Krankheiten & Symptome Jung, fit und plötzlich tot - so tückisch ist das Brugada-Syndrom
Das Brugada-Syndrom ist eine genetisch bedingte Herzerkrankung, die erst seit 20 Jahren als eigenständige Krankheit bekannt ist. Scheinbar völlig herzgesunde Menschen können bereits in jungen Jahren einen plötzlichen Herztod durch Kammerflimmern erleiden.
180 Mal dem Tod ins Auge gesehen
Mehr als 180 Mal hat Gritt Liebing dem Tod bereits ins Auge gesehen. Das Leben der 46-jährigen Buchautorin und Sportlerin hängt an einem kleinen Gerät, so groß wie eine Streichholzschachtel. Der Defibrillator schießt einen Elektroschock durch ihren Körper, wenn ihr Herz mal wieder einen Kurzschluss erleidet. Liebing leidet am Brugada-Syndrom. Die Betroffenen tragen von Geburt an einen genetischen Defekt in sich und fühlen sich trotzdem kerngesund. Doch die ersten Symptome können bereits tödliche Folgen haben. Bei einem Teil der Betroffenen kommt es immer wieder zu Herzrhythmusstörungen, die in einer Bewusstlosigkeit enden können. Ein anderer Teil erleidet ohne Vorankündigung ein Kammerflimmern und stirbt daran - Mediziner sprechen vom plötzlichen Herztod.
Jährlich rund 15.000 Todesfälle
"Ich bin auf der Flucht vor dem Tod, der mir jeden Tag seine knochige Hand auf die Schulter legt", schreibt Liebing in ihrem 2010 erschienenen Buch "Ich übe das Sterben". Das Brugada-Syndrom ist für jeden zweiten Todesfall bei augenscheinlich gesundem Herzen verantwortlich. Pro Jahr sterben in Deutschland mehr als 15.000 Menschen ohne spürbare Herzprobleme am plötzlichen Herzversagen.
"In den meisten Fällen wird die Krankheit erst nach einem überlebten Plötzlichen Herztod oder einer grundlosen Bewusstlosigkeit diagnostiziert", sagt Professor Dieter Horstkotte, Direktor der Kardiologischen Klinik am Herz- und Diabeteszentrum Nordrhein-Westfalen in Bad Oeynhausen. Auch wenn es paradox klingt: Den plötzlichen Herztod kann man überleben, wenn das Herz bei schnell genug mit einem Defibrillator in den normalen Rhythmus zurückversetzt wird Das Tückische am Brugada-Syndrom ist die Ahnungslosigkeit der meisten Betroffenen.
Brugada-Syndrom zeigt sich selten im EKG
Erst seit 20 Jahren ist das Brugada-Syndrom als eigenständige Krankheit überhaupt bekannt. Benannt nach den spanischen Kardiologen-Brüdern Brugada tritt die genetisch bedingte Herzkrankheit meist erstmals im dritten und vierten Lebensjahrzehnt auf. Die Spanier stellten bei organisch völlig gesunden Patienten, die den plötzlichen Herztod überlebten, Auffälligkeiten im Elektrokardiogramm (EKG) fest. Allerdings können diese Auffälligkeiten auch nur zeitweise oder gar nicht vorhanden sein. Nur etwa 30 Prozent der Patienten, bei denen das Brugada-Syndrom genetisch nachgewiesen wurde, zeigten nach Angaben des Universitätsklinikums Magdeburg den im EKG typischen Rechtsschenkelblock. "Die Diagnose ist deshalb schwierig und uneinheitlich", sagt Horstkotte.
Es trifft hauptsächlich Männer
Vom plötzlichen Herzstillstand durch Kammerflimmern sind vor allem Männer betroffen. Weltweit sind den Angaben zufolge 90 Prozent der Betroffenen Männer und nur zehn Prozent Frauen. Pro Jahr werden in Deutschland bis zu 60 Neuerkrankungen pro 10.000 Menschen gezählt. Auslöser können nach Angaben der Magdeburg Forscher Fieber, Drogenkonsum sowie Medikamente gegen Depressionen und gegen Herzrhythmusstörungen sein. Auch Ruhe löst das gefährliche Kammerflimmern aus. Meist erleiden Menschen mit Brugada-Syndrom nachts einen Herzanfall.
Am besten die ganze Familie untersuchen
Die Krankheit wird autosomal-dominant vererbt. Allerdings bricht die Krankheit trotz des vorhandenen Genotyps nicht immer aus. "Ein Familienscreening ist unbedingt notwendig", sagt Horstkotte. Frühzeitiges Erkennen ist lebensrettend. "Wenn jemand ohne erkennbaren Grund bewusstlos wird, sollte es dringend abgeklärt werden."
Impulsübertragung im Herzen gestört
Ursache des Syndroms sind genetisch bedingte Veränderungen der Eiweißmoleküle, die den Ionentransport durch die Zellwände des Herzmuskels regulieren. Natrium- und Kalium-Ionen werden entweder übermäßig und vermindert transportiert. Das wiederum bewirkt, dass sich die elektrischen Eigenschaften der Zellen verändern. Diese krankhafte Veränderung der Erregungsleitung des Herzens ist für den Betroffenen nicht spürbar. "Es gibt keine Symptome", bestätigt der Professor. Bei einem Fünftel der Patienten wurde ein bestimmtes defektes Gen gefunden. Die restlichen Patienten lassen sich bislang genotypisch nicht zuordnen.
Einzige Therapie: Defibrillator einpflanzen
Unbehandelt hat die Krankheit eine sehr schlechte Prognose. Das Risiko des plötzlichen Herztodes liegt nach Angaben des Zentrums für Humangenetik und Laboratoriumsmedizin Martinsried bei zwei bis 15 Prozent im Jahr. Bis zu ein Drittel der Betroffenen erleiden nach Reanimation oder Bewusstlosigkeit innerhalb von zwei Jahren einen Rückfall. Die einzig sichere Therapie ist das vorbeugende Einsetzen eines Defibrillators, einer Art Schrittmacher. Das Gerät wird in die Brust eingepflanzt und ist über eine Elektrode mit dem Herzen verbunden. Es erkennt gefährliche Herzrhythmusstörungen sofort und gibt automatisch den lebensrettenden Schock ab. Unklar ist noch, ob auch Menschen mit den typischen Auffälligkeiten im EKG, aber ohne Symptome, bereits einen Defibrillator tragen sollten.
Trotz Burgada-Syndrom am Ironman teilgenommen
Gritt Liebing trägt den Defibrillator seit elf Jahren. Vor drei Jahren hat sie, obwohl die Ärzte ihr abgeraten haben, erfolgreich am Ironman-Triathlon teilgenommen. "Ich muss schneller laufen als der Tod", schreibt sie in ihrem Buch.
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.