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Depression bei Kindern: Ursachen, Symptome und Behandlung


Keine Lust auf nichts?
Wenn Kinder und Jugendliche unter Depressionen leiden

t-online, rev

Aktualisiert am 04.08.2020Lesedauer: 6 Min.
Junges Mädchen mit ernstem Gesichtsausdruck: Bei Jugendlichen werden Symptome einer Depression oft als "pubertäres Verhalten" fehlgedeutet.Vergrößern des Bildes
Junges Mädchen mit ernstem Gesichtsausdruck: Bei Jugendlichen werden Symptome einer Depression oft als "pubertäres Verhalten" fehlgedeutet. (Quelle: alien185/getty-images-bilder)
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Das Kind hat keine Lust mehr zu spielen, es wirkt traurig und antriebslos. Das Mittagessen bleibt fast unberührt stehen. Hinzu kommen Schlafprobleme und unbegründete Ängste. Treten diese Symptome bei einem Kind über einen längeren Zeitraum auf, sollten Eltern hellhörig werden und einen Arzt aufsuchen. Denn hinter den Anzeichen kann sich eine Depression verbergen.

Je schneller die Diagnose gestellt wird und eine Behandlung beginnt, desto besser stehen die Chancen auf Heilung.

Depressionen bei jungen Menschen nehmen rasant zu

Leichte depressive Verstimmungen bis hin zu schweren depressiven Störungen gehören zu den häufigsten psychischen Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen. Die Deutsche Depressionshilfe schätzt, dass in Deutschland etwa ein Prozent der Vorschulkinder, knapp zwei Prozent der Grundschulkinder und drei bis zehn Prozent der Jugendlichen zwischen zwölf und 17 Jahren an einer Depression leiden.

Während früher Depressionen bei Kindern sehr selten diagnostiziert wurden, beobachten Ärzte heute schon bei Klein- und Vorschulkindern depressive Anzeichen. Vor allem zwischen dem zehnten und 18. Lebensjahr nehmen Depressionen zu. Das ergaben Hochrechnungen der Barmer ergaben, die im Oktober 2019 auf dem Deutschen Patientenkongresses Depression vorgelegt wurden. Demnach hat sich die Zahl der Betroffenen zwischen 2005 und 2017 mehr als verdoppelt. Vor allem Mädchen müssen sich demnach öfter der Diagnose Depression stellen.

Wurde 2005 noch bei 1,14 Prozent aller Kinder und Jugendlichen in Deutschland eine Depression festgestellt, waren es im Jahr 2017 bereits 2,79 Prozent. Insgesamt wurden der Hochrechnung zufolge 2017 bei mehr als 193.000 10- bis 18-Jährigen eine Depression diagnostiziert, dabei litten fast doppelt so viel Mädchen (127.672 Diagnosen) wie Jungen (65.615 Diagnosen) unter der psychischen Erkrankung.

Was die Diagnose so schwer macht

Eine Depression beim Kind zu erkennen, ist für Eltern nicht leicht. Selbst Ärzte und Psychologen haben oft Probleme die Krankheit bei Kindern auf Anhieb richtig zu deuten. Da kleine Kinder sind kaum in der Lage, über ihre Gefühle zu sprechen, fällt bei ihnen eine Diagnose besonders schwer.

Bei älteren Kindern und Teenagern besteht hingegen das Problem, dass es ihnen während der Pubertät schwer fällt, sich gegenüber den Eltern und anderen Erwachsenen zu öffnen und bestimmte Symptome wie Stimmungsschwankungen und Introvertiertheit in dieser Entwicklungsphase ohnehin häufig vorkommen, ohne dass eine psychische Störung vorliegen muss.

Umso wichtiger ist es, dass Eltern, Erzieher und Lehrer die Kinder genau beobachten, bei Verhaltensauffälligkeiten hellhörig werden und im Zweifelsfall lieber einmal mehr zum Arzt gehen, um die Symptome abklären zu lassen.

Symptome der Depression variieren je nach Alter

Nicht nur Erwachsene, sondern auch Kinder durchlaufen seelische Tiefs. Eine Depression jedoch unterscheidet sich von einer vorübergehenden gedrückten Stimmung in der Dauer, Häufigkeit und Intensität ihrer Symptome. Depressionen bei sehr jungen Menschen werden oft erst spät oder auch gar nicht erkannt.

