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Colitis ulcerosa: Wenn der Darm sich selbst bekämpft


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Darmkrankheit Colitis ulcerosa
"Es gab Tage, da wollte ich nicht mehr"

Ann-Kathrin Landzettel

29.07.2015Lesedauer: 4 Min.
Bei einer Colitis ulcerosa kommt es zu starken Blutungen im Darm.Vergrößern des Bildes
Bei einer Colitis ulcerosa kommt es zu starken Blutungen im Darm. (Quelle: Thinkstock by Getty-Images-bilder)

"Wäre vor drei Jahren mein Medikament nicht zugelassen worden, weiß ich nicht, ob ich heute hier sitzen und über meine Krankheit sprechen könnte", sagt Charlotte, die ihren richtigen Namen nicht nennen möchte. Colitis ulcerosa ist die Diagnose, die in ihrer Krankenakte steht. Hinter diesen zwei Worten stehen für sie ein schwerer Krankheitsverlauf und ein fast ebenso schwerer Weg zurück ins Leben.

Im April 2010 bekommt Charlotte zum ersten Mal Probleme mit ihrer Verdauung. Zuerst vermutet sie, etwas Falsches gegessen zu haben. Doch die Symptome bleiben. "Mein Stuhl veränderte sich", erzählt sie. "Er erinnerte mich irgendwie an Hasenköttel. Mir war übel und ich habe mich nicht gut gefühlt."

Zäpfchen lindern erste Beschwerden

Die damals 27-Jährige geht zum Proktologen. Dieser untersucht den Darm und diagnostiziert eine Proktitis, also eine Entzündung des Enddarms sowie eine gering aktive Colitis ulcerosa. Er verschreibt Charlotte Zäpfchen mit dem Wirkstoff Mesalazin und die Beschwerden gehen zurück. Der Arztbesuch gerät schon bald in Vergessenheit.

Es kommt zu Blutungen

Im Dezember 2012 treten erneut Unregelmäßigkeiten beim Stuhlgang auf, die von starken Bauchschmerzen begleitet werden. Charlotte lässt sich einen Arzttermin geben. Doch die verschriebenen Medikamente zeigen keine Wirkung. "Mir ging es immer schlechter und wenn ich auf der Toilette war, kam immer Blut mit raus", sagt sie.

Angst vor der Toilette

Innerhalb einer Woche verschlechtert sich ihr Zustand dramatisch. "Ich habe kaum noch etwas gegessen. Essen bedeutete für mich, aufs Klo zu müssen und da hatte ich große Angst vor. Außerdem fühlte ich mich so schlecht, dass ich kaum Hunger hatte." Charlotte schleppt sich erneut zum Arzt. Zuerst liegt der Verdacht auf einer Nahrungsmittelunverträglichkeit. Doch egal was sie isst oder nicht isst: Ihr geht es immer schlechter. Keiner denkt zu diesem Zeitpunkt an die Anmerkung im Arztbericht von vor zwei Jahren: ‚gering aktive Colitis ulcerosa‘.

Entzündungswerte im Blut steigen dramatisch

Mittlerweile liegen ihre Entzündungswerte im Blut über dem Zehnfachen eines gesunden Menschen. Ihr Arzt sieht nur noch eine Lösung: Charlotte wird in die Notaufnahme des örtlichen Krankenhauses eingeliefert. Ihr Darm blutet ohne Unterlass. Alles was sie isst, findet wenige Minuten später wieder den Weg nach draußen. Viele Untersuchungen später ist die Diagnose klar: Colitis ulcerosa, eine chronische Entzündung des Dickdarms.

Colitis ulcerosa: Darm bekämpft sich selbst

Diese gehört, neben Morbus Crohn, zu den häufigsten chronisch-entzündlichen Erkrankungen des Darms. Es handelt sich hierbei um eine Autoimmunerkrankung, das heißt, der Darm bekämpft sich selbst. Er reagiert fälschlicherweise auf harmlose, natürlich vorkommende Bakterien und Stoffe und sieht diese als Gefahr für den Körper an. Eine dauerhafte Entzündung entsteht, die sich erheblich auf die Darmtätigkeit und so auch auf die Gesundheit der Betroffenen auswirkt.

