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Medikamente sind knapp: Was bedeutet das für Patienten?


Droht eine Versorgungslücke?
Das bedeutet der Medikamenten-Engpass für Sie

Von dpa, t-online
Aktualisiert am 11.10.2024Lesedauer: 3 Min.
Medikamenten-Engpass: Bundesweit beklagen Apotheken Lieferschwierigkeiten.Vergrößern des Bildes
Medikamenten-Engpass: Bundesweit beklagen Apotheken Lieferschwierigkeiten. (Quelle: ZeynepKaya/getty-images-bilder)

Apotheken schlagen Alarm: In Deutschland sind derzeit Hunderte Arzneimittel nicht verfügbar. Aber was bedeutet das für Patienten?

Kochsalzlösung, Schmerzmittel, Fiebersenker: Bei knapp 500 Medikamenten gibt es derzeit Lieferschwierigkeiten. Das geht aus der Datenbank des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hervor, in die Hersteller Lieferengpässe für versorgungskritische Arzneimittel eintragen.

Aber bedeutet das, dass Sie nun ohne Medikamente auskommen müssen?

Zur Erklärung

Als Lieferengpass wird eine über voraussichtlich zwei Wochen hinausgehende Unterbrechung einer Auslieferung im üblichen Umfang definiert. Auch eine deutlich vermehrte Nachfrage, der nicht angemessen nachgekommen werden kann, kann einen Lieferengpass bedeuten.

Nein, sagt Ulrike Holzgrabe, Seniorprofessorin für pharmazeutische und medizinische Chemie an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg. Zu beachten sei, dass nicht jeder Engpass eine Versorgungslücke bedeute, erklärt sie weiter. "Wenn bestimmte Blutdruckmittel mal schwer zu bekommen sind, ist das kein Versorgungsproblem." Es sei leicht möglich, auf andere Arzneimittel auszuweichen.

Eine Versorgungslücke gebe es erst dann, wenn diese Möglichkeit fehle. "Hochproblematisch sind zum Beispiel Engpässe bei Antibiotika", erklärte die Seniorprofessorin. Ein Umstieg auf ein anderes Antibiotikum sei immer nur die zweitbeste Therapie. Ebenfalls nur schwer zu ersetzen seien Salbutamol zur Behandlung von Asthma oder Atomoxetin gegen ADHS. "Beide Arzneien waren zuletzt von Engpässen betroffen."

Nicht mehr Medikamente als sonst betroffen

Ebenfalls wichtig für die Bewertung der aktuellen Engpässe: Die Zahl der Meldungen habe sich seit dem vergangenen Jahr kaum verändert, sagte David Francas von der Hochschule Worms. Im Juni 2023 seien es rund 480 Engpässe gewesen. Positiv zu vermerken sei, dass der stetige Anstieg der Lieferengpässe seit 2017 aktuell gebremst scheine. Auch Francas betonte, dass nicht jeder Engpass für Patienten gleichermaßen bedeutsam sei.

Gesetz brachte bisher kaum Verbesserung

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte im vergangenen Jahr das Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz (ALBVVG) auf den Weg gebracht, um Engpässe systematisch zu bekämpfen und die Versorgungssicherheit zu verbessern.

Dass sich danach rasch etwas ändert, sei von vornherein nicht zu erwarten gewesen, sagte Holzgrabe. "Grundsätzlich sind die Probleme von Lieferengpässen bekannt und ausreichend erforscht: In Deutschland haben wir mit Rabatt- und Festbeträgen die Preise so weit gedrückt, dass für viele Hersteller der deutsche Markt schlichtweg nicht attraktiv ist."

Bei vielen für die Breitenversorgung wichtigen Medikamenten sei die Preisschraube zu weit gedreht worden, ist auch Francas überzeugt. "Der Zusammenhang zwischen niedrigem Preisniveau und schlechterer Arzneimittelverfügbarkeit ist mittlerweile auch empirisch belegt."

Zudem entstünden immer mehr Monopole, bei denen ein Arzneistoff nur noch von wenigen Herstellern produziert werde, ergänzte Holzgrabe. "Wenn dann ein Hersteller aus welchen Gründen auch immer ausfällt, und das können schlichtweg auch Naturkatastrophen nahe dem Werk sein, haben wir schon ein Problem."

Zu strenge Regulierung?

Eine Ursache für wenig Produktion hierzulande seien sehr strikte – und damit abschreckend wirkende – Richtlinien für Hersteller. "In Deutschland dürfen Sie als Hersteller zum Beispiel in einem Werk nur ein einziges Antibiotikum herstellen, nicht mehrere. Das ist in China anders." Allerdings seien bei solchen aus China kommenden Arzneistoffen auch Verunreinigungen bei Antibiotika zu sehen.

"Aber ich bin mir sicher, es gibt einen Mittelweg", ist die Professorin überzeugt. Es sei jedenfalls sehr wichtig, von der Abhängigkeit von Produzenten in Asien wegzukommen. "Das bisherige System ist sehr festgefahren. Die EU hat aber einen ersten Vorstoß unternommen und Arzneien ermittelt, die idealerweise auf jeden Fall in Europa produziert werden sollten."

Nicht gleich mit dem Gießkannenprinzip zu arbeiten sei wichtig, betonte Francas. Denn "eine unbequeme Wahrheit" sei auch, dass entsprechende Maßnahmen mit deutlichen Kosten verbunden sind.

Bei Kochsalzlösung gibt es einen echten Versorgungsengpass

Die aktuellen Lieferengpässe bei Kochsalzlösung will Lauterbach durch Importe überbrücken. Er werde übergangsweise die Voraussetzungen für den Import von Kochsalzlösungen als Arzneimittel schaffen, teilte ein Sprecher mit.

Warum ist Kochsalzlösung so wichtig?

Kochsalzlösung ist unter anderem für Infusionen, zur Herstellung von Medikamenten und Operationen wichtig. Daher warnte bereits zu Beginn der Woche die Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen (KGNW) davor, dass im schlimmsten Fall Operationen verschoben werden müssten. Mehr dazu lesen Sie hier.

"Ich finde es kurios, dass das Thema jetzt hochkocht, denn wir konnten schon im Frühjahr sehen, dass es zum Beispiel bei den Kochsalzlösungen Probleme geben könnte", sagte Holzgrabe. Braun und Fresenius, die beiden entscheidenden Hersteller, hätten damals schon Schwierigkeiten gemeldet. Bei Kochsalzlösungen sei daher derzeit tatsächlich von einem Versorgungsengpass zu sprechen.

Die Ursachen sind wohl vielschichtig, wie Francas, Professor für Daten- und Lieferkettenanalyse, erklärte. Es habe Schäden an einem Werk in den USA durch den Hurrikan Helene gegeben, und davor schon Engpässe bei Herstellern wegen Problemen mit Glasflaschen. Wegen der globalen Vernetzung gebe es dann rasch weltweite Auswirkungen.

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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