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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Untersuchungsleiter "Von diesem Testergebnis war ich total überrascht"
Die Stiftung Warentest prüft regelmäßig Produkte, um Verbraucher aufzuklären. Aber bei manchen sind Tests unmöglich – etwa bei jenem, das der Untersuchungschef gerne unter die Lupe nehmen würde.
Waschmaschinen, Matratzen, Bohrer und Fernseher: Holger Brackemann kennt sich mit der Qualität vieler Produkte aus. Er weiß, in welchen Schadstoffe stecken und welche nicht lange halten. Der 60-Jährige ist seit 19 Jahren für die Stiftung Warentest tätig, seit 14 leitet er den Bereich Untersuchungen.
Im Interview mit t-online gibt Brackemann einen Einblick in die Arbeit der Stiftung und verrät, wie sein Kauf eines Staubsaugers ein Prüfprogramm verändert hat.
t-online: Was war für Sie der überraschendste Test überhaupt?
Holger Brackemann: Der Test von Luftreinigern. Damit haben wir vor der Corona-Pandemie schon angefangen und haben währenddessen weitergemacht. Ich dachte immer: "Das ist doch ein absolut überflüssiges Produkt." Im Nachhinein war ich total überrascht – und das, obwohl ich physikalischer Chemiker bin –, dass die doch so einiges bringen können. Für manche Personengruppen sind sie wirklich hilfreich: zum Beispiel für Pollenallergiker oder für Menschen, die an einer dicht befahrenen Straße wohnen. Luftreiniger funktionieren tatsächlich.
Haben Sie sich daraufhin auch einen gekauft?
Nein, aber ich gehöre auch nicht zu den Gruppen, für die es Sinn macht.
Wie erstellt die Stiftung Warentest ein Prüfprogramm?
Bei einem Produkt, das wir noch nie getestet haben, fangen zunächst ein Wissenschaftler und ein Redakteur an zu recherchieren. Der Wissenschaftler schaut, was es für Normen und Gütezeichen gibt. Er spricht mit Prüfinstituten, die das Produkt oder ein ähnliches bereits testen.
Dr. Holger Brackemann, 60 Jahre, leitet seit 2008 den Bereich Untersuchungen der Stiftung, in dem die Tests konzipiert und durchgeführt werden. Er ist promovierter Chemiker.
Und der Redakteur?
Der Redakteur schaut mehr durch die Verbraucherbrille aufs Produkt. Er liest zum Beispiel die Bewertungen auf Amazon, schaut nach typischen Problemen mit dem Produkt. Dann setzen sich Wissenschaftler und Redakteur zusammen und besprechen, welche Aspekte geprüft werden sollen. Sie tragen die wissenschaftlichen Methoden dafür zusammen, die es bereits gibt. Wir entwickeln also keine komplett neuen Prüfmethoden, wir sind kein Uniinstitut.
Gab es einmal ein Produkt, das sich nicht testen ließ, weil es dafür keine passende Prüfmethode gab?
Es gibt eher Produkte, die man aus wirtschaftlichen Gründen nicht testen kann. Ich würde zum Beispiel gerne Fertighäuser testen, das fände ich spannend. Schließlich handelt es sich dabei um eine erhebliche Investition für den Verbraucher. Und methodisch würden wir das sicherlich hinbekommen. Das Problem ist aber: Der Test und der Einkauf wären extrem teuer. Das kann man einfach nicht machen.
Gibt es eine Art Vortest, nach dem die Stiftung ihr Prüfprogramm noch anpasst?
Vortests machen wir bei Dienstleistungen, etwa wenn wir eine Bankberatung prüfen. Da müssen wir schauen, wie das Bankpersonal auf unser Modell reagiert. Wir schicken dann drei, vier Tester mit dem Beispielfall einmal los und arbeiten ihn im Anschluss weiter aus. Bei Produkttests hingegen gibt es keine Vortests. Es kann aber vorkommen, dass das Labor etwas Auffälliges feststellt und wir daraufhin noch einen weiteren Prüfpunkt in das Testprogramm einfügen. Das passiert ab und zu.
Info: Die Stiftung Warentest lässt alle Produkte in unabhängigen Laboren prüfen. Ein vergleichender Warentest kostet die Stiftung 30.000 bis 50.000 Euro.
Warum testet die Stiftung Warentest so selten Kleidung?
Das Problem ist, dass die Modezyklen so extrem schnell sind und dass die Produktvielfalt total heterogen ist. Wenn da die Testergebnisse vorliegen, gibt es das Kleidungsstück schon nicht mehr auf dem Markt. Deshalb haben wir in dem Bereich bisher nur Standards wie hellblaue Herren-Oberhemden oder aber Funktionskleidung getestet. Also Produkte, die ein bisschen länger am Markt sind. Ansonsten haben Sie im Modebereich keine Chance.
Wie viele Exemplare von einem Produkt werden in der Regel getestet?
Das können zwischen einem und 30 sein. Bei Fernsehern testen wir zum Beispiel nur einen. Es sei denn, es gibt ein sehr auffälliges Ergebnis, das wir absichern wollen – etwa wenn er haufenweise Bildfehler hat.
Und bei Waschmaschinen?
Bei einer Waschmaschine sind es mindestens vier. Wir haben immer drei, die parallel in den Dauertest gehen, damit sie gleichzeitig die Absicherung produzieren. Schließlich dauert die Dauerprüfung Monate, da kann man nicht erst mal nur eine Maschine ausprobieren und erst bei einem auffälligen Ergebnis in den Nachtest gehen. Zusätzlich benötigen wir eine Maschine für die Funktionsprüfung.
Bei welchen Produkten brauchen Sie besonders viele Exemplare?
Bei Lebensmitteln sind es deutlich mehr. Da gibt es sehr viele chemische, mikrobiologische Untersuchungen. Zudem werden sie verkostet, da brauchen Sie schon sehr viele Exemplare – so um die 30. Bei Kosmetika ist es ähnlich. Die gehen in den Probandentest und jeder Proband bekommt ein eigenes Produkt, das anonymisiert ist.
Wie ist das, wenn Sie privat einkaufen gehen: Kaufen Sie ausschließlich Testsieger?
Ich achte schon auf unsere Testergebnisse. Zum einen, weil ich glaube, dass ich damit die bessere Wahl treffe. Zum anderen finde ich es aber auch wichtig zu sehen, wie ich als Verbraucher mit einem Produkt klarkomme, was wir in der Stiftung als "gut" bewertet haben. Jedes Prüfprogramm kann man schließlich verbessern, vielleicht haben wir ja irgendetwas nicht beachtet.
Gab es schon einmal etwas, das sie gekauft haben und bei der Nutzung gedacht haben: Das und das hätte man eigentlich noch testen müssen?
Ja, mir fällt spontan ein Staubsauger ein, den ich gekauft habe. Der hatte eine Kugelform und legte sich dadurch beim Manövrieren immer wie ein Käfer auf den Rücken.
Hatte das einen Einfluss auf nachfolgende Tests von Staubsaugern?
Ja. Ich habe meine Erfahrungen mit den Kollegen diskutiert. Und wir haben daraufhin bei der Handhabung den Prüfpunkt Manövrieren eingeführt.
- Interview mit Holger Brackemann