Dafür gibt es Gründe. Denn Depressionen bei Kindern und Jugendlichen äußern sich anders als bei Erwachsenen. Statt eines sozialen Rückzugs treten häufig aggressive Ausbrüche auf. Unkonzentriertheit, Lernschwierigkeiten und daraus resultierendes Schulversagen können ebenfalls Hinweise auf eine Depression, aber auch auf ein Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom (ADHS) sein. Auch innerhalb der verschiedenen Altersgruppen gibt es Besonderheiten in der Symptomatik:

  • Kleinkinder bis drei Jahre: In dieser Altersgruppe hängt der Ausbruch der Krankheit oft damit zusammen, dass die Kinder eine wichtige Bezugsperson verloren haben, zum Beispiel durch einen Todesfall oder auch durch Scheidung. Die Kinder liegen dann ebenfalls in ihrer Entwicklung zurück: Sie lernen später laufen und sprechen und sind im Umgang mit ihren Händen weniger geschickt als Altersgenossen.
    Zudem leiden depressive Kleinkinder häufig unter Schlafproblemen, Albträumen und gestörtem Essverhalten. Manche essen auch sehr wenig, verhalten sich teilnahmslos, ängstlich und weinerlich. Andere wiederum sind reizbar, lutschen exzessiv am Daumen oder schaukeln ständig hin und her.
  • Kinder im Vorschulalter: Bei Kindern im Vorschulalter wirkt sich die Depression in zwei Extremen im Verhalten aus. Manche sind stark in sich gekehrt, sehr ängstlich und antriebslos. Sie haben keine Lust mit anderen Kindern zu spielen, was sich wiederum negativ in ihrer Entwicklung niederschlägt. So lernen sie beispielsweise erst spät mit dem Laufrad zu fahren oder an Gerüsten zu klettern. Andere Kinder hingegen sind launisch, aggressiv und neigen dazu, mit anderen Kindern zu streiten oder sie beim Spielen zu stören. Nicht selten treten Ess- und Schlafstörungen sowie Kopf- und Bauchschmerzen auf. Die Antriebslosigkeit schlägt sich meist auch in einem traurigen Gesichtsausdruck sowie einer verminderten Gestik und Mimik nieder.
  • Schulkinder (bis 12 Jahre): In diesem Alter äußern sich Depressionen vor allem in Niedergeschlagenheit und Traurigkeit. Depressive Schüler sind meist ängstlich und übermäßig kritisch sich selbst gegenüber. Aktivitäten, die ihnen noch vor kurzem Freude bereitet hatten, machen ihnen plötzlich keinen Spaß mehr. Da die Kinder in ihren eigenen Gedanken gefangen sind, werden sie zunehmend unkonzentriert, worunter schließlich auch die schulischen Leistungen leiden.
    Psychomotorische Hemmungen wie langsame Bewegungen und eine in-sich-versunkene-Haltung sind ebenfalls charakeristisch. Auch im Schulkindalter sind Schlaf- und Essstörungen Auswirkungen einer Depression. Außerdem können in dieser Phase auch erste Suizidgedanken auftreten.
  • Pubertäts- und Jugendalter: Depressive Teenager schwanken in ihrer Stimmung zwischen "himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt". Sie zweifeln an sich und der Welt, empfinden ein Gefühl der Hoffnungslosigkeit und sehr nachdenklich. Psychosomatische Beschwerden wie Kopf- oder Bauchschmerzen werden häufig beobachtet. Ihre Probleme versuchen viele mit Alkohol und Drogen zu bekämpfen.
    Bei anderen, besonders Mädchen, gipfeln die Essstörungen nicht selten in Magersucht oder regelmäßigen Ess-Attacken wie auch in Selbstverletzungen (Ritzen). Oft kommt es zum sozialen Rückzug und Leistungsabfall in der Schule. Depressive Jugendliche in der Pubertät sind für ihre Eltern und andere Erwachsene kaum zu greifen: Nachfragen werden als lästig empfunden. Selbstmord-Gedanken können sich konkretisieren. Tatsächlich sind Suizide nach Verkehrsunfällen die zweithäufigste Todesursache bei den 15- bis 20-Jährigen.

