Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Probleme im Alter Ab 60 stellt sich die innere Uhr zurück
Schlaf beansprucht etwa ein Drittel unserer Lebenszeit und hat einen entscheidenden Einfluss auf die Gesundheit. Jedoch bergen sowohl zu wenig als auch zu viel Schlaf medizinische Risiken.
Im gesündesten Fall macht der Schlaf ein Drittel unserer Lebenszeit aus. Allerdings ist schon seit Längerem klar, dass nicht nur bei zu wenig, sondern auch bei zu viel Schlaf medizinische Risiken bestehen: Nur fünf Stunden pro Nacht über einen Verlauf von Jahren können mit erhöhtem Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes einhergehen. Doch auch Menschen, die regelmäßig mehr als zehn Stunden schlafen, haben oft mit typischen Zivilisationskrankheiten wie Depressionen oder beschleunigter Alterung zu tun. Vermutlich, weil sie einen Mangel an erholsamem Tiefschlaf beklagen.
Zur Person
Dr. med. Yael Adler ist Fachärztin für Dermatologie, Venerologie, Phlebologie und Ernährungsmedizin (DGEM). Seit 2007 praktiziert sie in ihrer eigenen Praxis in Berlin. Ihr Talent, komplexe medizinische Sachverhalte anschaulich und unterhaltsam zu vermitteln, stellt sie seit Jahren in Vorträgen, Veranstaltungsmoderationen und den Medien unter Beweis. Über Prävention und Therapien spricht sie regelmäßig in ihrem Podcast "Ist das noch gesund?". Ihre Bücher "Haut nah" und "Darüber spricht man nicht" standen auf Platz 1 der Spiegel-Bestsellerliste. Mit ihrem letzten Buch "Genial vital! – Wer seinen Körper kennt, bleibt länger jung" durfte sich die leidenschaftliche Ärztin erneut über diese Spitzenplatzierung freuen.
Unsere Schlafqualität leidet im Laufe des Lebens: Bei Frauen kann es im Zuge der Menopause am Rückgang des Hormons Progesteron liegen. Beide Geschlechter verzeichnen einen Abfall des Melatonins, jenes Hormons, das hauptsächlich im Gehirn fabriziert wird. Als Kind bewegt man davon etwa das 10- bis 100-Fache der Erwachsenenration im Blutspiegel. Mit 60 Jahren aber haben 70 Prozent der Menschen einen Melatoninmangel, später gar 80 Prozent – mit Auswirkungen auf den Tag-Nacht-Rhythmus unseres Körpers.
Mieser Schlaf drückt Stimmung und kognitive Fähigkeiten und ärgert unser Immunsystem. Anhaltend verhinderter Schlaf kann sogar schwerwiegende Folgen haben, bis hin zum Tod!
Handylicht stört den Einschlafvorgang
Die zentrale Schlafuhr des Körpers ist der Nucleus suprachiasmaticus (SCN) im Gehirn: Er wird durch Licht und Dunkel beeinflusst, seine Zellen regulieren die Melatoninproduktion in der benachbarten Zirbeldrüse. Für eine optimale Melatoninproduktion braucht es vollkommene Dunkelheit, dann steigt der Pegel auf das Achtfache des Tageswertes. Licht, besonders das blaue von Fernseher, Computer, Tablet oder Handy, kann hier empfindlich stören. Anfangs verstand man Melatonin als reines "Schlafhormon", dann richtigerweise als "Hormon der Dunkelheit". Heute weiß man, dass es noch mehr ist: ein Antioxidans, das in fast jeder Zelle in den Mitochondrien produziert wird.
Licht zur falschen Zeit kann unseren Organismus ordentlich aus der Balance bringen. Arbeit in wechselnden Schichten ist folglich besonders ungesund. Eine Irritation der inneren Uhr des Schlafes und unseres Stoffwechsels kann Depressionen, Magengeschwüre, Herz-Kreislauf-Probleme oder ein erhöhtes Krebsrisiko (Brust-, Darm-, Prostata- oder Hautkrebs) auf den Plan rufen.
Die innere Uhr verstellt sich im Lauf des Lebens
Menschen haben unterschiedliche Chronotypen – ihre inneren Uhren für den Schlaf- und Wachwechsel können also unterschiedlich ticken; es gibt "Eulen" und "Lerchen". Auch der Gang der inneren Uhr ändert sich im Laufe unseres Lebens: Kinder sind, sehr zum Leidwesen der Eltern, die ausschlafen möchten, gern ganz früh wach; in der Pubertät dann eher Nachtmenschen, sie finden dann oft selbst mittags schwer aus den Federn, während die Älteren so ab sechzig wieder früher erwachen. Vielen Schülern erscheint das frühe Aufstehen vor Unterrichtsbeginn als Höchststrafe: Der Widerstreit zwischen biologischer Schlaf-wach-Uhr und dem sozial angesagten Zeitregime wird "sozialer Jetlag" genannt.
Auch die Ausschüttung des körpereigenen Stresshormons Cortisol unterliegt einem zirkadianen Rhythmus – der Fähigkeit des Körpers, physiologische Vorgänge in einem Zeitrahmen von ungefähr 24 Stunden zu synchronisieren. Die höchste Cortisol-Konzentration wird morgens etwa zwischen vier und sechs Uhr erreicht, um dann allmählich abzufallen und ihren Minimalwert gegen Mitternacht zu erreichen.