Medikamente schlagen nicht an

Jetzt gilt es, die junge Frau zu stabilisieren und die Blutung zu stoppen. Doch keine Behandlung zeigt Erfolg. "Sie haben mich mit Kortison vollgepumpt, doch das hat nicht angeschlagen. Auch die Antibiotika habe ich nicht vertragen. Die Blutung haben sie genau so wenig in den Griff bekommen wie die schlimmen Durchfälle. Ich habe viele Infusionen bekommen, um den Nährstoffverlust auszugleichen und musste Astronauten-Nahrung essen, damit mein Körper nicht zusammenbricht", berichtet Charlotte.

An ihrem 29. Geburtstag wiegt Charlotte 41 Kilogramm

Mittlerweile ist sie so geschwächt, dass sie nur noch mit dem Rollstuhl geschoben werden kann. An ihrem 29. Geburtstag wiegt sie nur noch 41 Kilogramm. Sie leidet immer wieder unter starkem Fieber. Der Versuch, eine weitere Darmspiegelung zu machen, scheitert. Ihr Darm ist so stark geschwollen, dass die Ärzte selbst mit dem Kinderendoskop nicht mehr durchkommen.

"Ich wollte nicht mehr"

"Mir ging es so schlecht. Ich dachte nur, ich mag nicht mehr, ich kann nicht mehr. Die Schmerzen, das ständige Gefühl aufs Klo zu müssen, die Blutungen, die Schwäche: Der Gedanke, einfach nicht mehr aufzuwachen, war zu diesem Zeitpunkt unglaublich tröstlich."

Neues Medikament macht Hoffnung

Zwei Wochen später kann Charlotte zum ersten Mal wieder hoffen. Ein Gastroenterologe des Krankenhauses kommt zu ihr und macht ihr einen Vorschlag: Ein Rheuma-Medikament sei ganz neu für die Behandlung von chronischen Darmerkrankungen zugelassen worden. Es enthalte den Wirkstoff Adalimumab. Sie solle es probieren. Er wisse nicht, was ihr sonst helfen könne.

Das Medikament ist ein sogenanntes Immunsuppressivum. Das heißt, das überaktive Immunsystem wird so weit heruntergefahren, dass die Entzündung im Darm nachlässt. Charlotte greift nach dem Strohhalm und beginnt mit der Medikation. Es funktioniert. "Es passierte langsam, aber das Medikament schlug an", erzählt sie. "Ich glaube, dass war auf den letzten Drücker. Hätte es das Medikament damals nicht gegeben, hätte ich vielleicht einen Teil meines Darms verloren oder einen künstlichen Darmausgang bekommen. Vielleicht wäre ich auch nicht mehr am Leben."

Weihnachten bei der Familie

Von da an geht es aufwärts. Die Entzündungswerte im Blut pendeln sich langsam wieder ein. Die Blutungen lassen nach, die Schwellungen im Darm nehmen ab. Auch an Nahrung tastet sich Charlotte langsam wieder heran. Weihnachten kann sie sogar bei ihrer Familie verbringen. "Die Ärzte haben mich nur entlassen, weil mein Vater Arzt ist und im Notfall weiß, was zu tun ist. Ich war sehr schwach, aber auch sehr glücklich", erinnert sie sich.

Ein Leben mit Medikamenten

Heute ist Charlotte so gut wie beschwerdefrei. Doch geheilt ist sie nicht. Die Krankheit schläft in ihrem Darm. "Ich muss jeden Tag Tabletten nehmen, einmal in der Woche einen Einlauf machen und mir alle zwei Wochen eine Spritze mit dem Wirkstoff Adalimumab geben", erzählt sie. "Doch dafür geht es mir gut. Ich kann sogar normal essen. Nur Paprika lasse ich wegen der schwer verdaulichen Schale weg und an Bohneneintopf würde ich mich auch nicht unbedingt heranwagen. Fertiggerichte esse ich gar nicht mehr."

"Ich möchte mein Leben genießen"

Mit dem Risiko, jederzeit einen neuen Schub, also eine erneute Hochphase der Krankheit erleiden zu können, muss Charlotte leben. "Ich versuche, mich da nicht verrückt zu machen und hoffe natürlich, dass dies nicht passieren wird." Seit dieser Erfahrung achtet sie mehr auf sich und ihren Körper. Sie versucht, Stress zu vermeiden und zwingt sich nicht zu Dingen, die sie nicht möchte.

Außerdem ist sie viel aktiver geworden. "Ich bin so oft es geht unterwegs. Ich möchte was erleben. Mir ist bewusst geworden, wie schnell das Leben vorbei sein kann, da möchte ich jede Sekunde nutzen", sagt sie. Was die Krankheit ausgelöst hat, weiß Charlotte bis heute nicht.

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
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