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China verärgert über Baerbock: Peking reagiert auf Aussagen der Ministerin


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Baerbock-Reise
China verliert die Nerven


Aktualisiert am 12.01.2024Lesedauer: 8 Min.
Annalena Baerbock: Die deutsche Außenministerin besucht in Manila die philippinische Küstenwache.Vergrößern des Bildes
Annalena Baerbock: Die deutsche Außenministerin besucht in Manila die philippinische Küstenwache. (Quelle: Michael Kappeler/dpa)

Es könnte der nächste Krisenherd werden: Außenministerin Annalena Baerbock demonstriert mit ihrem Kurztrip nach Südostasien deutsche Solidarität mit Ländern, die von China bedroht werden. Peking reagiert prompt.

Patrick Diekmann berichtet aus Manila und Kuala Lumpur.

Manchmal ist Politik eine große Show. Und manchmal ist der Rummel so groß, dass er für eine deutsche Politikerin fast schon ein wenig unangenehm wird. Überall, wo Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) am Donnerstag auf den Philippinen auftaucht, erwarten sie Banner und Aufsteller mit überlebensgroßen Bildern von ihr. An vielen Orten ihrer zweitägigen Asienreise wird deutlich, wie wichtig die Kurzbesuche für die Gastgeber sind. Die Grünen-Politikerin betritt einen Raum, wird angekündigt wie ein Popstar, beim Gang zu ihrem Platz läuft dramatische Musik.

Im Zuge geopolitischer Verwerfungen, des Konflikts des Westens mit Russland und China, muss auch Deutschland seine wirtschaftlichen Interessen im Indopazifik schützen. Auch deshalb hat sich Baerbock für einen Kurztrip nach Südostasien entschieden, trotz der Kriege in der Ukraine und in Israel, und zwar direkt aus dem Nahen Osten, ohne Verschnaufpause, zwei Nächte im Flieger, eine im Hotel. In Südostasien geht es dabei viel um Symbolik. Es soll ein weiterer fataler Krieg verhindert werden.

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Auf den Philippinen, in Malaysia und Singapur will Deutschland Präsenz in einer Region demonstrieren, die zum nächsten globalen Krisenherd werden könnte. Durch die aggressive chinesische Expansionspolitik im Südchinesischen Meer droht dort das nächste sicherheitspolitische Beben, insbesondere dann, wenn der Westen wegsieht. Auch für Baerbock geht es darum, eine Explosion zu verhindern.

Gefährliche Manöver auf hoher See

Deutschland hat die Region viele Jahre vernachlässigt. Der letzte deutsche Außenminister, der die Philippinen besuchte, war Guido Westerwelle (FDP) im Jahr 2013. Im Fall von Malaysia ist es ähnlich.

In der philippinischen Hauptstadt Manila kritisierte Baerbock am Donnerstag Chinas aggressives Vorgehen im Südchinesischen Meer und forderte die Volksrepublik zur Einhaltung internationalen Rechts auf. Riskante Manöver der chinesischen Küstenwache "stellen für Länder weltweit die völkerrechtlich verbriefte Freiheit der Seewege infrage", sagt die Grünen-Politikerin bei einem Treffen mit ihrem philippinischen Kollegen Enrique Manalo. Und das "in einem Gebiet, durch das ein Drittel des globalen Seehandels fließt."

China beansprucht 85 Prozent des Südchinesischen Meeres für sich. Dabei schickte Peking in der Vergangenheit Fischer, die Riffe und Atolle völkerrechtswidrig besetzen. Das Militär schüttet künstliche Inseln auf, um Stützpunkte darauf zu errichten. Immer wieder kommt es zu brenzligen Situationen auf hoher See, bei denen Schiffe der chinesischen Küstenwache oder der Kriegsmarine philippinische, vietnamesische oder indonesische Schiffen abzudrängen versuchen. Gelegentlich kollidieren bei diesen Manövern Schiffe, einige sinken, die Besatzungen müssen gerettet werden.

"Die Vorfälle der letzten Monate, bei denen die chinesische Küstenwache mit Lasern und Wasserwerfern gegen philippinische Versorgungsschiffe vorging und es sogar zu Kollisionen kam, bereiten uns auch Tausende Kilometer entfernt in Europa Sorge", sagt Baerbock auf den Philippinen. Solche riskanten Manöver verletzten Rechte und wirtschaftliche Entfaltungsmöglichkeiten der Philippinen und anderer Anrainer. Zugleich ruft sie zu politischen Lösungen auf: "Jetzt ist es wichtig, Mechanismen aufzubauen, um die Spannungen gemeinsam auf friedliche Weise zu lösen."

Baerbock weist chinesische Ansprüche zurück

Der Westen ist durch die Konflikte in der Ukraine und in Israel schon jetzt nahe der politischen und finanziellen Überforderung. Die USA befinden sich im Wahlkampf und es gibt neben ihnen in der westlichen Hemisphäre keine andere militärische Ordnungsmacht mit annähernd vergleichbarem Einfluss. Eine Eskalation im Südchinesischen Meer soll deshalb aus westlicher Perspektive um jeden Preis verhindert werden.

Aber wie? Immerhin hält China an seinen Ansprüchen im Südchinesischen Meer fest und aus dem Ziel einer im Zweifel gewaltsamen Wiedervereinigung mit Taiwan macht der chinesische Präsident Xi Jinping ebenfalls kein Geheimnis. Baerbock weist die chinesischen Gebietsansprüche zurück. Sie betont am Donnerstag, dass das Internationale Schiedsgericht in Den Haag schon 2016 "klipp und klar" festgestellt habe: "Solche Ansprüche sind nicht vom Völkerrecht gedeckt." Der Internationale Schiedsgerichtshof hatte Chinas Gebietsansprüche damals zurückgewiesen.

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Peking ignoriert das Urteil, denn die Volksrepublik möchte einerseits die nahen Handelswege – die Achillesferse der eigenen Wirtschaft – kontrollieren, um die Versorgung Chinas mit Rohstoffen auch in Krisenzeiten sicherzustellen. Andererseits ist die Territorialfrage im südchinesischen Meer für Xi längst zu einem ideologischen Kampf geworden: das moderne China gegen die ungerechten Grenzziehungen der einstigen Kolonialisten.

Supermächte konkurrieren um Kontrolle wichtiger Seewege

Das militärische Ungleichgewicht gegenüber der Volksrepublik könnte kaum größer sein. Auf der einen Seite: die Atommacht China. Seit Jahren rüstet Peking sein Militär auf, hat nach den USA mittlerweile die zweitgrößte Armee der Welt und global die Marine mit den meisten Schiffen. Die philippinische Küstenwache dagegen verfügt über 28 Schiffe und zwei Helikopter. Das Militär wäre auch kein Gegner.

Trotz militärischer Überlegenheit ändern sich die Rahmenbedingungen im Indopazifik langsam zu Ungunsten Pekings. Es sind zwar viele Länder in der Region wirtschaftlich von der Volksrepublik abhängig, aber China hat nur wenige strategische Partner – und noch weniger wirklich enge Verbündete. Stattdessen gibt es vor allem eines in Südostasien: Misstrauen gegenüber der aufstrebenden Supermacht.

Davon profitieren auch westliche Staaten wie die USA und Deutschland. In dem Konflikt um die Kontrolle der Seewege im Indopazifik und besonders im Südchinesischen Meer geht es auch um die Kontrolle der Herzkammer des Welthandels. Deswegen bauen die US-Streitkräfte seit Jahren ihre militärische Präsenz in der Region aus. Aber perspektivisch ist die Strategie eine andere.

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China kann sich Eskalation nicht leisten

Die Vereinigten Staaten und ihre westlichen Partner stärken sogenannte Wertepartner in der Region. So rüsten Länder wie Japan, Australien oder auch Südkorea militärisch auf und bilden perspektivisch ein militärisches Gegengewicht zu China. Außerdem geht es um eine bessere Zusammenarbeit der Staaten in der chinesischen Nachbarschaft, die sich von der Volksrepublik militärisch bedroht fühlen.

