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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Kanada setzt auf Abstinenz Ist Null-Alkohol wirklich die Lösung?
Kanada empfiehlt seinen Bürgern, zum eigenen Schutz am besten ganz auf Alkohol zu verzichten. Was steckt dahinter?
Ein Glas Wein kann nicht schaden, heißt es gern. Für viele ist das Feierabendbier obligatorisch – Alkohol ist allgegenwärtig und aus unserer Gesellschaft praktisch nicht wegzudenken. In Deutschland gelten als Richtmaße für einen risikoarmen Konsum:
- Frauen sollten nicht mehr als 12 Gramm Alkohol pro Tag trinken, also nicht mehr als ein kleines Glas Wein (0,125 Liter)
- Für Männer gilt: nicht mehr als zwei kleine Gläser Bier (0,6 Liter)
- An mindestens zwei Tagen pro Woche sollte kein Alkohol getrunken werden, um die Suchtgefahr einzudämmen.
Kanada geht jetzt einen anderen Weg. Die dortige Suchtbehörde ("Canadian Centre on Substance Use and Addiction") empfiehlt fortan, komplett auf Alkohol zu verzichten. „Wenn Sie überhaupt trinken müssen, gelten maximal zwei Drinks pro Woche als risikoarm", heißt es in den neuen Alkoholrichtlinien.
Von mehr als zehn auf zwei Drinks in der Woche
Zuvor galt die Empfehlung: zehn Drinks pro Woche für Frauen und 15 Drinks für Männer. Erin Hobin, Mitglied des Expertenrates, der die neuen Richtlinien erarbeitet hat, erklärt: „Die Hauptbotschaft dieser neuen Leitlinien ist, dass schon die geringste Menge Alkohol schlecht für die Gesundheit ist. Und wenn Sie trinken, ist weniger besser."
Als Begründung gibt das Expertengremium an: »Die Forschung bestätigt die Bedeutung des Alkoholkonsums als Risikofaktor für eine wachsende Zahl von Krankheiten, darunter mindestens sieben Krebsarten, Demenz und sexuell übertragbare Krankheiten.“
Studie zeigt hohe Todeszahlen durch Alkohol
Eine im November von kanadischen und US-Wissenschaftlern veröffentlichte Studie ergab, dass in den Jahren 2015 bis 2019 etwa 140.000 Todesfälle in den USA auf das Konto von übermäßigem Alkoholkonsum gingen – und zwar nur in der Altersgruppe zwischen 20 und 64 Jahren. Die Forscher erklären: "Die Ergebnisse dieser Querschnittsstudie deuten darauf hin, dass schätzungsweise einer von acht Todesfällen bei Erwachsenen in den USA im Alter von 20 bis 64 Jahren auf übermäßigen Alkoholkonsum zurückzuführen war, einschließlich einer von fünf Todesfällen bei Erwachsenen im Alter von 20 bis 49 Jahren."
40 Prozent dieser Todesfälle ließen sich direkt auf den Alkoholkonsum zurückführen, durch Vergiftungen, Autounfälle oder Tötungsdelikte. Der Großteil der Alkoholtoten litt jedoch an durch das Trinken verursachten chronischen Erkrankungen wie Brust- oder Darmkrebs, Leber- oder Herz-/Kreislauferkrankungen.
Unter anderem aus diesen Erkenntnissen leiten die kanadischen Gesundheitsexperten folgende Empfehlungen ab:
- Personen, die zwei Standardgetränke oder weniger pro Woche konsumieren, haben ein niedriges Risiko für alkoholbedingte Gesundheitsschäden.
- Das Risiko wird als moderat eingestuft, wenn zwischen drei und sechs Drinks pro Woche konsumiert werden.
- Bei sieben und mehr steigt das Risiko für alkoholbedingte Gesundheitsschäden wie Krebs oder Herz-Kreislauferkrankungen zunehmend an.
Als ein "Standardgetränk" gelten demnach 341 Milliliter Bier mit fünf Prozent Alkoholgehalt (entspricht einer Flasche Bier in Kanada) oder 142 Milliliter Wein mit zwölf Prozent Alkoholgehalt.
Alkohol ist nie unbedenklich
Die Empfehlungen zur Abstinenz decken sich mit einer Erklärung, die die Weltgesundheitsorganisation (WHO) jüngst im Fachblatt "The Lancet" veröffentlichte. Ihr Fazit: "Beim Alkoholkonsum gibt es keine gesundheitlich unbedenkliche Menge."
Im Text heißt es: "Mit steigendem Alkoholkonsum erhöht sich das Krebsrisiko erheblich. Doch die neuesten verfügbaren Daten deuten darauf hin, dass die Hälfte der dem Alkohol zurechenbaren Krebsfälle in der Europäischen Region der WHO durch 'leichten' bis 'moderaten' Alkoholkonsum – weniger als 1,5 Liter Wein oder weniger als 3,5 Liter Bier oder weniger als 450 Milliliter Spirituosen pro Woche – verursacht werden."
Über 20.000 Krebserkrankungen aufgrund von Alkoholkonsum
In Deutschland lassen sich mehr als 20.000 Krebsneuerkrankungen und mehr als 8.000 Krebstodesfälle sich pro Jahr auf den Konsum von Alkohol zurückführen, meldet der "Alkoholatlas" des Deutschen Krebsforschungszentrums DKFZ. Damit gehen vier Prozent der Todesfälle in Deutschland auf das Konto von übermäßigem Alkoholkonsum.
45 Prozent davon sind Darmkrebsfälle. Außerdem führt der übermäßige Alkoholkonsum zu Tumoren in Mundhöhle, Rachen, Kehlkopf, Speiseröhre, Leber und in der weiblichen Brust.
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
- Studie: "Estimated Deaths Attributable to Excessive Alcohol Use Among US Adults Aged 20 to 64 Years, 2015 to 2019" (1. November 2022, englisch)
- BBC: "What's behind Canada's drastic new alcohol guidance" (18. Januar 2023, englisch)
- WHO: "Beim Alkoholkonsum gibt es keine gesundheitlich unbedenkliche Menge" (4. Januar 2023)
- Alkoholatlas 2022