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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Sanktionen So viel Geld haben die russischen Oligarchen bereits verloren
Der Westen zielt mit seinen Sanktionen auf Putins einflussreiche Freunde – und deren Luxusleben. Die Verluste einzelner russischer Oligarchen gehen in die Milliardenhöhe. Diese Superreichen sind besonders betroffen.
Beschlagnahmte Luxusjachten, eingefrorene Vermögen – die USA, die EU und Großbritannien nehmen immer mehr russischen Oligarchen deren Luxus weg. Auch wenn die Sanktionslisten der verschiedenen Länder nicht immer dieselben Geschäftsmänner und Politiker treffen, haben die bestraften Oligarchen doch eines gemeinsam: Sie haben ihren Reichtum in gewisser Weise Russlands Präsidenten Putin zu verdanken.
Die schärfsten Sanktionen gegen russische Superreiche kündigte Großbritannien an – tatsächlich bestraft hat das Vereinte Königreich aber bisher nur eine überschaubare Zahl an Geschäftsmännern. Die EU hat bereits Maßnahmen gegen 26 Oligarchen ergriffen und kündigte am Mittwoch vergangener Woche Sanktionen gegen 14 weitere Russen an. Großbritannien fügte vergangene Woche sieben weitere Oligarchen der Sanktionsliste hinzu.
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Roman Abramowitsch verliert 11 Prozent seines Vermögens
Der prominenteste Vertreter der neu sanktionierten Oligarchen im Vereinten Königreich war dabei Roman Abramowitsch, der aufgrund der Sanktionen nun seinen Fußballclub, den 1. FC Chelsea, nach 20 Jahren zum Verkauf anbietet. Auch wenn der Oligarch mit seinem Reichtum im Licht der Öffentlichkeit steht, halten sich seine persönlichen Verluste noch in Grenzen.
Seit dem 23. Februar 2022 hat der russische Oligarch einen Verlust von etwa 1,7 Milliarden US-Dollar hinnehmen müssen, zeigen Daten des Bloomberg Billionaires Index. Klingt viel, ist für Abramowitsch allerdings wohl zu verschmerzen. Die Summe entspricht gerade einmal 11 Prozent seines Nettovermögens, errechnet das Statistikportal Statista. Der 55-Jährige kann trotz der Sanktionen noch auf ein zweistelliges Milliardenvermögen blicken.
Gebürtiger Ukrainer gilt als Finanzier und Förderer Putins
Andere Superreiche haben mehr Federn gelassen. Etwas stärker betroffen als Abramowitsch ist etwa der gebürtige Ukrainer Michail Fridman. Die EU nannte den Geschäftsmann einen "führenden russischen Finanzier und Förderer von Putins innerem Kreis". Der Milliardär wies die Vorwürfe als "fadenscheinig und unbegründet" zurück. Seit Mitte Februar hat Fridman, der etwa auf der EU-Sanktionsliste steht, bisher etwa 2,5 Milliarden Dollar verloren – das ist ein Fünftel seines Vermögens.
Fridman soll sich einen Tag vor seiner Sanktionierung in einem internen Schreiben an seine Mitarbeiter gegen den Krieg ausgesprochen haben. Kritik an Russland übte der Ukrainer, der in Lviv im Westen der Ukraine aufgewachsen ist, dennoch nicht. "Krieg ist niemals die Antwort (...), den aktuellen Konflikt sehe ich als eine Tragödie für beide Seiten", soll der Geschäftsmann geschrieben haben.
Deutliche Verluste – und deutliche Kritik an Putin
Der russische Metall-Oligarch Wladimir Potanin fand zuletzt deutliche Worte für Putins Umgang mit den westlichen Sanktionen. "Wir sollten nicht versuchen, die Tür zuzuschlagen, sondern uns vielmehr bemühen, die wirtschaftliche Position Russlands in den Märkten zu bewahren, die wir so lange gepflegt haben", schrieb Potanin.