Die Strategie geht schon jetzt teilweise auf. China verliert langsam immer mehr an Einfluss, weil kleinere Staaten beispielsweise ihre Wirtschaftssysteme widerstandsfähiger und von China unabhängiger machen. Auch in Bezug auf die militärischen Muskelspiele Chinas im Südchinesischen Meer geben sich die Inselstaaten zunehmend selbstbewusst, ihre Staatsgebiete zu verteidigen. Die Volksrepublik dagegen – wirtschaftlich immer noch sehr angeschlagen durch die Folgen der Corona-Pandemie – kann sich eine weitere Eskalation mit dem Westen derzeit eigentlich nicht leisten.

Baerbock besichtigt am Donnerstag im Hafen von Manila ein Schiff der philippinischen Küstenwache und kündigt einen Ausbau der Kooperation beim Küstenschutz an. Schon jetzt unterstütze Deutschland die Philippinen im Rahmen einer Ertüchtigungsinitiative im Pazifik mit Aufklärungsdrohnen. Aber es gehe nicht nur um weitere Drohnen, sondern auch um Training und regionale Zusammenarbeit. "Das stärkt die maritime Sicherheit und die regelbasierte internationale Ordnung", so die deutsche Außenministerin.

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Baerbock lässt es sich am Donnerstag nicht nehmen, bei der philippinischen Küstenwache eine Drohne aus Deutschland zu fliegen, ein durchaus riskantes Manöver. Ein versehentlich falscher Ruck am Steuer hätte im schlimmsten Fall dazu führen können, dass die Drohne die umstehenden Fotografen und Kameraleute verletzt. Aber alles geht gut, Baerbock startet, landet wenige Sekunden später, die Küstenwache in Manila applaudiert. Sie hofft nun auf weitere Technologie aus Deutschland.

Deutschland hat wirtschaftliche Interessen in der Region

Quantitativ fällt die deutsche Unterstützung mit Blick auf China für die Philippinen kaum ins Gewicht. Doch es geht um die Symbolik: Jeder Besuch und jede noch so kleine Unterstützung ist dementsprechend ein Signal der Solidarität mit den Philippinen, Malaysia oder etwa auch Vietnam.

Die Freude darüber steht dem philippinischen Außenminister Manalo am Donnerstag bei jedem Wort Baerbocks ins Gesicht geschrieben. Er bedankt sich für die Unterstützung beim Eintreten für das Völkerrecht vor den Vereinten Nationen. Es sei nötig, in der internationalen Gemeinschaft ein stärkeres Bewusstsein für die Bedeutung der Rechtsstaatlichkeit und der Wahrung des Völkerrechts zu schaffen, um Frieden und Stabilität in der Region und weltweit zu schaffen. Das ist alles mit Blick auf die Angst vor China zu verstehen.

Allerdings hat Deutschland auch knallharte wirtschaftliche Interessen in der Region. Die Philippinen haben knapp 114 Millionen Einwohner. Malaysia hat 34 Millionen Einwohner. Beide Länder haben ein hohes wirtschaftliches Potenzial, das genutzt werden kann, damit sich die deutsche Wirtschaft breiter aufstellen und aus der Abhängigkeit von China lösen kann. Baerbock wirbt vor allem auf den Philippinen für den Austausch von Fachkräften, die in der Bundesrepublik etwa im Gesundheits- und Pflegebereich dringend gesucht werden. Die Menschen dort sprechen gut Englisch, weshalb sie sich einfacher in den Arbeitsmarkt integrieren ließen.

Die Philippinen und Malaysia können sich zudem durch den Ausbau der wirtschaftlichen Beziehungen zu Deutschland auch ein Stück weit aus der Abhängigkeit von China lösen. Es profitieren von dem Ausbau der Beziehungen demnach alle Seiten, nur eben Peking nicht.

