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Google statt Arztbesuch: Warum Internet-Diagnosen riskant sind


Meinung
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Internet-Diagnose
So gefährlich ist die Praxis Dr. Google

MeinungEine Kolumne von Dr. med. Yael Adler

27.07.2024Lesedauer: 4 Min.
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Digital-Arzt: Bei medizinischen Hinweisen aus dem Internet sollte die Quelle stets auf ihre Glaubwürdigkeit kontrolliert werden. (Quelle: IMAGO/imago)

Immer mehr Menschen suchen bei gesundheitlichen Problemen Rat im Internet. Sich dort zu informieren, kann sinnvoll sein, aber auch sehr gefährlich, weiß unsere Kolumnistin Dr. Yael Adler.

In der nicht ganz so guten alten Zeit, als es noch kein Internet gab, galten Patienten, die eine Auffassung oder Empfehlung ihres Arztes kritisch hinterfragten oder gar ganz infrage stellten, schnell mal als notorische Querulanten. Der Gedanke an das Einholen einer Zweitmeinung kam manchem Halbgott in Weiß einer Halbgotteslästerung gleich. Das hat sich mittlerweile ein wenig geändert: Schon vor Jahren hat eine Studie der Bertelsmann-Stiftung ausgewiesen, dass mehr als 80 Prozent der Ärzte in Deutschland den Wissensdrang der Patienten und deren Bereitschaft zur Mitwirkung bereits im Stadium der Diagnostik begrüßen.

Yael Adler
(Quelle: Markus Höhn)

Zur Person

Dr. med. Yael Adler ist Fachärztin für Dermatologie, Venerologie, Phlebologie und Ernährungsmedizin (DGEM). Seit 2007 praktiziert sie in ihrer eigenen Praxis in Berlin. Ihr Talent, komplexe medizinische Sachverhalte anschaulich und unterhaltsam zu vermitteln, stellt sie seit Jahren in Vorträgen, Veranstaltungsmoderationen und den Medien unter Beweis. Über Prävention und Therapien spricht sie regelmäßig in ihrem Podcast "Ist das noch gesund?". Ihre Bücher "Haut nah" und "Darüber spricht man nicht" standen auf Platz 1 der "Spiegel"-Bestsellerliste. Mit ihrem letzten Buch "Genial vital! – Wer seinen Körper kennt, bleibt länger jung" durfte sich die leidenschaftliche Ärztin erneut über diese Spitzenplatzierung freuen.

Internetvideos von therapeutischen Abläufen – etwa bei Laserbehandlungen oder Operationen – können aufklären, Angst mindern und das Gefühl vermitteln, dass niemand mit seinem ganz individuellen Befund allein ist. Wo das entsprechende Portal es vorsieht, kann der User sich auch gleich noch in ein Forum begeben und quasi vom Sofa aus an einer Art Selbsthilfegruppe teilnehmen.

Kritiker führen ins Feld, dass Betroffene – wie übrigens auch bei juristischen Problemen – so lange im Netz surfen, bis sie den Befund/den Sachverhalt erjagt haben, der in ihrem Fall gerade nicht zutrifft. Manchmal braucht es dann Zeit im Arzt-Patienten-Gespräch, um zu klären, warum die Behandlungsmethode, die ein Patient per Recherche für sich erkoren und bereits im breiten Familienkreis verkündet hat, wirkungslos oder gar kontraproduktiv wäre. Im besten Fall festigt ein solches Gespräch das Arzt-Patienten-Verhältnis.

Immer ein Arzt aus Fleisch und Blut

Übrigens hegt bislang noch etwa jeder dritte medizinisch Wissbegierige Skrupel, sich dem behandelnden Arzt als Online-Vorgebildeter zu erkennen zu geben. Auch das wird sich weiter ändern.

Um es trotzdem einmal ganz klar zu sagen: Bei allen Vorteilen – das Internet ist keine restlos zuverlässige Quelle und ganz sicher nicht geeignet für eine qualifizierte Selbstdiagnose. Machen Sie sich also nicht unnötig verrückt und suchen Sie einen Arzt aus Fleisch und Blut auf, um über Ihre Beschwerden zu sprechen, oder nutzen Sie zumindest einen echten Online-Arzt aus Fleisch und Blut, wie das etwa in manchen Live-Chats möglich ist. Und auch vor diesem Klassiker sei gewarnt: Ihr Arzt hat Ihnen ein bestimmtes Medikament verordnet. Sie googeln das direkt, finden im Netz heraus, dass es hochumstritten und gefährlich sei, und setzen es daraufhin eigenmächtig ab. Jetzt kann es wirklich gefährlich werden, denn Ihr Arzt hat Ihnen das Präparat eher nicht aus Leichtsinn oder Unkenntnis verschrieben. Es wird Gründe geben, warum bestimmte Nebenwirkungen in Ihrem speziellen Fall in Kauf genommen werden müssen oder gar nur im Beipackzettel stehen. Möglicherweise treten sie auch nur sehr, sehr selten auf. Das also lieber erst mal besprechen.