Sollte Putin die Drohung umsetzen, westliche Firmen wie Ikea oder McDonalds zu beschlagnahmen, weil sie sich aus Russland zurückgezogen haben, würde dies das Land um mehr als 100 Jahre zurückwerfen. Das Land würde wieder auf dem Status von 1917 zurückfallen, warnte der Oligarch.
Die Auswirkungen der Sanktionen spürt er bereits deutlich: Mit einem Verlust von 25,2 Milliarden Dollar hat Potanin fast ein Viertel seines Vermögens in weniger als vier Wochen verloren. Das lag unter anderem an dem enormen Wertverlust der Aktien seines Unternehmens Nornickel, das an der Börse in London gelistet ist. Innerhalb eines Monats verloren die Aktien mehr als 50 Prozent ihres Wertes.
Tui-Großaktionär hat keinen Zugriff mehr auf seine Anteile
Stärker trifft es den größten Einzelaktionär des deutschen Reiseunternehmens Tui. Das Vermögen von Alexei Mordaschow ist in der EU eingefroren, in Italien soll eine seiner Luxusjachten beschlagnahmt worden sein und auf seine Tui-Aktien, die 34 Prozent an dem gesamten Konzern ausmachen, hat er ebenfalls keinen Zugriff. Aufgrund der Sanktionen ist der Russe aus dem Aufsichtsrats des Reiseunternehmens ausgeschieden und hat mit mehr als 8 Milliarden Dollar fast 30 Prozent seines Vermögens verloren.
Wie deutlich die Sanktionen bei den Oligarchen wirken können, zeigt auch das Beispiel von Gennadi Nikolajewitsch Timtschenko. Der 69-jährige Ölunternehmer gilt als enger Freund von Wladimir Putin – durch die Sanktionen hat er knapp 40 Prozent seines Vermögens eingebüßt. Der russisch-finnische Oligarch steht sowohl auf der Sanktionsliste Großbritanniens als auch der EU – beide Wirtschaftsräume haben sein Vermögen eingefroren.
Mehr als 70 Prozent Verlust
Den mit Abstand größten Verlust muss aber der russische Oligarch Wagit Alekperow hinnehmen. Er verlor in den vergangenen Wochen fast zwei Drittel seines Vermögens. Allerdings spielen auch hier stark fallende Aktienkurse eine entscheidende Rolle – und stellten daher einen nicht realisierten Verlust dar.
Der Gründer, größter Aktionär und Chef des Mineralölkonzerns Lukoil musste ebenfalls einen enormen Verlust des Aktienkurses seines Unternehmens hinnehmen.
Die Ratingagentur Fitch hat die Kreditwürdigkeit von Lukoil als eines von 28 russischen Unternehmen am Samstag auf die niedrigste Stufe herabgestuft. Damit folgt Fitch der Einschätzung der Ratingagentur Moody, dass die Zahlungsunfähigkeit bei dem Ölkonzern kurz bevorstehe.
Weitere Oligarchen sollen auf der Sanktionsliste landen
Die Sanktionen zeigen bei einigen der Oligarchen somit schon nach wenigen Wochen deutliche Wirkungen. Allerdings sind viele dieser Verluste aktuell nur auf dem Papier ersichtlich – besonders Verluste durch sinkende Aktienkurse sind meist weniger ausschlaggebend, solange die Unternehmen der Oligarchen nicht insolvent gehen.
Nach den Plänen der westlichen Partner dürften dennoch deutlich mehr russische Superreiche bald ähnliche Maßnahmen spüren. Laut Ankündigungen versuchen die Regierungen, gegen eine Vielzahl weiterer Superreicher Maßnahmen zu erlassen und ihr Vermögen in Verbindung zu dem russischen Präsidenten zu setzen.
Das Ziel dahinter ist deutlich: Die Oligarchen stützen das System Putin, weil sie durch den russischen Präsidenten zu Reichtum gekommen sind. Verlieren sie diesen Reichtum, schwankt auch die Loyalität zu Putin – so zumindest das Kalkül der westlichen Partner.
- Eigene Recherche
- Auswertung des Statistikportals Statista
- Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa und AFP