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Trotz Sanktionen: Russlands Rubel ist stark – die Wirtschaft nicht


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Wie Phönix aus der Asche
Warum der Rubel trotz Sanktionen nicht abstürzt


Aktualisiert am 30.06.2022Lesedauer: 4 Min.
Ein Mann hebt Geld an einem Automaten in Moskau ab (Symbolbild): Der Rubelkurs ist in den vergangenen Monaten erst deutlich abgestürzt und dann in ungeahnte Höhen geschnellt.Vergrößern des Bildes
Ein Mann hebt Geld an einem Automaten in Moskau ab (Symbolbild): Der Rubelkurs ist in den vergangenen Monaten erst deutlich abgestürzt und dann in ungeahnte Höhen geschnellt. (Quelle: Tass/imago-images-bilder)

Die Sanktionen sollten Russland schwächen, nun ist der Rubel stärker als vor dem Krieg. Sind die Boykotte des Westens also wirkungslos?

Der russische Rubel ist in diesem Jahr auferstanden wie der Phönix aus der Asche. Zu Beginn des russischen Krieges in der Ukraine brach die Landeswährung stark ein, Experten malten die verheerende Wirkung mancher Sanktionen aus, wie etwa den Ausschluss Russlands aus dem internationalen Zahlungsnetzwerk Swift, und prognostizierten Russland eine Inflation von bis zu 40 Prozent.

Und nun? Mehr als vier Monate nach dem Kriegsbeginn ist der Rubel so stark wie seit sieben Jahren nicht mehr, die Inflation ist im Mai etwas zurückgegangen und die russische Zentralbank rechnet in ihrer Jahresprognose mittlerweile nur noch mit einer Teuerungsrate von 14 bis 17 Prozent anstatt fast 23 Prozent auf das gesamte Jahr. Sind die westlichen Sanktionen also wirkungslos?

Im Gegenteil: Die Sanktionen zielen darauf ab, Russlands Wirtschaft langfristig einzuschränken und vom Weltmarkt zu isolieren. Russische Firmen sind komplett von der westlichen Welt ausgeschlossen, auch die Geldflüsse zwischen dem Westen und Russland sind zum größten Teil versiegt. Russlands Wirtschaft droht zurück in die Zeiten der Sowjetunion zu fallen – seine Hoffnung muss das Land auf China und Indien als starke Partner setzen.

Drei besonders effektive Maßnahmen

Wie sehr die Sanktionen Russland einschränken, zeigen auch die deutlichen Worte des stellvertretenden Vorsitzenden des russischen Sicherheitsrates, Dmitri Medwedew. Dieser bezeichnete die Sanktionen als "internationale Aggressionen" und möglichen "casus belli" – also als möglichen Kriegsgrund.

Die Zentralbank hat in den vergangenen Monaten einige Maßnahmen unternommen, um Russland Zeit zu kaufen. So konnte sie den Rubel von seinem Abwärtstrend wieder stabilisieren. Doch langfristig bergen die Maßnahmen auch viele Risiken. Die Leiterin der russischen Notenbank, Elvira Nabiullina, gilt als sehr erfahrene Makroökonomin und genießt internationale Anerkennung. In den drastischen Zeiten hat sie vor allem auf drei Maßnahmen zurückgegriffen, um den Rubel wieder einzufangen.

  • Kapitalkontrollen
  • Deutliche Zinserhöhungen
  • Zwangsumwandlungen von Rubel

Mit Kapitalkontrollen verhinderte die russische Notenbank zuerst, dass die Russen panikartig ihr Vermögen in andere Währung umtauschten oder außer Landes brachten. Als der Rubel kurz nach dem Kriegsbeginn sukzessive fast 50 Prozent an Wert verlor, erlebten die Banken einen starken Ansturm. Die Russinnen und Russen versuchten, ihr Geld abzuziehen – viele Automaten konnten nicht schnell genug das Geld wieder auffüllen, um dem Ansturm gerecht zu werden.

Deutschland stützt den Rubelkurs

Eine Flucht in andere Währungen hätte wiederum den Kurs des Rubels noch weiter fallen lassen und so eine Spiralwirkung ausgelöst. Mit ihrer Kapitalkontrolle hat die russische Zentralbank verhindert, dass die Russen in andere Währungen fliehen können. Nun stellt die Notenbank in Aussicht, dass sie die Kapitalkontrollen bald aufheben könnte. Das setzt das Vertrauen der Russen in die eigene Währung voraus.

