Ärzte und RKI warnen Kinderkliniken wegen Atemwegsinfektionen am Limit
Atemwegsinfekte sind vor allem für Kleinkinder gefährlich. Das Robert Koch-Institut (RKI) warnt und ein Arzt spricht bereits von "Katastrophenzuständen".
Infektionen mit dem Respiratorischen Synzytial-Virus (RSV) führen dem RKI zufolge insbesondere bei Kleinkindern vermehrt zu Erkrankungen und Krankenhauseinweisungen.
In den kommenden Wochen sei mit weiter steigenden Zahlen zu rechnen, heißt es im RKI-Wochenbericht zur Entwicklung der Corona-Pandemie. Der Kinder-Intensiv- und Notfallmediziner Florian Hoffmann sagte der Deutschen Presse-Agentur zur Entwicklung bei Kleinkindern: "Es ist keine Kurve mehr, sondern die Werte gehen senkrecht nach oben."
Bereits jetzt nicht genügend Plätze
In mehreren Bundesländern, darunter Bayern, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen, gebe es schon jetzt kaum ein freies Kinderbett in Kliniken mehr, sagte Hoffmann, Generalsekretär der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi) und Oberarzt im Dr. von Haunerschen Kinderspital in München. Er sprach von "Katastrophenzuständen" – Familien mit kranken Kindern müssten teils in der Notaufnahme auf einer Pritsche schlafen. Das sei für Deutschland ein Armutszeugnis. Viele betroffene Kinder seien schwer krank und müssten beatmet werden.
Bereits im Spätsommer 2021 hatte es eine unüblich hohe RSV-Welle gegeben – die Lage aktuell sei aber schlimmer, sagte Hoffmann. Nicht nur in Deutschland, generell auf der Nordhalbkugel gebe es ein "dramatisches epidemisches Geschehen". Betroffen seien viele Kinder von ein oder zwei Jahren, die – auch angesichts der Corona-Pandemie und der dagegen getroffenen Maßnahmen – bisher keinerlei Kontakt zum RSV hatten, erklärte Hoffmann.
Deutlich mehr Atemwegserkrankungen
Im aktuellen RKI-Wochenbericht heißt es, die Zahl akuter Atemwegserkrankungen generell sei nach Daten der Online-Befragung "GrippeWeb" im Vergleich zur Vorwoche deutlich gestiegen. In der Woche bis 20. November lag sie demnach mit etwa sieben Millionen über dem Bereich vorpandemischer Jahre.
Dies schlägt sich auch in der Erfassung der mit schweren akuten respiratorischen Infektionen (Sari) neu im Krankenhaus aufgenommener Patientinnen und Patienten nieder: Aktuell werden bedingt durch die ungewöhnlich starke RSV-Zirkulation deutlich mehr Sari-Fälle bei den bis 4-Jährigen verzeichnet als in den vorpandemischen Jahren und im Vorjahr, wie es vom RKI hieß. Auch in den folgenden Altersgruppen bis 14 Jahre liegen die Sari-Werte demnach auf einem sehr hohen Niveau.
Strukturelle Probleme sorgen für Engpässe
Zur Situation in der Kinderintensivmedizin will die Divi kommende Woche in Hamburg neue Zahlen – und damit einhergehende Forderungen und Lösungsvorschläge zur Verbesserung der Versorgung schwerstkranker Kinder – vorstellen. "Wir werden diesen Winter nicht mehr alle versorgen können. Die Kollegen landauf landab wissen nicht wohin mit unseren kleinen Patienten", sagt sagte Hoffmann.
Strukturen zur Bewältigung der Situation seien nicht vorhanden und die vorhandenen Register zur Bettensituation aus Zeitmangel oft nicht aktuell. "Wir müssten nun eigentlich Notfall-Mechanismen aktivieren, zum Beispiel Pflegepersonal aus der Erwachsenenmedizin hinzuziehen."
Risiko bei Säuglingen und Kleinkindern besonders hoch
An RSV kann man in jedem Alter erkranken, aber vor allem bei Säuglingen und Kleinkindern ist der Erreger bedeutsam. Es kann sich um eine einfache Atemwegsinfektion handeln, aber auch schwere Verläufe bis hin zum Tod sind möglich. Zu Risikopatienten zählt das RKI zum Beispiel Frühgeborene und Kinder mit Lungen-Vorerkrankungen, aber auch generell Menschen mit Immunschwäche oder unterdrücktem Immunsystem.
Beim RKI heißt es unter Berufung auf Schätzungen, dass RSV-Atemwegserkrankungen weltweit mit einer Inzidenz von 48,5 Fällen und 5,6 schweren Fällen pro 1000 Kinder im ersten Lebensjahr vorkommen. Innerhalb des ersten Lebensjahres hätten normalerweise 50 bis 70 Prozent und bis zum Ende des zweiten Lebensjahres nahezu alle Kinder mindestens eine Infektion mit RSV durchgemacht. Im Zuge der Corona-Schutzmaßnahmen waren viele solche Infektionen allerdings zeitweise ausgeblieben.
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
- Nachrichtenagentur dpa