Nach Terroranschlag in Straßburg Wie sicher sind Deutschlands Weihnachtsmärkte?
Wieder ein Weihnachtsmarkt! In der Nacht tötete ein Angreifer in Straßburg (Frankreich) drei Menschen. Wie sicher sind die deutschen Märkte?
Inhaltsverzeichnis
- Besondere Sicherheitsvorkehrungen in Berlin
- Bäume schützen Besucher in Nürnberg
- Mobile Schranken und Industriecontainer am Striezelmarkt
- NRW sichert mit Wassersäcken
- Niedersachsen verzichtet bewusst auf Betonblockaden
- Technologische Lösungen in Frankfurt am Main
- Stahl statt Beton in Mecklenburg-Vorpommern
Die Bilder vom Berliner Breitscheidplatz sind bis heute unvergessen. Am Abend des 19. Dezember 2016 rast der Terrorist Anis Amri mit einem Lkw in den Weihnachtsmarkt im Herzen von Berlin. Er reißt elf Besucher in den Tod und verletzt 55 weitere, bevor seine Amokfahrt endet. Gestern Nacht der Anschlag in Straßburg, den drei Menschen nicht überleben sollten. Warum werden Weihnachtsmärkte immer wieder zum Ziel von Terroristen?
Es sind vor allem drei Aspekte, die Weihnachtsmärkte zum attraktiven Anschlagsziel machen: "Da sind viele Menschen, es gibt einen ungehinderten Zugang, und sie sind ein Symbol sowohl für Christentum als auch für Konsumkultur", sagt Jannis Jost vom Institut für Sicherheitspolitik. Hinzu kommt, dass die großen Märkte natürlich in Ballungsgebieten liegen – dort, wo oft auch die Täter leben. "Sie suchen sich nicht das beste und größte Ziel, sondern schlagen relativ opportunistisch in ihrem Umfeld zu", sagt Jost über die Attentäter.
Seit dem Blutbad vom Breitscheidplatz sind die Schutzmaßnahmen massiv ausgeweitet worden. Das ist unübersehbar. Offensichtlichstes Zeichen dafür sind die schweren Poller, die viele Märkte begrenzen. Sie sollen Autos und Lkw abwehren, können aber Ereignisse wie in Straßburg nicht verhindern. Deshalb sind die Sicherheitskräfte auf die verschiedensten Szenarien vorbereitet.
Große und schwere Betonpoller etwa mögen zwar ein Gefühl der Sicherheit vermitteln, sagen Experten. Tatsächlich am wirksamsten seien aber zwei andere Vorkehrungen: Polizeipräsenz und Prävention. Gut sichtbar ist die eine Maßnahme, kaum wahrnehmbar die andere. Aber gerade die Prävention sei der Schlüssel zu mehr Sicherheit – nicht nur auf dem Weihnachtsmarkt.
Die andere Maßnahme, also die Präsenzt, dürfte die Polizei in den kommenden Tagen nochmals erhöhen, erwarten Experten. Das ist ein normaler Vorgang, da man nach Ereignissen wie denen von Straßburg die Bevölkerung vor potentiellen Nachahmern schützen will.
Wie die einzelnen Märkte ihre Besucher schützen – hier ist der Überblick.
Besondere Sicherheitsvorkehrungen in Berlin
Wegen der Terrorgefahr stehen speziell die großen Märkte in Berlin unter besonderen Sicherheitsvorkehrungen. So ist der ganze Breitscheidplatz am Ku'damm mit schweren Sperren aus Gitterkörben abgeriegelt worden. Fußgängerzugänge und andere Zufahrten wurden mit extra Pollern und Betonsockeln zugestellt.
Die Sperren sollen Schutz gegen Terroranschläge mit bis zu 40 Tonnen schweren Lastwagen bieten. Auf dem Breitscheidplatz hatte vor zwei Jahren ein islamistischer Terrorist mit einem entführten Lastwagen einen Anschlag verübt. 12 Menschen starben, mehr als 70 wurden verletzt.
Bäume schützen Besucher in Nürnberg
Bäume statt Betonpoller heißt die Devise in Nürnberg auf dem Christkindlesmarkt: Die Stadt will mobile Christbäume aufstellen und damit kleinere Zufahrtswege blockieren. "Betonpoller wären bei uns auch nur mit sehr großem Aufwand zu installieren, die ganze Altstadt wäre für den Bau vermutlich lahmgelegt", sagt die Leiterin des Bürgermeister- und Presseamtes, Christine Schüßler.
Ohnehin sei die Altstadt an vielen Stellen sehr verwinkelt, sodass man hier kaum mit hohen Geschwindigkeiten auf den Markt zufahren könne. Dort wo dies möglich sei, stelle die Polizei erneut große Fahrzeuge in den Weg.
