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Lawrow gegen Baerbock beim G20-Treffen: Die Machtprobe von Bali


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Lawrow gegen Baerbock
Die Machtprobe von Bali

Von Fabian Reinbold, Bali

Aktualisiert am 08.07.2022Lesedauer: 4 Min.
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G20: Baerbock kritisiert Lawrow stark und wirft ihm Gesprächsverweigerung vor. (Quelle: reuters)
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Russlands Außenminister Sergei Lawrow nutzt das G20-Treffen für seine Zwecke – Annalena Baerbock macht der Frust erfinderisch.

Am Ende trieb der Frust Annalena Baerbock zu einer kreativen Zählweise. "Alle 19 Staaten" seien sich einig gewesen, betonte die deutsche Außenministerin, dass der Krieg in der Ukraine beendet werden müsse. Alle 19 Staaten?

Gerade ging hier doch das G20-Treffen im indonesischen Bali zuende und Baerbock zog ein Fazit am Pool des Tagungshotels. Und während das Wasser plätscherte und Polizeihubschrauber über sie hinweg ratterten, wurden aus den G20 die G19. Russland war für Baerbock nicht mehr dabei.

Wenige Stunden zuvor war ihr der russische Außenminister Sergei Lawrow in die Parade gefahren. Und nun lautete ihr Fazit: Moskau sei schlichtweg "am Austausch mit den G19-Partnern nicht interessiert".

Das Ringen geht in eine neue Phase

Die globalen Spannungen wegen des Ukraine-Krieges waren bei diesem G20-Außenministertreffen in keinem Moment zu übersehen. Normalerweise ist dieses diplomatische Format nicht besonders schlagzeilenträchtig, doch im Jahr 2022 ist das anders. Die Verwerfungen durchzogen das Treffen vom Empfang am Vorabend bis zu den Abschlussstatements am Freitagnachmittag (Ortszeit).

Gewissermaßen hat die Veranstaltung in Bali eine neue Phase im Ringen zwischen dem Westen und Russland markiert: Moskau sitzt nach Monaten der diplomatischen Isolation wieder am Tisch – zumindest so lange, wie es das auch will. Denn Lawrow nutzte seinen ersten derartigen Auftritt seit Kriegsbeginn vor allem dazu, vorzeitig aufzustehen und abzureisen.

Wie unter einem Brennglas zeigten die 24 Stunden auf Bali die große Machtprobe zwischen dem Westen und Russland – und die Ereignisse in Indonesien warfen die Frage auf, wer da gerade eigentlich die Oberhand hat.

Hin und Her zwischen Baerbock und Lawrow

Hier Annalena Baerbock, 41 Jahre alt, erst seit sieben Monaten deutsche Außenministerin, aber schon seit Langem mit klarer Haltung zu Putins Russland. Sie will eine wertegeleitete und feministische Außenpolitik machen. Und dort der klassische Macho: der 72-jährige Lawrow, seit 2004 Russlands Außenminister, der für ruchlose Realpolitik steht und bei internationalen Treffen wie diesem auf viele Tricks und Manöver zurückgreifen kann.

Zunächst trumpfte Baerbock auf. Sie machte schon vor dem Gipfel klar, dass sie unter keinen Umständen den russischen Erzählungen die Bühne überlassen wollte – oder auch nur im Entferntesten dem Anschein Auftrieb verleihen wollte, dass es eine neue Normalität im Verhältnis zu Moskau geben könnte.

Zum einen wollte sie kein Bild mit Lawrow, das als solche Normalität hätte interpretiert werden könnten. Sie erschien deshalb nicht zum Empfang am Donnerstagabend und drückte die Hintergründe sehr deutlich aus:

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Es waren wieder einmal schärfere Worte an den Kreml, als sie in der Regel von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zu hören sind.

