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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Leben Die besten Winzer-Champagner
Es müssen nicht immer die großen Marken sein: Fast unbekannte Champagner von kleinen Winzern bieten viel Genuss zu halbwegs moderaten Preisen. Die Weinkarten der besten Restaurants der Grande Nation haben sie längst erobert. Gastro-Kritiker Jörg Zipprick war für wanted.de unterwegs – und hat für Sie.
Ein echter Gourmet ist zu allem bereit - und so schlichen sich die Diebe in einer Frühlingsnacht heimtückisch auf das Weingut. Mit LKW und Hubladebühne ausgerüstet überlisteten sie zunächst die Alarmanlage. Dann drangen sie ins Lager vor. Bei Sonnenaufgang waren nicht etwa Gold, Banknoten oder Juwelen gestohlen. Nein - es verschwanden gut 4000 Flaschen Champagner und 16.000 Etiketten der Marke Jacques Selosse.
Diebe mit gutem Geschmack
Nach dem Verbrechen blieb der Gendarmerie nur ein magerer Anhaltspunkt: Diese Diebe müssen Kenner gewesen sein. Denn Champagne Jacques Selosse kennt beileibe nicht jeder. Und klar ist: Der Diebstahl beweist die hohe Qualität der Kelterei.
Inhaber Anselme Selosse, ein eloquenter Mann mit vollem, braungrauen Haarschopf, gehört zu den unabhängigen Champagner-Winzern, deren Produkte Sie zwar bei einigen Fachhändlern finden. >>
Aber so gut wie nie stehen diese Flaschen in großen Warenhäusern. Rund 5000 Unabhängige, die nicht an die großen Konzerne liefern, gibt es – und alle stehen im Schatten großer, weltbekannter Marken mit millionenschweren Werbebudgets. Die Großen betreiben rigorose Markenpflege, damit das Aroma unverwechselbar bleibt: Wer ihre Gewächse kauft, weiß, dass sie (mit Ausnahme der Jahrgangschampagner) permanent gleich schmecken.
Für den Wunschgeschmack werden Grundweine aus 40 bis 50 (von 320) verschiedenen Lagen und bis zu zehn unterschiedlichen Jahrgängen vom Kellermeister verschnitten und in der Dosage gesüßt, das heißt, jeder Hersteller setzt einen bestimmten, streng geheimen Anteil süßer oder herber Weine zusammen.
Experimente erwünscht
Die "Kleinen" hingegen müssen ihre Nische finden und können sich Experimente leisten. Keiner von ihnen kann weltweite Werbekampagnen bezahlen oder Events in diversen Nightclubs sponsern. >>
Ergo zählen nur die Qualität, die permanente Bedienung der Neugier verwöhnter Kunden und die Mundpropaganda. Zum Ausgleich bekennen sich die Kleinen klar zum Bio-Weinbau, stellen Champagner her, die typisch für ihre Region sind, entdecken alte Rebsorten der Region neu oder bestechen durch ein hervorragendes Preis-Leistungsverhältnis.
Anselme Selosse etwa wehrt sich gegen den Einheitsgeschmack vieler Champagner-Marken. "Champagner muss nach Wein schmecken," sagt er im Gespräch mit wanted.de. "Denn er ist ein Wein." Wie Burgunder baut der Biowinzer seine Champagner in Holzfässern mit 228 bis 400 Litern Inhalt aus. Seine Lieferanten verwenden für jedes Fass drei bis vier Sorten Holz aus verschiedenen Wäldern, welche genau, ist ein Geheimnis; jede gelesene Parzelle wandert in vier verschiedene Fässer, die von unterschiedlichen Herstellern stammen. "Damit die Weine nicht einen typischen Holzgeschmack haben" erläutert Anselme. Das Resultat sind intensive, charakterstarke Champagner, die ein ganzes Menü inklusive Fleisch oder Geflügel begleiten können. Viele Kenner lieben den Individualisten Selosse: Seine etwa 57.000 Flaschen sind schnell verkauft.