China reagiert verärgert

Und China verliert zunehmend die Nerven. Aus Pekings Perspektive ist Baerbock im Vorgarten – also dem Einflussbereich – der Volksrepublik unterwegs, und in den vergangenen Jahren musste die chinesische Führung dabei zusehen, wie ihr Einfluss in der eigenen Nachbarschaft schwindet. Das erklärt auch die verärgerte Reaktion der Chinesen am Donnerstag.

Das Außenministerium in Peking reagiert umgehend auf die Äußerungen Baerbocks. Sprecherin Mao Ning erklärt, Länder, die nicht zu der Region gehörten, hätten kein Recht, sich in die Angelegenheiten Chinas und relevanter Staaten im Südchinesischen Meer einzumischen. China sei bereit, Unstimmigkeiten mittels Dialog beizulegen. Peking werde jedoch seine territoriale Souveränität verteidigen.

Die Volksrepublik glaubt, in bilateralen Verhandlungen in der Region besser Druck auf kleinere Staaten ausüben zu können. Deshalb ist der chinesischen Führung eine Zusammenarbeit dieser Länder und eine Einmischung des Westens ein Dorn im Auge. Aber viel dagegen unternehmen kann die Volksrepublik nicht, China ist in der Defensive.

Nicht ohne Eigeninteresse: Deutschland stärkt Brücken in der Region

Nun geht es auch für Deutschland darum, das Fundament der Brücken zu den Ländern in der Region zu festigen. Auf den Philippinen scheint dieses Fundament besonders stabil, denn sie vertreten angesichts der Krisen in der Ukraine und in Israel ähnliche Positionen wie Deutschland.

In Malaysia dagegen verhält es sich etwas anders. Ihr sei es wichtig, "den Blick eines mehrheitlich muslimisch geprägten Landes auf den Krieg im Nahen Osten besser zu verstehen – und auch für unsere Sichtweise zu werben", meint Baerbock vor ihrer Abreise. In der malaysischen Hauptstadt Kuala Lumpur trifft sie dann Vertreterinnen und Vertretern muslimischer Organisationen. Im Anschluss stehen Treffen mit ihrem Amtskollegen Mohamad Hasan und Ministerpräsident Anwar Ibrahim auf dem Programm.

Doch auch hier geht es um deutsche Wirtschaftsinteressen. Malaysia sei wichtigster Handelspartner Deutschlands in Südostasien und seit vielen Jahren ein bedeutender Investitionsstandort für deutsche Unternehmen sowie ein Zukunftsmotor für die notwendige Diversifizierung von Lieferketten, erklärt Baerbock am Freitag (Ortszeit).

Bei ihren Gesprächen mit ihrem malaysischen Amtskollegen wird wie erwartet deutlich, dass das Land eine andere Perspektive auf den Krieg in Israel hat. Für Malaysia kämpft die Terrororganisation Hamas einen Befreiungskampf, hier fordert man eine umgehende Waffenruhe zum Schutz der palästinensischen Bevölkerung. "Deutschland steht unverbrüchlich an der Seite Israels und will das Leid in Gaza lindern und das müssen wir in allen Teilen der Welt immer wieder deutlich machen", sagt Baerbock nach den Gesprächen in Kuala Lumpur in einem Pressestatement.

Es geht also auch um Verständigung und Dialog mit Ländern, die in Einzelfragen andere Positionen haben als Deutschland. Auch das dient dazu, Partnerschaften zu pflegen.

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Denn in jedem Fall ist Aufmerksamkeit eine Währung in der internationalen Politik, die vor allem eines kostet: Zeit. Doch wollen westliche Länder wirtschaftlich stark bleiben und in internationalen Institutionen gegenüber Mächten wie Russland oder China Mehrheiten behalten, ist das genau der Preis, den sie zahlen müssen. Diese Aufmerksamkeit gibt vielen kleineren Ländern Sicherheit, selbst wenn sie sich im Schwitzkasten einer Supermacht befinden.

Verwendete Quellen
  • Begleitung der Reise von Außenministerin Baerbock nach Südostasien
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