Entwicklung deutscher Forscher Neue Therapie gegen Herzmuskelschwäche zeigt Wirkung
Weltweit einzigartig: Patienten mit Herzschwäche wurde im Rahmen einer Studie ein sogenanntes Herzpflaster implantiert. Erste Tests zeigen nun: Die Therapie funktioniert.
Schwer herzkranke Menschen mit akuter Herzschwäche könnten künftig von einer neuen Behandlungsmethode profitieren: Mediziner der Universitätskliniken Göttingen und Schleswig-Holstein haben ein Herzpflaster entwickelt, das schwache Herzen reparieren soll. Ein Testpatient berichtet nun von seinen Erfahrungen.
Zwei Jahre mit Herzpflaster: Patient schildert Erfahrungen
"Es ist wie ein neues Leben" – so beschreibt Frank Teege die neuartige Behandlungsmethode gegen Herzmuskelschwäche. Seit zwei Jahren trägt er ein sogenanntes Herzpflaster, das an der Universitätsmedizin Göttingen und dem Universitätsklinikum Schleswig-Holstein in Lübeck entwickelt wird. Im Rahmen einer Studie hat Teege als nur einer von zwölf Menschen weltweit das Herzpflaster erhalten. Die Wissenschaftler sind überzeugt: Es ist ein Arzneimittel der Zukunft.
Erste Studienergebnisse zum Herzpflaster deuteten auf dessen Wirksamkeit hin, sagte der Leiter der Pharmakologieklinik an der Unimedizin Göttingen, Wolfram-Hubertus Zimmermann, der auch die Erprobungsstudie leitet. Die Sicherheit des Medikaments sei zudem solide.
Testpatient: "Ich komme wieder Berge hoch"
Testpatient Teege berichtet indes von neugewonnener Lebensqualität, seitdem ihm das Herzpflaster vor etwa zwei Jahren eingesetzt wurde. "Ich kam in Italien keine Berge mehr hoch." Da habe er gewusst, dass etwas nicht stimme. Ärzte fanden heraus, dass seine Herzleistung nur noch 10 Prozent betrug, inzwischen seien es wieder 35. "Jetzt komme ich die Berge wieder hoch. Das ist, wie wenn man einen Motor repariert", sagte der ehemalige Schiffskapitän. "Dass wir gleich einen Therapieeffekt in dieser Größenordnung haben, konnte man nicht unbedingt direkt erwarten", ergänzte Zimmermann.
Für die Behandlung werden beim Biotechnologieunternehmen Repairon in Göttingen Herzmuskelzellen künstlich aus Stammzellen hergestellt, die wiederum aus Nabelschnurblutzellen gewonnen werden. So entstehen kleine Bauteile aus Herzmuskelgewebe, die zum sogenannten Pflaster zusammengenäht und anschließend auf das geschwächte Herz genäht werden. Das Pflaster besteht aus 800 Millionen jungen Herzzellen, ist etwa 100 Quadratzentimeter groß und vier Millimeter dick. Es wird in einer mehrstündigen Operation minimalinvasiv eingesetzt.
"Das ist eigentlich Standard und hilft in Zukunft hoffentlich dabei, dass die Therapie auch an anderen Standorten möglich wird", sagte der Direktor der Herzklinik am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Stephan Ensminger. Knifflig sei, dass das Herzpflaster ohne Falten auf das schlagende Herz genäht werden müsse.
Info: Herzschwäche (Herzinsuffizienz)
Herzschwäche ist laut dem Deutschen Herzbericht von 2022 mit rund 400.000 jährlichen Krankenhauseinweisungen der häufigste Grund für einen Klinikaufenthalt. In zehn Prozent dieser Fälle sei die Erkrankung so schwerwiegend, dass die Lebenserwartung trotz optimierter Behandlung bei meist etwa zwölf Monaten liege. Durch die immer älter werdende Gesellschaft dürften die Zahlen in den kommenden Jahren weiter steigen.
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Für wen sich das Herzpflaster eignen könnte
Das Besondere an der seit 25 Jahren entwickelten Behandlung sei, dass sie anders als bisherige Medikamente tatsächlich neue Muskeln aufbaue. "Das kann keine Pille", sagte Zimmermann. Bereits direkt nach dem Einsetzen stabilisiere das Herzpflaster das geschwächte Herz, vor allem innerhalb der ersten sechs bis zwölf Monate werde die Herzleistung verbessert.
Nach bisherigem Wissensstand eigne sich das Herzpflaster für Menschen, bei denen andere medikamentöse Behandlungen ausgeschöpft seien, es aber noch nicht zu Organversagen komme. "In Zukunft könnte für einige Patientinnen und Patienten ein im Labor gezüchtetes Gewebetransplantat eine Alternative zu mechanischen Herzunterstützungssystemen werden", sagte der Direktor der Herzklinik an der Unimedizin Göttingen, Ingo Kutschka. Denkbar sei auch, dass das Medikament in Zukunft zusammen mit anderen Therapien verbunden werde, etwa mit Bypassoperationen.
Wissenschaftler wollen eingeschränkte Zulassung
Insgesamt wurden im Rahmen einer Studie bisher zwölf Menschen, davon zehn Männer und zwei Frauen, in Göttingen und Lübeck mit dem Arzneimittel behandelt. Die meisten von ihnen hatten zuvor einen Herzinfarkt erlitten, der viele ihrer eigentlich vier Milliarden Herzzellen tötete. Das Pflaster wurde dann auf dem toten Herzgewebe aufgebracht. In einer zweiten Studienphase sollen weitere 35 Menschen behandelt werden, erklärte Studienleiter Zimmermann.
Das Medikament soll nun eine Ausnahmegenehmigung erhalten, damit es in bestimmten Fällen schon an anderen Standorten weltweit eingesetzt werden kann. Weitere zukünftige Ziele sind größere Produktionsmengen und Herzpflaster, die auch ohne die Einnahme weiterer Medikamente nicht vom Körper abgestoßen werden. Derzeit können zwei Menschen pro Monat behandelt werden, 2026 sollen es 60 bis 100 sein.
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- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa