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Wahlen in Polen: Regierungspartei PiS vorn – verliert aber Mehrheit an Tusk


Parlamentswahl in Polen
"Zurück nach Europa!" – Tusk glaubt an Wahlsieg

Von t-online, dpa, afp, sic

Aktualisiert am 16.10.2023Lesedauer: 4 Min.
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Oppositionsführer Donald Tusk: Seine Bürgerkoalition (KO) könnte die Regierungspartei PiS in Polen ablösen. (Quelle: IMAGO/Wojciech Olkusnik/imago-images-bilder)
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Am Sonntag haben die Bürger Polens über ihr Parlament abgestimmt. Erneut gewinnt die Regierungspartei PiS. Dennoch könnte es zu einem Machtwechsel kommen.

Selten ist ein zweiter Platz so bejubelt worden. "Ich bin heute der glücklichste Mensch auf der Welt", sagte Polens Oppositionsführer Donald Tusk am Wahlabend in Warschau. "Polen hat gewonnen, die Demokratie hat gewonnen. Das ist das Ende der PiS-Regierung."

Die nationalkonservative Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) hat Polen seit acht Jahren regiert. Nach der Parlamentswahl vom Sonntag sind nun drei proeuropäische Oppositionsparteien zuversichtlich, dass sie eine Regierungsmehrheit zusammenbekommen und die PiS-Regierung bald Vergangenheit ist. "Am 15. Oktober kommt Polen nach Europa zurück", jubelte auch Robert Biedron vom Linksbündnis Lewica bei der Wahlparty.

Nach ersten Prognosen landet Tusks liberalkonservative Bürgerkoalition (KO) mit 31,6 Prozent auf dem zweiten Platz. Das ergäbe 163 Abgeordnetenmandate. Somit könnte die Bürgerkoalition mit dem christlich-konservativen Dritten Weg (13 Prozent) und Lewica (8,6 Prozent) als Juniorpartnerin eine Koalition bilden. Das Dreierbündnis käme zusammen auf 248 der insgesamt 460 Sitze und hätte damit eine Mehrheit im Parlament. "Wir warten jetzt auf das offizielle Ergebnis, setzen uns hin, reden und werden uns bestimmt einig", so ein optimistischer Tusk im Sender TVN24.

Auch Kaczynski spricht von einem "großen Erfolg"

Bleierne Gesichter unterdessen in der Parteizentrale der PiS. Mit eingefrorener Mimik und verkrampftem Lächeln verfolgten Ministerpräsident Mateusz Morawiecki, Verteidigungsminister Mariusz Blaszczak und andere die Rede des Parteivorsitzenden Jaroslaw Kaczynski.

Die PiS wird zwar laut Prognosen mit 36,8 Prozent die stärkste politische Kraft, aber sie verfehlt die absolute Mehrheit und wird 200 Abgeordnete stellen. Und mit einem Koalitionspartner wird es auch schwierig. Hier lesen Sie mehr zur Parteienlandschaft Polens und den Optionen für eine Regierungsbildung.

Ungerührt von der Katerstimmung um ihn herum sprach Kaczynski von einem "großen Erfolg" und schwor seine Gefolgschaft auf den Kampf ein: "Unabhängig davon, ob wir an der Macht sind oder in der Opposition, wir werden dieses Projekt umsetzen und nicht zulassen, dass Polen verraten wird."

Indirekt gestand der 74-Jährige damit allerdings ein, dass er einen Gang in die Opposition nicht ausschließt. Denn der einzige Koalitionspartner, der für die PiS infrage käme, wäre die ultrarechte Konfederacja. Doch die Formation kommt in den Prognosen auf 6,2 Prozent und 12 Abgeordnete – das reicht nicht. Zudem haben die Ultrarechten im Wahlkampf immer erklärt: keine Koalition mit der PiS.

Bei der Wahl wurde über die Verteilung der 460 Abgeordnetenmandate im Sejm sowie über die 100 Sitze im Senat, der zweiten Kammer des Parlaments, abgestimmt. Hochrechnungen sind in Polen nicht üblich. Das Endergebnis soll voraussichtlich erst am Dienstag bekannt gegeben werden.

Das Kräfteverhältnis im Parlament kann sich noch durch Nuancen von wenigen Prozentpunkten für kleinere Parteien verschieben. Erwartet wird eine langwierige Regierungsbildung.

Hohe Wahlbeteiligung in Polen

Die Wahl stieß auf ungewöhnlich großes Interesse: Laut Prognosen liegt die Wahlbeteiligung bei 73 Prozent – das wäre der höchste Wert seit dem Ende des Kommunismus 1989. Auch bei dieser Parlamentswahl setzt sich der Trend zu einer klaren Ost-West-Teilung des Wählerwillens fort: Die Liberalkonservativen können laut Prognose die Regionen im Westen des Landes für sich gewinnen. In einem Bogen von Pommern bis nach Schlesien und entlang der deutsch-polnischen Grenze punktet die KO. Auch die großen Städte sind ihre Hochburgen, Die PiS hingegen erringt einmal mehr im Süden und Osten von Polen Mehrheiten. Das offizielle Wahlergebnis will die Wahlkommission bis Dienstag bekannt geben.

Auch in Berlin standen polnische Wähler vor der Botschaft des Landes an, um ihre Stimme abzugeben. Die Botschaft veröffentlichte Bilder auf der Plattform X (ehemals Twitter) und schrieb, dass mehr als 100.000 Polen in Deutschland abstimmen wollten. Der Andrang an der Botschaft und anderen Wahllokalen sei groß, doch die Abstimmung verlaufe reibungslos und friedlich.

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Bürger stimmten auch über Asyl-Referendum ab

Parallel zur Parlamentswahl stimmten die Polen in einem Referendum über vier Fragen ab. Eine davon befasste sich mit dem EU-Asylkompromiss. Dieser sieht vor, dass die Aufnahme von Flüchtlingen künftig nicht mehr freiwillig, sondern verpflichtend sein soll. Länder, die keine Flüchtlinge aufnehmen wollen, würden zu Ausgleichszahlungen gezwungen. Die PiS-Regierung lehnt das ab.

Die konkrete Frage beim polnischen Referendum lautete: "Unterstützen Sie die Aufnahme von Tausenden illegalen Einwanderern aus dem Nahen Osten und Afrika nach dem von der europäischen Bürokratie auferlegten Mechanismus der verpflichtenden Aufnahme?" Der Ausgang der Volksabstimmung hat keinen Einfluss auf den EU-Entscheidungsprozess. Die anderen Fragen befassen sich mit der Privatisierung staatlicher Unternehmen, dem Renteneintrittsalter und der Barriere an Polens Grenze zu Belarus.

Was nun folgt

Nach dem Wahlgang und der Ergebnisverkündung folgt nun der nächste Schritt. Die polnische Verfassung sieht vor, dass der Präsident einen Politiker mit der Regierungsbildung beauftragt. Staatsoberhaupt Andrzej Duda hat bereits vor der Wahl angedeutet, dass er sich an die politische Gepflogenheit halten wird, einem Vertreter der stärksten politischen Kraft diesen Auftrag zu erteilen.

Das vorgeschlagene Kabinett muss dann vom Parlament bestätigt werden. Scheitert dies, weil keine Mehrheit zustande kommt, kann das Parlament mit seiner Mehrheit eine Regierung bilden. Und dann schlägt wahrscheinlich die Stunde von Donald Tusk. Doch bis dahin können noch einige Wochen der Unsicherheit vergehen.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagenturen dpa und AFP
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