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Baerbock kontert Lawrow scharf: "Sie werden diesen Krieg nicht gewinnen"


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Erster Auftritt im UN-Sicherheitsrat
Wie Baerbock Lawrow konfrontiert

  • Bastian Brauns
Von Bastian Brauns, New York

Aktualisiert am 24.09.2022Lesedauer: 5 Min.
"Stoppen Sie diesen Krieg!": Annalena Baerbock im UN-SicherheitsratVergrößern des Bildes
"Stoppen Sie diesen Krieg!": Annalena Baerbock im UN-Sicherheitsrat. (Quelle: IMAGO/Florian Gaertner)
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Mitten in der russischen Eskalation treffen Annalena Baerbock und Sergeji Lawrow im UN-Sicherheitsrat aufeinander. Die Begegnung verläuft nicht wie erhofft.

Wie ernst die Lage ist, lässt sich manchmal an ganz einfachen Gesten ablesen. So war es etwa bei einem anberaumten Treffen der G7-Außenminister in New York am Vorabend der Sitzung des Sicherheitsrates. Deutschland hat aktuell die G7-Präsidentschaft, Annalena Baerbock hatte deshalb ihre Amtskollegen zum Dinner im Lotte Palace Hotel unweit der Vereinten Nationen geladen. Dort finden in diesen Tagen viele Treffen neben der UN-Generalversammlung statt. Es sind die wirklich wichtigen Besprechungen.

Im Video hier oder oben sehen Sie Lawrows Rede und wie Baerbock darauf reagierte.

Eigentlich hatte der US-Außenminister Antony Blinken früher gehen wollen. Ein Empfang seines Präsidenten Joe Biden im American Museum of Natural History stand auf dem Programm. Alles war darauf ausgerichtet. Selbst das G7-Familienfoto sollte so organisiert sein, dass Blinkens Wünsche berücksichtigt werden können.

Doch Putins Rede zur Teilmobilisierung und zu Referenden in den besetzten Gebieten verändert alles. Blinken blieb. Viel länger als geplant. Baerbock, Blinken und die anderen G7-Kollegen haben viel zu besprechen. Wie soll man auf das russische Vorgehen reagieren?

Ist Putin geschwächt oder gefährlich oder beides?

Es ist eine entscheidende Frage. Einerseits wirkt Putin geschwächt. Andererseits würde eine offizielle Annektierung der besetzten Gebiete durch Russland die Lage empfindlich verändern. Der Kreml könnte zumindest aus seiner Perspektive jeglichen Angriff auf diese ukrainischen Regionen als Attacke auf das eigene Staatsgebiet werten. Was dann, wenn die eigentlich ukrainischen Oblasten plötzlich unter dem russischen Nuklearschirm stehen?

Nach außen hin geben sich die Diplomaten der westlichen Staaten geeint, deutlich in der Verurteilung Putins, aber auch betont gelassen. Die neuerlichen Provokationen des Präsidenten werden abgetan als weitgehend leere Drohungen eines strauchelnden Herrschers. Neben andauernden Waffenlieferungen setzt man nun auch auf die russische Bevölkerung.

Annalena Baerbock lobt am Donnerstagmorgen in New York ausdrücklich die Demonstranten in mehreren russischen Stätten. "Der Mut, den diese Menschen aufbringen, ist bemerkenswert", sagte sie. Weil nun prinzipiell jeder Russe durch die Teilmobilisierung betroffen sein könnte, sei auch dort nun jedem klar, dass Russland Krieg gegen seinen Nachbarn führe und keine Spezialoperation, so Baerbock.

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Erster Auftritt im UN-Sicherheitsrat

Baerbock hat es eilig. Sie muss, sie darf im UN-Sicherheitsrat sprechen. Es ist Baerbocks erster Auftritt als Außenministerin in diesem Gremium, der heute hochrangig mit ihren Amtskolleginnen und Amtskollegen besetzt ist. Auf Einladung des ständigen Mitglieds und Vorsitzes Frankreich nimmt die deutsche Außenministerin Platz. Erst im Zuschauerraum. Dann tritt sie an den Tisch. US-Außenminister Antony Blinken ist anwesend sowie Baerbocks chinesische und indische Kollegen Wang Yi und Subrahmanyam Jaishankar .

Sie alle trifft die deutsche Außenministerin in diesen Tagen auch persönlich in New York. Besonders die Gespräche mit Indien und China gelten als wichtig. In der deutschen Diplomatie ist man überzeugt: Beide Staaten sind alles andere als glücklich über Putins bewusste weitere Eskalation, ausgerechnet in der Woche der UN-Generalversammlung.

Zwischen Lawrow und Baerbock bleibt es frostig

Auch Sergej Lawrow, Putins Außenminister, ist anwesend. Die kurze, frostige Beziehung zwischen ihm und Baerbock begann mit ihrer Reise nach Moskau. Es war Mitte Januar, als der russische Außenminister neben der rund 30 Jahre jüngeren Amtskollegin stand und sagte: "Wir bedrohen niemanden!" Was die gerade erst ins Amt eingeführte deutsche Außenministerin dann entgegnete, ging um die Welt. "In der letzten Woche haben sich 100.000 russische Soldaten in der Nähe der ukrainischen Grenze versammelt ohne nachvollziehbaren Grund, und es ist schwer, das nicht als Bedrohung zu verstehen."