Darum geschehen Herzinfarkte meist morgens
Menschen mit Atemaussetzern, Schlafapnoe, geraten im Schlaf in regelmäßigen Abständen in die Nähe des Erstickungstods, wenn die Atemwege durch die Zunge blockiert sind oder das Gehirn keinen Atembefehl gibt: Sie schrecken kurz vor dem "Beinahe-Tod" heftig auf, werden quasi wach, ohne es bewusst wahrzunehmen. Geschieht das viele Male in einer Nacht, sinken das Stresshormon Cortisol und die Kollegen Adrenalin und Noradrenalin nicht ab – mit gravierenden Folgen: schwer behandelbarer Bluthochdruck, Übergewicht, Tagesmüdigkeit, Libidoverlust, Herzinfarkt, Schlaganfall oder schnellere Alterung.
Nahezu alle wichtigen Körperfunktionen folgen dem Tag-Nacht-Rhythmus: Blutdruck, Herzfrequenz, Schlagvolumen, Durchblutung und der Widerstand der Blutgefäße variieren über den Ablauf von 24 Stunden. Bei gesunden Personen fällt der Blutdruck um etwa 15 Prozent ab. Bleibt dieser Effekt aus, handelt es sich womöglich um eine arterielle Hypertonie (arteriell bedingter Bluthochdruck) infolge einer Nierenerkrankung oder der Überproduktion von blutdrucksteigernden Hormonen aus der Nebenniere.
Auch Erkrankungen können vom Tag-Nacht-Rhythmus beeinflusst sein. Zu Herzinfarkten kommt es gehäuft morgens, wenn Blutdruck und Herzfrequenz steigen und der Herzmuskel wieder mehr Sauerstoff braucht. Ähnlich ist es mit Schlaganfällen. Asthmaanfälle dagegen treten häufig in der Nacht auf, weil unser vegetatives Nervensystem mit dem aktivierenden Sympathikus dann wenig aktiv ist, dafür aber der entspannende Parasympathikus seine Aktivität hochfährt.
Melatonin kann helfen
Wer dauerhaft unter Schlafstörungen leidet, sollte einen Schlafmediziner aufsuchen, der eine Messapparatur für zu Hause mitgibt oder erforderlichenfalls in ein Schlaflabor überweist. Manchen Betroffenen wird eine Anti-Schnarch-Schiene verordnet, die sie nach dem Gutenachtkuss wie eine Knirschschiene auf Ober- und Unterkiefer klicken: Sie hält den Unterkiefer vorn, damit er nicht nach hinten abrutscht und mit den daran hängenden Weichteilen die Atemwege belegt. Andere Patienten benötigen eine Überdruckmaske, die im Schlaf Luft in sie hineinleitet.
Bei leichteren Einschlafstörungen helfen Baldrianwurzel und Hopfen als Mischpräparat, ebenso Melatonin (3 bis 5 mg), eingenommen etwa eine halbe Stunde vor dem Zubettgehen. "Pulsatiles" Melatonin wirkt am effektivsten, da es den Wirkstoff in kleinen Schüben freisetzt, so wie es auch physiologisch ist, und so über mehrere Stunden den Schlaf begleitet. Man hat hier keinen reinen Einschlafeffekt wie bei herkömmlichen Produkten und keinen Überhang wie bei Retardprodukten. Entspannendes Magnesium kann man gut dazukombinieren.
Schlafmittel, über einen längeren Zeitraum eingenommen, sind keine Dauerlösung, sie können die Schlafarchitektur mit den verschiedenen Schlafphasen empfindlich stören. Gut dagegen ist die Aminosäure Glutamin, die aus Glutamat entsteht. Sie wird im Körper hergestellt, findet sich aber auch in Parmesan, Ei, Hühnerbrust, Sojabohnen, Erdnüssen, Linsen oder Haferflocken.
Eine warme Dusche am Abend
Kaffeegenuss am Nachmittag, also näher an der Nachtruhe, wirkt auf jeden anders: Bringt er uns um den Schlaf, sollten wir ihn auf den Vormittag beschränken. Auch die Kalorienzufuhr gegen Abend besser herunterfahren: Kohlenhydratreiches Abendessen führt zu einer starken Insulinausschüttung, dadurch landet überschüssige Energie kiloträchtig im Speicherfett, und es stört zudem die Ausschüttung regenerierender Wachstumshormone. Gesund für den regenerativen Schlaf ist abendliches Fasten, genau wie der Verzicht auf Alkohol. Kakao kann den Schlaf stören. Das enthaltene Theobromin stimuliert uns ähnlich wie Koffein.
Wer abends warm duscht, reduziert seine Körper-Kerntemperatur und leitet die zum Schlafen notwendige Abkühlung ein.
Sieben bis acht Stunden
Das Schlafzimmer selbst sollte möglichst komplett abgedunkelt sein, bei eher niedriger Raumtemperatur. Weil auch elektromagnetische Felder als Störfaktor wirken können, sollte man elektrische Geräte oder unter Strom stehende Rollläden lieber abstellen oder einen Abstand von einem Meter zum Schlafplatz sicherstellen. Das gilt auch für Radiowecker und Handy. Frauen in der Menopause schlafen prima mit einer bioidentischen Hormonersatztherapie, das Progesteron am Abend ist dafür "ein Traum". Vitamin D sollte ebenfalls nicht fehlen.
Als empfehlenswerter Standard gelten sieben bis acht Stunden Schlaf, mancher kommt auch mit weniger zurecht.
Wie man sich bettet, so liegt man: am besten auf einer guten Matratze, einem bequemen Kopfkissen, bei dem der Kopf nicht abknickt, und in angenehmem Bettzeug. Lassen Sie sich deshalb in einem Fachgeschäft beraten. Bleiben Sie schlaf- und traumbewusst und kommen Sie gesund durch die Zeit!
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
- Eigene Meinung