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Zum journalistischen Leitbild von t-online."ARD Reisecheck" Der hohe Preis für die billigen Flugtickets
Für 9,99 Euro von Köln nach London oder für 12,99 Euro nach Mailand. Wie Ryanair und Co. Flüge zu solchen Schleuderpreisen anbieten können, war am Abend des 19. April Thema der ARD-Sendung "Der Reisecheck - Die Tricks der Billigflieger". Dabei muten einige Praktiken bedenklich an – zum Leidwesen von Passagieren, aber auch des Personals.
So sparen die Airlines rigoros. Das beginnt bei der Nicht-Beachtung von Fluggastrechten. Entschädigungen für Verspätungen ab drei Stunden beispielsweise stehen den Passagieren laut EU-Verordnung zu, werden aber meist abgelehnt oder ausgesessen. Ein leidgeprüfter Airberlin-Kunde schätzte es in der Sendung so ein: "Man arbeitet vorsätzlich gegen die Interessen der Kunden."
Jonas Swarenski, Jurist bei Flightright, stellte fest, dass die Billigflieger oft nicht offensiv über Fluggastrechte informieren. Er führte aus: "Die Airlines sparen an allen Enden. Wenn ich auf einem Flug, der vielleicht nur 50 Euro gekostet hat, 250 Euro auszahlen muss, und das verhindern kann oder einfach durch Desinformation verhindern kann, ist das sicherlich ein beliebtes Mittel."
Lohndumping und fehlende Sozialleistungen
Noch gnadenloser sparen die Billigflieger auf Kosten des Personals. Flugbegleiterinnen müssen sich nicht selten ihre Dienstkleidung selbst kaufen. Die Sendung schilderte den Fall einer Flugbegleiterin aus Polen, die mehr als neun Jahre für Ryanair arbeitete. Ein Basislohn von 10.550 Euro brutto pro Jahr sollte sich durch Zulagen verdoppeln. Doch sie kam nie über 18.000 Euro hinaus.
Und als sie krank wurde, gab es keine Lohnfortzahlung. Begründung: Sie zahle zwar Sozialabgaben in Irland, aber einen Anspruch habe sie deshalb nicht, weil sie nicht dort lebt. Stattdessen kam bald die Kündigung. Dazu Gewerkschaftsvertreter Nicoley Baublies: "Man nutzt lokales Recht in Irland aus. Dort sind wenig Steuern zu zahlen, es herrschen aber vor allem auch geringe Sozialstandards. Man beschäftigt die Menschen aber gar nicht in Irland, sondern stationiert sie europaweit und nutzt das Günstigkeitsprinzip dort aus." Gegenüber t-online.de gab Ryanair an, dass für deutsche Crew-Mitglieder höhere Sozialstandards gelten. Die Stellungnahme des Unternehmens finden Sie am Ende des Artikels.
"Selbstständige" Piloten sparen Geld
Doch auch den Piloten geht es nicht besser, wie die Sendung am Beispiel von Erik Fengler darstellte. Als er bei Ryanair anheuerte, wurde er aufgefordert, eine "Beschäftigungsgesellschaft" für sich selbst zu gründen und seine Pilotentätigkeit als Dienstleistung an Ryanair zu verkaufen. Die Gesellschaft bekam entsprechende Rechnungen und musste damit keine Sozialabgaben zahlen. Inzwischen ermittelt laut ARD die Staatsanwaltschaft Koblenz gegen Ryanair wegen Scheinselbstständigkeit.
Der Pilot: "Man fliegt dann teilweise auch, wenn man krank ist, weil man davon abhängig ist, wie viele Flugstunden man von der Gesellschaft bekommt." Rechtsanwältin Martina Stickler-Posner, die Erik Fengler vertritt, fasst zusammen: Piloten seien "Tagelöhner, die vorne im Cockpit sitzen." Gegenüber t-online.de spricht Ryanair von einer "Minderheit an Contractor-Piloten". Die meisten seien fest angestellt.
"Pay to fly" - Piloten müssen für ihre Flüge zahlen
Doch es geht noch dreister. Manche der Billiganbieter verlangen von den Piloten Geld dafür, dass sie fliegen dürfen. Wenn ein Pilot auf ein bestimmtes "Baumuster" – einen bestimmten Flugzeugtyp – angelernt und dafür lizenziert ist, muss er pro Jahr eine bestimmte Anzahl an Flugstunden auf diesem Flugzeugtyp ableisten, um diesen weiter fliegen zu dürfen. Das nutzen Billigairlines schamlos aus und kassieren von Piloten zwischen 15.000 und 50.000 Euro. "Pay to fly" nennt sich diese Praxis, der sich laut ARD-Recherche auch Ryanair schon bedient habe. Dabei haben Piloten oft schon bis zu 120.000 Euro Schulden, weil sie ihre Berufsausbildung immer öfter selbst finanzieren müssen. Zumindest aktuelle Beteiligungen an "Pay to Fly"-Modellen streitet Ryanair ab.