Von einer Bewährungsprobe war damals vorab geschrieben worden. Ihr deutlicher Auftritt brachte Baerbock Respekt ein. Über zwei Stunden redete sie mit Lawrow, um eine russische Invasion noch irgendwie abzuwenden. Vergeblich.

Inzwischen ist es Ende September, Tausende Tote in der Ukraine gehen auf das Konto von Sergej Lawrow und Wladimir Putin. Seit Januar hat Baerbock ihren russischen Kollegen nicht mehr getroffen. Bewusst vermied Baerbock gemeinsame Bilder. Beim G20-Außenminister-Treffen im Juli in Indonesien hatte Lawrow die Sitzung demonstrativ verlassen und war vorzeitig abgereist, als Annalena Baerbock Russland wegen des Ukraine-Krieges kritisierte.

Eine Frage, die sich am Donnerstag viele stellen: Wird Lawrow dieses Mal sitzen bleiben oder wird er einmal mehr seine Verachtung zeigen?

Lawrow hetzt weiter

Tatsächlich scheint der russische Außenminister einmal mehr nur gekommen zu sein, um der Welt seine Sicht und die des russischen Präsidenten darzulegen. Er beklagt sich in seinem Statement über "Nazis und Russophobe" in der Ukraine. Bücher würden in der Ukraine verbrannt, "wie in Nazi-Deutschland". Lawrow, in dessen Land Journalisten ermordet, Zeitungen und TV-Sender geschlossen werden, beschwert sich darüber, dass Journalisten in der Ukraine angeblich verfolgt würden.

Er greift einen "zynischen", "kollektiven" Westen mit seiner "Militärmaschinerie" an, der die Ukraine "mit Waffen vollpumpen" würde, um Russland zu schwächen. "Dies bedeutet eine direkte Beteiligung an dem Konflikt", droht Lawrow. Eine besonders zynische Bemerkung scheint er in Richtung der deutschen Außenministerin zu schicken, die am Vormittag noch ein Treffen zu feministischer Außenpolitik in der deutschen Vertretung gegenüber der UN abgehalten hatte. In der Ukraine würden sogar "Frauen dazu gezwungen zu kämpfen".

"Sie werden diesen Krieg nicht gewinnen"

Als die deutsche Außenministerin an den Tisch tritt, um zu dem Gremium zu sprechen, ist Lawrow verschwunden. Wieder hat er die Sitzung verlassen. Ob er Baerbock, dem ukrainischen Außenminister Kuleba oder der ganzen Institution seine Verachtung zeigen wollte, bleibt sein Geheimnis.

Davon unbeirrt fängt die deutsche Außenministerin an. Hinter ihr sitzt die deutsche Botschafterin bei den UN, Antje Leendertse. Baerbocks erste Worte lauten "Butscha, Mariupol, Isjum". Der Horror der Massaker in der Ukraine, das seien keine abstrakten Berichte. Es gehe um Kinder, Mütter, Brüder, um Väter und Großeltern und ihren Schmerz. "Ich ermahne Russland", sagt Baerbock und dreht ihren Kopf zur Seite, wo Lawrow nicht mehr sitzt, sondern sein Stellvertreter Sergej Werschinin. "Sie werden diesen Krieg nicht gewinnen. Darum: Beenden Sie diesen Krieg!"

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Russland soll das Leiden in der Ukraine beenden. "Hören Sie auf, Ihre eigenen Bürger in den Tod zu schicken und stoppen Sie Ihre beschämenden Referenden!" Die seien genauso unrechtmäßig wie der Krieg selbst, so Baerbock.

Sie versucht darzulegen, wie Russlands Krieg die ganze Welt in Mitleidenschaft ziehen würde. Es ist ihr Versuch, einmal mehr auch jene Staaten zu überzeugen, die nicht in direkter geografischer Nähe liegen. Denn auch sie weiß, Russland versucht, mit einer Erzählung in diesen Staaten an Boden zu gewinnen: Die westlichen Sanktionen seien Schuld am Hunger in der Welt. Baerbock betont die deutschen Finanzhilfen für Getreidelieferungen in afrikanische Staaten.

Das Diplomaten-Duell zwischen Lawrow Baerbock bleibt eine Disziplin des Schattenboxens. Es liegt nicht an der deutschen Außenministerin. Es kneift der Kreml. Baerbock weicht von ihrem vorbereiteten Redemanuskript ab, als sie plötzlich auf Lawrow eingeht: "Ich denke, es sendet ein klares Signal, dass der russische Außenminister nur für seine eigene Rede gekommen ist. Dann hat er auch noch so lange gesprochen, aber hat nicht einmal den Hunger, die Armut, die Folgen dieses Krieges auf der ganzen Welt erwähnt."

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen und Beobachtungen in New York
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