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Neue Embargo-Pläne: Das bringt ein Verbot von russischer Kohle tatsächlich


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Symbolpolitik oder hartes Durchgreifen?
Das bringt ein Verbot russischer Kohle tatsächlich


Aktualisiert am 05.04.2022Lesedauer: 3 Min.
Russische Kohlekumpel in der Region Kemerowo: Fast die Hälfte der in Deutschland verfeuerten Kohle kam 2020 aus Russland.Vergrößern des Bildes
Russische Kohlekumpel in der Region Kemerowo: Fast die Hälfte der in Deutschland verfeuerten Kohle kam 2020 aus Russland. (Quelle: Maxim Kiselew/imago-images-bilder)

Keine Kohle aus Russland: Mit dem neuen Sanktionspaket könnte die EU zum ersten Mal auf den russischen Energiesektor zielen. Ein harter Einschnitt dürfte das für Russland nicht sein – aber ein Signal.

Im Schatten der Diskussion um einen Lieferstopp für russisches Erdgas nimmt die EU jetzt Sanktionen gegen andere Energieträger in den Blick und sendet damit ein Warnsignal an Kremlchef Putin. Bisher hat Brüssel die Energieexporte – Russlands wichtigstes Standbein – stets unberührt gelassen. Das könnte sich nun ändern.

Wegen der Gräuel, die mutmaßlich russische Soldaten in der ukrainischen Kleinstadt Butscha angerichtet haben, schlägt die EU-Kommission vor, keine Kohle, kein Holz und keinen Wodka mehr aus Russland zu importieren. Auch die Ausfuhr bestimmter Halbleiter und Computer soll verboten werden.

"Die neuen Sanktionen drehen die Daumenschrauben gegenüber Russland nochmals an, aber vermeiden die maximale Eskalation", so Jens Südekum, Professor am Institut für Wettbewerbsökonomie an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.

Russland kann beim Kohleverbot ausweichen

Kohle machte zuletzt etwas mehr als vier Prozent der russischen Exporte aus. Dennoch ist Russland nach Indonesien und Australien der drittgrößte Kohleexporteur weltweit. 262 Millionen Tonnen hat das Land 2021 in andere Länder verkauft. In der EU landete davon Kohle im Wert von rund vier Milliarden Euro, wie EU-Kommissionspräsidenten Ursula von der Leyen schätzt.

Das klingt nach einer hohen Summe. Tatsächlich aber ist ein Verbot der russischen Kohle die einfachste Form der Energiesanktionen für die EU. Sie schmerzt die westlichen Partner am wenigsten – aber lässt damit auch Russland viel Spielraum.

"Wir wollten bis Mitte des Jahres ohnehin unabhängig von russischer Kohle sein, nun geht es noch etwas schneller", sagt Südekum. Fast die Hälfte der 31,82 Millionen Tonnen, die die Bundesrepublik 2020 importierte, kam nach Angaben des Vereins der Kohlenimporteure aus Russland.

Keine schweren Einschnitte für die deutsche Wirtschaft

Die Industrien haben aber bereits begonnen, die Lieferverträge umzustrukturieren. Deutschland könnte zudem einfach auf andere Exporteure wie die USA oder Südafrika ausweichen. Der Verzicht auf russische Kohle hätte also weniger dramatische Folgen als ein Ende der Erdgaslieferungen.

Laut Gabriel Felbermayr könnte ein Kohleimportstopp punktuell und kurzfristig Schwierigkeiten in Kraftwerken verursachen. "Diese sind aber im EU-Binnenmarkt und auf dem Weltmarkt auffangbar", so der ehemalige Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW).

Umgekehrt heißt das aber auch: Russland könnte auf ähnliche Weise umschwenken. "Putin bleibt nicht darauf sitzen, sondern kann die Kohle einfach auf dem Weltmarkt verkaufen", sagt Ökonom Südekum. "Bei Gas ginge das nicht."

EU-Kommission droht mit Ölverbot als nächster Stufe

Einen Großteil seiner Kohle verkauft Russland ohnehin schon nach Asien. Länder wie China werden auch weiterhin russische Exporte annehmen. Europa nimmt gerade einmal ein Drittel der russischen Kohle ab.

Das Verbot der russischen Kohle ist daher womöglich deutlicher in seiner Signalwirkung: Der Energiesektor ist nicht mehr geschützt vor den Sanktionen, bald könnte sich die EU auch andere Energieträger mit Maßnahmen vorknöpfen, die Russland stärker treffen. EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen brachte als nächsten Schritt bereits einen Importstopp von russischem Öl ins Spiel.

"Wirklich schmerzen würden Russland Sanktionen auf Erdöl und Erdgas", so Felbermayr weiter, der seit Kurzem das Österreichische Institut für Wirtschaftsforschung (Wifo) leitet. Öl macht insgesamt 33 Prozent der russischen Exporte aus, 2021 war Russland nach Saudi-Arabien der größte Rohölexporteur der Welt.

Angst vor Ende der Gaslieferungen

Hier nimmt die EU einen deutlich größeren Stellenwert ein. Fast jede zweite Exportlieferung an Öl ging zuletzt nach Europa, nur 38 Prozent nach Asien. Schmerzhafter wäre nur noch ein Verzicht auf russisches Gas. Das Land war 2021 der größte Gasexporteur der Welt, knapp Dreiviertel der Exporte gingen nach Europa.

Genau diese Abhängigkeit lässt die EU zwar von einem Ölimportverbot sprechen, bei der Umsetzung aber zögern. "Die EU traut sich momentan noch nicht, Erdölimporte zu stoppen, weil die Reaktion Russlands im Stopp der Gaslieferungen liegen könnte, was einigen EU-Staaten, darunter Deutschland und Österreich, erheblich schaden würde", sagt Felbermayr.

Die Wirtschaftsverbände sowie einige Ökonomen warnen im Falle eines Endes der Gaslieferungen vor unabsehbaren Schäden für die Wirtschaft und einer schweren Rezession. Die deutschen Ampelpolitiker weisen daher jegliche Forderung nach einem Energieembargo als Antwort auf das Massaker in Butscha ab. Das aktuelle Sanktionspaket unterstützt die Regierung dagegen. Am Mittwoch wollen sich die EU-Länder bezüglich der neuen Sanktionen abstimmen.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • US Energy Information Administration: Europe is a key destination for Russia’s energy exports
  • The Observatory of Economic Complexity: Russia
  • Mit Material der Nachrichtenagenturen Reuters, dpa und AFP
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