Sein Kollege Francis Egly von Egly-Ouriet verfügt über Top-Lagen in den Dörfern Ambonnay, Bouza und Verzenay. Anders als die anderen Champagner-Winzer, die meist auf Chardonnay setzen, wachsen bei ihm zu 75 Prozent Pinot Noir-Trauben. Die werden zu Raritäten wie dem Blanc de Noirs "Vieilles Vignes" – ein weißer Champagner aus Rotweintrauben mit dem Duft von Zimt und Zitrusfrüchten.
Auch Eglys Erfolgsgeheimnis sind lange Ruhezeiten: "Mindestens vier Jahre für den normalen Brut, rund sechs Jahre für Jahrgangschampagner. Oder anders gesagt: Guter Champagner braucht Geduld," betont er, während wir seine Produkte genießen.
Erick de Sousas "Cuvée des Caudalies" wird genau wie Selosse und Egly-Ouriet auch in besten Restaurants serviert. Bio-Anbau, Lese von Hand, Weinberge in besten Lagen wie Avize, Cramant und Oger – das sind die Erfolgsgeheimnisse des Winzers. >>
Außerdem eine erstaunliche Menge an alten Rebstöcken, die zum Teil von De Sousas Vater und Großvater vor gut 50 Jahren gepflanzt wurden. Grundweine für die Cuvée des Caudalies werden ganz wie bei großen Marken wie Krug im Eichenholzfass ausgebaut. Auch Larmandier-Bernier setzt auf den Bio-Anbau. "Nicht, weil er modisch ist. Sondern weil er vernünftig ist." sagt Pierre Larmandier. Sein "Vieille vigne de Cramant" ist ein komplexer Wein mit Aromen von Vanille und Zitrone. Die Trauben stammen von Rebstöcken, die 48 bis 75 Jahre alt sind. Und die hat selbst in der Champagne nicht jeder Winzer.
Zuweilen hat eine Laune der Natur die kleinen Winzer begünstigt: Bei Tarlant existiert noch eine "Cuvée Vigne d’Antan" aus 100 Prozent Chardonnay. Sie schmeckt heute noch wie vor der Reblauskrise des ausgehenden 19. Jahrhunderts, die sämtliche Weinberge Frankreichs zerstörte: Die wenigen Chardonnay-Reben der Parzelle "Les Sables" zwischen Epernay und Chatillon blieben damals von den Insekten verschont.
Vergessene Rebsorten im Glas
Und bei Moutard Diligent gibt es noch Champagner aus 100 Prozent Arbane-Trauben. Die fast vergessene Rebsorte ist für große Winzer uninteressant: Geringe Lesen, Anfälligkeit für Mehltau – und überhaupt reift diese Traube nur in jedem dritten Jahr gut aus. Dennoch hat Moutard-Diligent zehn Ar der alten Reben erhalten, die Arbane-Champagner schmecken nach weißem Pfirsich, Brioche, Quitte und Apfel.
Solche Champagner können nicht billig sein – eine gute Flasche kostet zwischen 28 und 150 Euro, ist dann aber etwas ganz Besonderes. Doch gute Winzererzeugnisse räumen nicht immer das Portemonnaie leer: Der Blanc de Blancs, also ein Champagner aus weißen Chardonnay-Trauben, des Hauses Lancelot Pienne schmeckt nach Aprikosen, Pfirsichen und einer Spur Marzipan.
Winzer-Champagner finden Sie auch in Deutschland, Sie können die flüssigen Schätze auch direkt beim Winzer kaufen - nur bei Selosse geht das nicht. Wir haben für Sie in unserer Fotoshow einige Websites aufgelistet. Doch dank der Nähe der Champagne zum Südwesten lohnt sowieso ein Wochenend-Urlaub, viele Winzer empfangen Gäste mit Freude. Da lohnt es sich gar nicht erst, zum Weindieb zu werden. Impressionen sehen Sie in unserer Fotoshow.