Bloß nicht verrückt machen lassen

Ein verantwortungsvoller Arzt wird immer eine sorgfältige Risikoabwägung vornehmen, bevor er Ihnen etwas verschreibt, und Ihnen etwas über das Präparat erklären. Bevor Sie also eigenständig eine Therapie verändern, fragen Sie bitte unbedingt bei Ihrem Arzt nach. Sprechen Sie ihn direkt auf Ihre Rechercheergebnisse an und lassen Sie sich erklären, warum das Medikament X für den Therapieerfolg bei Ihnen so wichtig ist. Nur im Gespräch mit Ihrem Arzt können Unsicherheiten ausgeräumt werden, wohingegen Sie im Internet vom Hölzchen aufs Stöckchen kommen und sich am Ende völlig verrückt machen. Dies geschieht klassischerweise am Freitagabend, wo man niemanden mehr erreicht. Ich weiß …

Tatsächlich klagen viele Internet-Patienten über starke Nebenwirkungen, nachdem sie Gesundheitsinformationen online gesucht haben. ("Klingt alles danach, dass ich auch diesen Tumor habe"… – "Und wenn es bei mir doch Krebs ist?!"). Kein Wunder – mit der Angst vor Krankheiten lässt sich viel Geld verdienen, deshalb tummeln sich im Internet auch so viele dubiose Plattformen und Anbieter. Oft kann man nicht sofort erkennen, ob hier eine ernsthafte und wissenschaftlich haltbare Patienteninformation veröffentlicht wird oder ob es nicht doch vorrangig um den Verkauf von Medikamenten, Medizinprodukten, Wundertherapien oder anderen Dingen geht, dreiste Abzocke inklusive.

Wissenschaft ist nicht statisch

Psychologen wissen: Wenn es einer Seite im Netz gelingt, unseren Erwartungen zu entsprechen, weil Aufmachung und Wortwahl stimmen, oder weil sie genau unsere innere Haltung, unsere Hoffnungen und Ängste abbildet, dann wird ihr gern Vertrauen geschenkt. Dies ist gut nachvollziehbar, aber oft fatal. Denn nur, weil wir uns bestätigt fühlen, muss ein Inhalt nicht richtig sein. Und ebenso wenig muss er stimmen, wenn er nur oft genug wiederholt wurde.

Spätestens seit Corona wissen wir, dass Wissenschaft und Medizin keine statischen Bereiche sind: Was heute richtig ist, kann sich morgen völlig anders darstellen oder falsch sein. Selbst statistische Erhebungen lassen enorm viel Spielraum für Interpretationen.

Wie aber kann man herausfinden, ob die Informationen im Netz seriös und qualitätsgeprüft sind, oder ob es sich um Außenseitermeinungen, um persönliche Erfahrungen von Einzelpersonen oder sogar um versteckte Werbeseiten handelt?

Viele Scharlatane in den Weiten des Internets

Laut einer Erhebung der Central-Krankenversicherung aus den Jahren 2013 und 2014 waren von hundert Gesundheitsportalen und Ratgeberseiten 33 Prozent mangelhaft oder ungenügend. Viele Krankenkassen bieten daher auf ihren Internetseiten Checklisten an. Auch der Verbraucherzentrale Bundesverband hat einen Kriterienkatalog erarbeitet (www.vzbv.de), wie Sie seriös von unseriös unterscheiden können.

Wenn Sie ohne Angst vor Risiken und Nebenwirkungen Ihr medizinisches Wissen im Internet erweitern wollen, dann sollten Sie folgende Fragen und Punkte auf jeden Fall beachten: Vorsicht vor Seiten, die von Suchmaschinen als erste angezeigt werden! Die sind häufig bezahlt und nicht immer die besten, sondern lediglich die umsatzstärksten. Überprüfen Sie, wer die jeweilige Seite betreibt: hier hilft der Blick ins Impressum. Sind die Experten, die gezeigt und zitiert werden, auch wirklich real? Am besten, Sie googeln deren Namen und Lebensläufe. Wer sind die Autoren der Texte? Verfügen sie wirklich über medizinisches Fachwissen? Wird hier ein Produkt oder eine Therapie beworben oder zum Kauf angeboten? Gehört das Betroffenen-Forum zu einem seriösen Gesundheitsportal?

Wird es ärztlich oder von einer Selbsthilfegruppe moderiert? Möchte man womöglich Ihre sensiblen Daten haben? Und ganz wichtig: Wie alt sind die Texte und Informationen überhaupt? In der Medizin ändern sich Überlebensraten, Prognosen und Therapien teilweise rasant.

Beweisen Sie auch in medizinischen Fragen Medienkompetenz und kommen Sie gesund durch's Netz!

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
Verwendete Quellen
  • Eigene Meinung
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