Um das zu stärken, hat die Notenbank als Reaktion auf den Rubelverfall den Leitzins massiv angehoben, um die eigene Bevölkerung zu motivieren, ihr Vermögen in Rubel auf den Konten russischer Banken zu belassen. Denn der Ansturm der Russen auf ihre Banken hätte die Geldhäuser auf lange Sicht in schwere Zahlungsnot bringen können. Mittlerweile hat Nabiullina den Leitzins wieder auf 9,5 Prozent gesetzt, denselben Wert wie vor dem Einmarsch in die Ukraine.

Doch die größte Stabilisierung bietet der Westen selbst Russland: Als Putin forderte, Deutschland und andere Länder müssten ihre Rechnungen in Zukunft mit Rubel bezahlen, war der Aufschrei groß. Doch nun erfüllt Deutschland die Forderung des Kremls und stützt damit den Rubelkurs – zumindest über Bande.

Wirtschaftsminister fürchtet zurückgestellte Investitionen

Denn Deutschland zahlt seine Rechnungen zwar in Euro an ein Konto der Gazprombank, diese wandelt dann aber die Beträge direkt in Rubel um – und erzeugt damit eine künstliche Nachfrage nach Rubel. All das führt zu einem Rubel, der nach außen vor allem Stärke demonstriert.

Und dennoch kann ein starker Rubel der russischen Wirtschaft gefährlich werden. Denn gerade die exportorientierten Branchen setzt ein starker Rubel unter Druck, sagte etwa kürzlich der russische Wirtschaftsminister Maxim Reschetnikow. Er befürchtet, dass heimische Unternehmen bald weniger investieren und produzieren könnten.

Die hohen Zinsen, die die Notenbank einführen musste, um das Vertrauen der Russen in die eigenen Banken wieder herzustellen, haben die Banken stark belastet – denn die hohen Zinsversprechen haben ihre Margen stark sinken lassen. Auch die Börsen entwickeln sich bei einem so hohen Zinsumfeld meist sehr negativ. Es ist daher nicht verwunderlich, dass Nabiullina den Leitzins gesenkt hat.

Sanktionen stärken Interesse an heimischen Gütern

Dennoch verschrecken solche drastischen Maßnahmen ausländische Investoren. Russland wird sich länger international einem Mangel an Vertrauen ausgesetzt sehen. Der Kreml befeuert diese Ängste nur, wenn er droht, ausländische Unternehmen zu enteignen.

Schließlich sind viele Hintergründe des starken Rubels auch auf eigentlich negative Entwicklungen in der Gesellschaft zurückzuführen. So kann die russische Wirtschaft schlicht aus dem Westen kaum noch Güter importieren, es besteht also deutlich weniger Nachfrage, Rubel gegen ausländische Währungen zu tauschen. "Wenn Güter sanktioniert sind, konzentriert sich ein Teil der russischen Nachfrage auf heimische Güter. Das stärkt wiederum den Rubel", erläuterte jüngst Commerzbank-Devisenexpertin Anja Praefcke gegenüber tagesschau.de.

Zudem ist die Nachfrage nach Rubel im Tausch gegen Euros weiterhin hoch, durch das Gas, das Deutschland und andere Staaten Russland nach den neuen Bedingungen abnehmen. Deutschland zahlt zwar in Euro (siehe oben), aber das Geld wird sofort in Rubel umgewandelt.

Künstliche Stärke

Die Nachfrage von Euro nach Rubel ist damit deutlich stärker als andersherum, das festigt den Rubelkurs – hat aber wenig mit der tatsächlichen wirtschaftlichen Stärke Russlands zu tun. Der Rubel-Wechselkurs ist aktuell nämlich kein Preis, der sich unter den Bedingungen eines freien, funktionierenden Devisenmarkts gebildet hat. Vielmehr verhindern die Sanktionen, dass russische Firmen Technologie oder andere Produkte gegen ausländische Devisen eintauschen können. Das Erstarken des Rubels ist also künstlich.

Die Sanktionen sind damit nicht wirkungslos, die russische Notenbank ist vielmehr nur sehr geschickt darin, hart gegen die Folgen anzusteuern. Die Frage ist: Wie lange?

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