwahl? Möglich, wäre ja nicht das erste Mal. Der Sozialist war zuletzt nach den Regionalwahlen von Mai 2023 politisch totgesagt worden, als seine Partei PSOE und die gesamte Linke eine schlimme Pleite erlitten. Nur einen Tag nach dem Desaster zog der Ministerpräsident die eigentlich fürs Jahresende geplante Wahl vor - und hatte mit dem Schachzug Erfolg. Den Trick darf Sánchez gemäß Verfassung erst nach Ablauf eines Jahres wiederholen, also Einberufung am 29. Mai und Wahl Ende Juli - mitten im Sommer.

In ersten Reaktionen schlossen auch Politiker der konservativen Volkspartei PP einen Rücktritt des Regierungschefs aus. Es handele sich um eine neue Show, die Sánchez abziehe, sagte Senatsvizepräsident Javier Maroto. Sánchez wolle um jeden Preis an der Macht bleiben. "Er ist immer der Gute, alle anderen sind böse." Von Sánchez" Sozialistischer Partei (PSOE) und aus dem Ausland kamen derweil schnell viele Solidaritätsbekundungen.

First Lady im Blick und am Pranger

Neben Sánchez steht aber diesmal auch Begoña Gómez im Blick. Die First Lady versuchte sich stets dezent im Hintergrund zu halten, wurde aber in den sozialen Netzwerken immer wieder attackiert und von der Opposition der dunklen Geschäfte bezichtigt. Nun wurde sie von der Organisation "Manos Limpias" (Saubere Hände) bei einem Gericht in Madrid wegen Einflussnahme und Korruption in der Wirtschaft angezeigt.

Der 49-jährigen Marketingexpertin, die mit Sánchez zwei Töchter hat, wird vorgeworfen, ihre Position als First Lady geschäftlich ausgenutzt zu haben. Sie soll etwa Unternehmer für öffentliche Aufträge empfohlen haben. Und enge Kontakte zur Fluggesellschaft Air Europa unterhalten haben, die in der Pandemie mit Steuergeldern vor dem Bankrott gerettet wurde.

Umstrittene Organisation "Saubere Hände"

Die Anzeige ist derweil umstritten. "Manos Limpias" ist eine private Gruppe, die sich seit Jahren für rechtsgerichtete Anliegen einsetzt und unter anderem den Rechtspopulisten von Vox nahesteht. Heute beantragte die Staatsanwaltschaft beim zuständigen Gericht in Madrid die Einstellung der Vorermittlungen. Sie sah es wohl genauso wie RTVE-Starmoderatorin Silvia Intxaurrondo. Sie und auch andere Medien-Beobachter und Sánchez nahestehende Politiker stellten fest, die Anzeige basiere auf Berichten, die sich inzwischen zum Teil als falsch erwiesen hätten und teils von den verbreitenden Medien zurückgezogen worden seien. Über ein förmliches Ermittlungsverfahren entscheidet aber nur der Richter.

Intxaurrondo erinnerte daran, der linke Regierungschef António Costa sei in Portugal erst Ende 2023 über eine Justizermittlung gegen ihn gestürzt, die sich jetzt als haltlos erwiesen habe. Das Nachbarland wird nach einer Neuwahl von einer schwachen konservativen Regierung angeführt. Auch mit Blick über die Grenzen forderte die spanische Zeitung "El País" eine "ethische Erneuerung des öffentlichen Diskurses" sowie von Justiz und Medien.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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