Mobile Schranken und Industriecontainer am Striezelmarkt
In Dresden lockt der 584. Striezelmarkt die Besucher ins Zentrum. Auf dem Markt will die Polizei mit einer mobilen Polizeiwache für Sicherheit sorgen, auch Mitarbeiter eines privaten Sicherheitsdienstes und des Ordnungsamtes sind im Einsatz.
Zudem sollen wie in den vergangenen Jahren Betonelemente vor Attacken schützen. Neu sind zwei mobile Schranken an den Zufahrten und mit Wasser gefüllte Indutainer, faltbare Container, sowie mobile Fahrzeugsperren.
NRW sichert mit Wassersäcken
Auch in Nordrhein-Westfalen bringt die Weihnachtsmarktsaison neue Sicherheitskonzepte. Bochum zum Beispiel versperrt die Zufahrten zur Innenstadt mit Dutzenden Wassersäcken, die sogar Lastwagen aufhalten sollen. Das zertifizierte System ersetze die bisherigen Sandsäcke, sagte ein Sprecher von Bochum Marketing kürzlich. Die Stadt setzt zudem an drei Punkten Sperren ein, die sich von Fahrzeugen nicht durchbrechen lassen. Die Barrieren stammten aus Israel und ähnelten Gattern, die sich beim Aufprall verformen und einen Angriff aufhalten, sagt der Sprecher.
Die Sicherheitskonzepte der Weihnachtsmärkte in der Düsseldorfer Altstadt und der Innenstadt sehen verstärkt zivile und uniformierte Einsatzkräfte vor und auch eine Gefahrenabwehr durch Betonklötze.
Niedersachsen verzichtet bewusst auf Betonblockaden
In Niedersachsen stehen viele Weihnachtsmärkte unter erhöhten Sicherheitsvorkehrungen. In Hannover wird eine Polizeiwache in einem Container am Rande des Weihnachtsmarktes aufgestellt. Auf Betonblockaden verzichtet die Landeshauptstadt bewusst. Der Weihnachtsmarkt sei sehr weitläufig, das mache das Absperren aller Zufahrten mit Pollern wenig sinnvoll, heißt es.
In Bremen werden Betonpoller ebenfalls abgelehnt. "Die bieten auch keinen absoluten Schutz", sagt Polizeisprecher Nils Matthiesen. Außerdem gebe es dafür nicht genügend Platz. Stattdessen setzt die Polizei auf die Zusammenarbeit mit privaten Sicherheitsleuten und mobile Sperren für den Notfall. In Oldenburg nutzen Beamte zusätzlich Videokameras zur Überwachung.
Technologische Lösungen in Frankfurt am Main
Informationen per App, Kamera-Überwachung und die inzwischen bekannten Betonsperren: Mit zahlreichen Mitteln versuchen Veranstalter und Polizei die Sicherheit des Frankfurter Weihnachtsmarkts zu gewährleisten. "Wir haben in den letzten Jahren derart aufgerüstet, mehr ist einfach nicht mehr möglich", sagt der Veranstaltungsleiter des Marktes, Kurt Stroscher. Als Steigerung könne man den Weihnachtsmarkt nur noch absagen oder in einem Kasernenhof stattfinden lassen.
In Hamburg bleibt das Sicherheitskonzept laut Polizeisprecherin Heike Uhde "vom Aufbau her ähnlich wie letztes Jahr". Uhde begründet das mit einer weitgehend unveränderten Einschätzung der Sicherheitslage. Wie bereits 2017 sollen einzelne Standorte auch in diesem Jahr mit Betonpollern geschützt werden. Die Hamburger Polizei setzt außerdem auf "sichtbare Präsenz" der Beamten vor Ort.
Stahl statt Beton in Mecklenburg-Vorpommern
Auf dem größten Weihnachtsmarkt in Mecklenburg-Vorpommern in Rostock wurden nach Angaben des Veranstalters die Betonpoller zur Abwehr von Lastwagen durch Stahlpoller ersetzt. Neben einem privaten Sicherheitsdienst sei auch die Polizei im Einsatz.
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Auch in Rheinland-Pfalz und dem Saarland sind die Sicherheitsvorkehrungen auf den großen Weihnachtsmärkten in diesem Jahr wieder hoch. Laut Polizei sind verstärkt uniformierte Beamte und ihre zivilen Kollegen im Einsatz. In Trier sind an den Samstagen zudem Streifen mit Beamten aus Luxemburg und Frankreich unterwegs. Viele Städte stellen erneut Betonblöcke auf, um Zufahrtswege zu blockieren. Der Mainzer Weihnachtsmarkt wird erstmals videoüberwacht.
- Nachrichtenagentur dpa