Diese Praktiken prangerte in unserem Expertenchat auch schon Pilot und Pressesprecher der Vereinigung Cockpit, Markus Wahl, an. Er befürchtet dadurch auch indirekte Auswirkungen auf die Sicherheit bei Billigfliegern.
Sparen bei Provinzflughäfen
Doch die Billiganbieter haben noch andere Pfeile im Köcher, um Kosten zu sparen. Da sie meist von kleinen Flughäfen in der Provinz fliegen, die von ihnen massiv abhängig sind, drücken sie die Preise für Landegebühren und andere Dienstleistungen. Das bestätigte auch Markus Bunk, Geschäftsführer des Flughafens Hahn, den Ryanair als Drehkreuz für seine Europaflüge nutzt.
Neben diesen fragwürdigen Praktiken trägt auch das Geschäftsmodell der Low-Cost-Airlines zu den günstigen Ticketpreisen bei. So verkaufen die Unternehmen neben dem Ticket teure Zusatzleistungen.
Darf's ein bisschen mehr sein?
Luftfahrtjournalist Andreas Spaeth: "Das Ticket fliegt im Prinzip nur den Körper von A nach B. Alles andere, was früher im Ticketpreis inbegriffen war, kostet extra." Das beginnt schon beim Gepäck. Nur das Handgepäck ist frei, wobei einige Billigairlines mittlerweile auch hier schon Gebühren erheben. Wer einen Koffer aufgeben will, zahlt in jedem Fall extra.
Wenn das Handgepäck nicht den streng kontrollierten Abmessungen entspricht, werden je nach Airline satte Aufpreise zwischen 35 und 75 Euro fällig. Dabei variieren die zugelassenen Abmessungen stark. Weitere Zusatzgebühren werden für Sitzplatzreservierungen, den Snack an Bord und andere Leistungen erhoben.
Billigairlines sind nicht immer billiger
Mit zwei Testflügen nach Barcelona hat die Redaktion direkt verglichen. Der Ryanair-Flug von Frankfurt-Hahn im Hunsrück zum Provinzflughafen Girona, eine Autostunde entfernt von Barcelona, kostete 72,98 Euro. Es kamen dazu: Der Transfer zum Flughafen Hahn für 15,80 Euro, ein Snack an Bord für zehn Euro und der Transfer von Girona nach Barcelona für 14,50 Euro. Macht zusammen 133,88 Euro und fast acht Stunden Reisezeit.
Ein Flug mit der Lufthansa von Frankfurt-Rhein-Main nach Barcelona El Prat, dem Stadtflughafen, kostete mit Transferkosten 116,23 Euro, der Snack an Bord war inklusive und das bei nur fünfeinhalb Stunden Reisezeit.
Doch laut der Sendung gibt es natürlich auch Strecken, auf denen die Billigflieger preislich den Linienfliegern davon fliegen. Luftfahrtexperte Spaeth dazu: "Billigairlines haben das Fliegen demokratischer gemacht, weil jeder fliegen kann." Mit einem ähnlichen Fazit beschließt auch die Reporterin die Sendung: "Keine Frage, Billigflieger haben die Luftfahrt für alle erschwinglich gemacht, doch der Preis dafür ist hoch."
Weitere Informationen:
Die Sendung "Der Reisecheck - Die Tricks der Billigflieger" in der Mediathek der ARD.
Ergänzung am 19.4.2016, 13:30 Uhr: Stellungnahme Ryanair
Ryanair ließ t-online.de per E-Mail eine Stellungnahme zu den Arbeitsverhältnissen von Piloten und Crewmitgliedern zukommen. Wir geben diese hier im Wortlaut wieder, so dass Sie sich als Leser ihr eigenes Urteil bilden können.
Robin Kiely, Head of Communications bei Ryanair: "Die Mehrheit der Piloten ist bei Ryanair direkt angestellt, nur eine Minderheit sind Contractor-Piloten. Ryanair beteiligt sich nicht an 'Pay-To-Fly'-Modellen. Nach irischem Recht müssen Piloten und Kabinenpersonal, die auf in Irland registrierten Flugzeugen arbeiten, unter irischen Verträgen beschäftigt sein und zahlen auch ihre Steuern in Irland. Alle deutschen Crewmitglieder erfüllen zudem die EU-Verordnung 465/12, welche vorsieht, dass sie und Ryanair ihre Sozialleistungen in Deutschland zahlen. Zudem sind alle durch das deutsche Krankenversicherungssystem abgedeckt, in das sie einzahlen. Sobald Bordpersonal rekrutiert wird, bezahlt Ryanair für die Ausbildung und für alle Crewmitglieder gibt es Ausfallzahlungen im Krankheitsfall."