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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Das ist der Tatverdächtige von Straßburg Cherif C. lieferte sich einst Verfolgungsjagd mit deutscher Polizei
Ein junger Franzose läuft schießend durch die Straßburger Innenstadt. Wer ist der Mann? Cherif C. ist den Behörden bekannt. In Deutschland wurde er bereits per Hubschrauber gesucht – vor fast drei Jahren.
Drei Tote und 13 Verletzte: Das ist die bisherige Bilanz des Anschlags auf dem Straßburger Weihnachtsmarkt. Der Verdächtige ist ein 29-jähriger Franzose mit nordafrikanischen Wurzeln. Aufgewachsen ist Cherif C. laut französischen Ermittlern zusammen mit sechs Geschwistern in Straßburg. Die Schule schloss er ab, machte aber anschließend keine Ausbildung. Er arbeitete zunächst in der Gemeinde und meldete sich 2011 arbeitslos. Es kursieren Bilder von ihm in sozialen Medien, deren Echtheit nicht offiziell bestätigt ist. t-online.de hingegen liegen Bilder einer Überwachungskamera vor, die Eingang in Ermittlungsakten gefunden haben.
Sowohl in Frankreich als auch in Deutschland und der Schweiz war er den Behörden bereits bekannt. Schon 2008 und 2011 wurde er in Frankreich zu Gefängnisstrafen verurteilt, wo er Einbrüche beging. Angeblich hatte er auch einen Jugendlichen mit einer Glasflasche angegriffen. 2013 verurteilte ihn ein Gericht im schweizerischen Basel erneut wegen mehrerer Einbrüche zu einer Haftstrafe.
Von Deutschland nach Frankreich abgeschoben
2016 tauchte Cherif C. dann in Deutschland auf – und beging wiederum Einbrüche, wie aus einer damaligen Pressemitteilung der Bundespolizei und einem Gerichtsurteil hervorgeht, die t-online.de vorliegen. Demnach brach er im Januar 2016 in eine Apotheke im baden-württembergischen Engen ein. Dort entstanden die Bilder der Überwachungskamera, anhand derer er im Ermittlungsverfahren identifiziert wurde. Als ihn Bundespolizisten in einem Zug ins benachbarte Singen stellten, ergriff er die Flucht und lieferte sich eine Verfolgungsjagd entlang der Gleise mit den Beamten. Die Polizei war damals mit einem Hubschrauber und bis zu 15 Streifen im Einsatz. Schließlich nahmen ihn die Sicherheitskräfte in einem Waldstück fest.
Das Amtsgericht Singen verurteilte ihn Mitte 2016 aufgrund des Einbruchs in Engen und eines weiteren Einbruchs in eine Mainzer Zahnarztpraxis zu zwei Jahren und drei Monaten Haft. Cherif C. verbüßte die Haft laut Angaben des Landesinnenministeriums bis Frühjahr 2017 in der Justizvollzugsanstalt Freiburg. Dann wurde er nach Frankreich abgeschoben und mit einer zehnjährigen Wiedereinreisesperre belegt.
Über mögliche Verbindungen zu Terrorgruppen war zunächst nichts bekannt. Der französische Fernsehsender BFMTV will aber über Informationen verfügen, nach denen Cherif C. in der Islamistenszene Straßburgs unterwegs gewesen sei. Der französische Staatsanwalt Rémi Heitz sagte, Cherif C. habe sich im Gefängnis radikalisiert. Augenzeugen berichten, er habe während seiner Tat "Allahu Akbar" ("Allah ist groß") gerufen. In Deutschland war C. Behörden laut Landesinnenministerium Baden-Württemberg bislang nicht als islamistischer Gefährder bekannt.
Geheimdienst stufte Täter als Risiko ein
Die Straßburger Polizei erklärte, der Täter sei vom Inlandsgeheimdienst als Sicherheitsrisiko eingestuft worden. Demnach gibt es über ihn eine eigene Akte, ein sogenanntes "Fiche S". In dieser Kategorie werden in Frankreich etwa 26.000 Personen gelistet, rund 10.000 von ihnen gelten als gewaltbereit. Am Vormittag vor dem Anschlag hatten die Behörden versucht, ihn zu verhaften. Er wurde in seiner Wohnung allerdings nicht angetroffen. Bei der Durchsuchung wurden anschließend mehrere Handgranaten gefunden.
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Bei einer Pressekonferenz am Mittwoch sagte der französische Staatsanwalt, auch der Bruder des Tatverdächtigen, Sami C., werde gesucht. Es gebe Hinweise, dass der Attentäter Teil einer kriminellen Vereinigung sei. Beide Brüder seien vermutlich gemeinsam auf der Flucht. Der Berliner "Tagesspiegel" berichtet, beide Verdächtigen wohnten in Straßburg. Die Brüder würden dem Straßburger Islamistenmilieu zugerechnet, sagte ein hochrangiger Sicherheitsexperte der Zeitung.
- eigene Recherchen
- mit Material der Nachrichtenagenturen AFP, dpa