Ursachen für Depressionen bei Kindern

Die Mechanismen der Depressionen sind weder bei Kindern noch bei Erwachsenen vollständig geklärt. Experten gehen von einem komplexen Zusammenspiel aus genetischen, anderen biologischen und Umwelteinflüssen aus. In den meisten Fällen liegt eine Prädisposition (Veranlagung) für eine Depression vor. Daneben gibt es eine Reihe auslösender Faktoren, durch die Kinder und Jugendliche in eine Depression rutschen können:

  • Trennung der Eltern und das anschließende Fehlen eines Elternteils in der Erziehung
  • der Tod eines Familienmitglieds oder einer anderen Bezugsperson des Kindes
  • sehr häufiger Streit zwischen den Eltern
  • körperliche oder seelische Krankheit eines Elternteils
  • sexueller Missbrauch, Misshandlung oder starke Vernachlässigung
  • traumatisches Erlebnis, zum Beispiel ein schwerer Unfall oder Flucht und Heimatverlust durch Krieg
  • Alkohol- und Drogenmissbrauch
  • Überforderung oder Unterforderung in der Schule

Professionelle Hilfe: Wann zum Arzt?

Wenn Eltern die genannten Symptome bei ihren Kindern wahrnehmen und eine Depression vermuten, sollte unverzüglich ein Arzt aufgesucht werden. Denn Depressionen sind ernst zu nehmende psychische Erkrankungen. Werden sie nicht behandelt, können sie chronisch werden. Gerade bei jungen Menschen ist die Rückfallrate in die Depression mit circa 70 bis 80 Prozent sehr hoch.

Darüber hinaus gehen Depressionen bei Kindern und Jugendlichen mit Konzentrations- und Lernschwierigkeiten einher, die sich in der schulischen Leistung niederschlagen. Bei rechtzeitiger Behandlung werden etwa 30 Prozent der Kinder und Jugendlichen nach einer depressiven Phase wieder dauerhaft gesund.

Werden Depressionen jedoch zu spät entdeckt oder bleiben unbehandelt, können sie auch tödlich enden: nicht nur Jugendliche, auch jüngere Kinder sind im Fall einer schweren Depression suizidgefährdet.

Behandlung: Psychotherapie und Medikamente

Der Großteil der depressiven Kinder wird ambulant behandelt. Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte weist darauf hin, dass sich körperliche Bewegung und sportliche Betätigung, idealerweise zusammen mit Gleichaltrigen, als sehr vorteilhaft erwiesen hat. Zur weiteren Behandlung stehen verschiedene Optionen zur Verfügung, die oft miteinander kombiniert werden. Hierzu gehört vor allem die Psychotherapie. Der behandelnde Kinder- und Jugendarzt kann Therapeuten empfehlen, die auf die Behandlung von Kindern und Jugendlichen spezialisiert sind. Ein Problem besteht allerdings darin, dass Deutschland stark unterversorgt ist mit Kinder- und Jugendpsychiatern. Die Wartezeiten für Termine sind sehr lang.

Die Psychotherapie kann von einer Behandlung mit stimmungsaufhellenden pflanzlichen Mitteln wie beispielsweise Johanniskraut oder einer Lichttherapie begleitet werden.

Ist eine stationäre Behandlung nötig, kümmert sich ein Team von Experten aus Ärzten, Psychologen, Sozialarbeitern und Pädagogen um die Kinder. Die verschiedenen Arten der Psychotherapie sollen den Kindern und Jugendlichen helfen, sich selbst besser zu verstehen und besser mit Stress und den eigenen Problemen und Zweifeln umzugehen.

Bei besonders schwer ausgeprägter Depression können auch Medikamente (Antidepressiva) den Therapieerfolg verbessern. Sie können den Zustand des Patienten stabilisieren, sollten aber auf keinen Fall die einzige Form der Behandlung sein, sondern nur als Teil einer umfassenden Therapie eingesetzt werden.

Anmerkung der Redaktion: Suizidalität ist ein schwerwiegendes gesundheitspolitisches und gesellschaftliches Problem. Wenn Sie selbst zu dem Kreis der Betroffenen gehören, finden Sie zum Beispiel Hilfe bei der Telefonseelsorge (www.telefonseelsorge.de).

Unter den Rufnummern 0800-111 0 111 oder 0800-111 0 222 sind die Berater rund um die Uhr erreichbar. Die Anrufe sind anonym. Hilfe für Angehörige und Betroffene bietet auch der Bundesverband der Angehörigen psychisch Kranker durch Telefon- und E-Mail-Beratung: Unter der Rufnummer 01805-950 951 und der Festnetznummer 0228-7100 2424 sowie der E-Mailadresse seelefon@psychiatrie.de können die Berater kontaktiert werden. Direkte Anlaufstellen sind zudem Hausärzte sowie auf Suizidalität spezialisierte Ambulanzen in psychiatrischen Kliniken.

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
Verwendete Quellen
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