Baerbocks Plan wird durchkreuzt

Zum anderen hatte Baerbock es eingefädelt, dass sie aufgrund ihrer Rolle als G7-Vorsitzende eine direkte Antwort halten werde. Nach ihrer Ankunft in Bali kündigte sie an, sie werde auch in der direkten Konfrontation mit Lawrow "sehr deutliche Worte finden, dass wir diesen Bruch des internationalen Völkerrechts nicht akzeptieren". Ausdrücklich wollte sie sich auch spontane Entgegnungen vorbehalten auf das, was auch immer Lawrow konkret äußern würde.

Doch dazu kam es nicht. Lawrow schlug Baerbock ein Schnippchen, indem er nach seinem kurzen Statement umgehend den Sitzungssaal verließ.

Schon während Baerbock noch auf ihrem 18-stündigen Anflug war, hatte der Russe sein Narrativ gesetzt. Er traf sich zum Zweiergespräch mit seinem chinesischen Amtskollegen Wang Yi – eine Verbindung, die im Westen mit großer Sorge betrachtet wird.

Mit der Propaganda kommt er nicht weit

Lawrow informierte diesen dabei, wie es in der Sprachregelung des Außenministeriums in Moskau verbreitet wurde, "über die Umsetzung der wichtigsten Aufgaben des militärischen Sondereinsatzes in der Ukraine", deren Ziel die "Entnazifizierung" des Landes sei.

Doch mit dieser Propaganda kam Lawrow auf dem G20-Treffen nicht weit. Schon beim Willkommen auf dem roten Teppich erwischte ihn die Realität – und diese lautet nicht "Sondereinsatz" oder "Entnazifizierung", sondern schlichtweg: Krieg.

Als der Russe sich neben der Gastgeberin, Indonesiens Außenministerin Retno Marsudi, positioniert hatte, rief ein deutscher Journalist ihm laut entgegen: "Wann beenden Sie den Krieg?" Lawrow hörte das, verzog aber keine Miene. Die indonesischen Sicherheitskräfte, die darauf bedacht waren, jede Art von Eklat zu vermeiden, verwiesen den ZDF-Reporter der Halle.

"Wahrscheinlich mit dem Westen nichts zu besprechen"

Die zweite Arbeitssitzung, wo es um Ernährung und Energie gehen sollte, schwänzte Lawrow. In seiner Pressekonferenz vor Abreise sagte er, wenn die EU und die USA einen Sieg der Ukraine auf dem Schlachtfeld anstrebten, "dann haben wir wahrscheinlich mit dem Westen nichts zu besprechen."

Es war die erste direkte Konfrontation dieser Art seit Langem. Seit Kriegsbeginn im Februar war Lawrow größtenteils isoliert von den größten Kritikerstaaten Russlands. Als er im März beim UN-Menschenrechtsrat virtuell zugeschaltet wurde, verließ die große Mehrzahl an Diplomaten aus Protest den Saal. Bei einem früheren G20-Finanztreffen im April in Washington verließen die Vertreter der USA, Großbritanniens und Kanadas den Raum, als einem Vertreter Moskaus das Wort erteilt wurde.

Diese Phase ist nun offenbar vorbei. Lawrows umstrittene Reise nach Bali war gewissermaßen nur ein Vorspiel für das, was im November folgen könnte: ein G20-Gipfel der Staats- und Regierungschefs unter Teilnahme Wladimir Putins. Doch war diese Generalprobe aus Moskaus Sicht wirklich gelungen?

Natürlich dominierte Lawrow mit seinem Manöver der vorzeitigen Abreise die Schlagzeilen. Es gibt zwar keinerlei Hinweise darauf, dass ihm sein Auftritt Gewinne bei den zahlreichen versammelten Staaten verschafft hätte, die zwar ein Ende des Krieges wollen, aber sich sehr neutral verhalten, wenn es darum geht, die Verantwortlichen für diesen Krieg zu benennen.

Doch es bleiben auch die Bilder, wie Lawrow angeregt mit dem mexikanischen Amtskollegen plauderte. Neben dem chinesischen Außenminister traf er auch den Vertreter der Türkei zu einem bilateralen Gespräch. So richtig ging die Rechnung der deutschen Außenministerin von einer vereinten G19 gegen ein isoliertes Russland nicht auf.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen und Beobachtungen vor Ort beim G20-Treffen
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