LNG-Ausbau Habecks Ministerium plant offenbar mit falschen Zahlen
Begeht Robert Habeck bei der Planung der LNG-Terminals einen Fehler? Ein Bericht legt dies nahe – vonseiten des Ministeriums gibt es noch keine Erklärung.
Bei der Planung der deutschen Flüssiggas-Terminals (LNG) verwendet das Bundeswirtschaftsministerium einem Bericht zufolge an einer wichtigen Stelle eine falsche Zahl. Wie das Nachrichtenportal "Table.Media" berichtete, führt dies dazu, dass der Bedarf an in Deutschland benötigter Infrastruktur deutlich überschätzt werde.
Im Fokus: die Kapazität der LNG-Terminals von Deutschlands Nachbarländern. Insgesamt verfügten Polen, die Niederlande, Belgien und Frankreich über acht Terminals. Diese spielten durch ihre geografische Nähe "zwar für die Versorgung Deutschlands heute schon eine wichtige Rolle", schrieb das von Robert Habeck geführte Ministerium in einem Papier, das dem Medium vorliegt. Diese stellten zusammen aber eine Regasifizierungskapazität von nur rund 40 Milliarden Kubikmetern im Jahr dar. Dabei habe Deutschland einen Gasbedarf von circa 95 Milliarden Kubikmetern jährlich.
Ministerium orientierte sich womöglich an Vorjahren
Nach Angaben von "Table.Media" ist diese Angabe jedoch nicht korrekt. Eine Auswertung der täglichen Zahlen der europäischen Gasnetzbetreiber (AGSI) zeige, dass die Terminals in den genannten Nachbarländern vergangenes Jahr fast 70 Milliarden Kubikmeter Gas eingespeist hätten. Die Maximalkapazität betrage sogar mindestens 96 Milliarden Kubikmeter pro Jahr, wenn die Betreiber-Angaben summiert würden.
Dem Bericht zufolge hat das Wirtschaftsministerium nicht erklärt, wie es zu der falschen Angabe gekommen ist. Es sei jedoch möglich, dass es sich bei der Zahl von 40 Milliarden an den Werten der Vorjahre orientiert habe: Demnach wurden 2020 an den LNG-Terminals der Nachbarländer 38 Milliarden Kubikmeter Gas eingespeist, 2021 waren es 33 Milliarden Kubikmeter.
Begründung für LNG-Beschleunigungsgesetz
Besonders problematisch an der falschen Annahme zu Kapazitäten: Sie dient als Begründung für das im Mai beschlossene LNG-Beschleunigungsgesetz, wie "Table.Media"-Redakteur Malte Kreutzfeldt auf Twitter erklärte. Dort heiße es, die bestehenden Terminals könnten das russische Gas selbst bei voller Auslastung "nur zu einem geringen Teil" ersetzen.
Die Realität zeige jedoch, dass die bestehenden Terminals einen Großteil des russischen Gases ersetzen können, so Kreutzfeldt. Auch nach dem Stopp der Lieferungen über Nord Stream im September sei es weder in Deutschland noch in den Nachbarländern zu einem Gasmangel gekommen.
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Berichte über zu große Kapazitäten
Bereits im Dezember vergangenen Jahres hatte es Berichte darüber gegeben, dass die Planung der deutschen Terminals überdimensioniert sei. Einer Studie zufolge hätten diese viel zu große Kapazitäten. Seien alle elf LNG-Terminals in Betrieb, könnten diese 73 Milliarden Kubikmeter pro Jahr aufnehmen. Das wären 50 Prozent mehr Gas, als vor dem Ukraine-Krieg aus Russland bezogen wurde. Die Pläne seien "massiv überdimensioniert", hieß es in der Untersuchung des Umwelt-Thinktanks "New Climate Institute".
Die Hauptkritik: Der Bau der Anlagen stehe im Widerspruch zu Klimazielen und verletze damit auch das Klimaschutzgesetz. Nach Berechnungen der Klimaexperten sei der Gasverbrauch in Deutschland 2021 bereits um 12 Prozent niedriger als im vorherigen Jahr. Um die Klimaziele zu erreichen, müsste Deutschland aber weiter den Verbrauch reduzieren – bis 2045 auf fast Null. Nach Ansicht des Instituts könnte der Gasbedarf bis dahin über Landimporte von Nachbarländern gedeckt werden.
Institut: Schwimmende Stationen reichen aus
Nach bisherigen Planungen des Bundes sollen acht schwimmende Stationen und drei Anlagen an Land Gas unter anderem aus Katar aufnehmen und weitergeben können. Die Schiffe, die an den Küsten stationiert werden, sind angemietet.
Das "New Climate Institute" hat jedoch ausgerechnet, dass man selbst bei sinkenden Netto-Importen eine steigende Nachfrage mit höchstens drei schwimmenden Terminals decken könnte – oder einfach noch mehr Gas spart. Bereits ab 2035 würden dann die LNG-Anlagen gar nicht mehr gebraucht. Selbst wenn nur noch norwegisches Gas importiert würde, reichten die schwimmenden Terminals nach Berechnungen des Instituts aus.
Erstmals reines Tankschiff am Dienstag angekommen
Erstmals seit der Eröffnung des Terminals in Wilhelmshaven ist am Dienstag ein Tanker mit Flüssigerdgas dort angekommen. Herzstück des Terminals ist das fast 300 Meter lange Spezialschiff "Höegh Esperanza", welches das von Tankschiffen angelieferte verflüssigte Erdgas in den gasförmigen Zustand umwandeln und in das deutsche Gasnetz einspeisen soll.
Es kann bis zu fünf Milliarden Kubikmeter Erdgas in Gasform verarbeiten. Bei seiner Ankunft im Dezember hatte auch das Spezialschiff bereits eine Ladung LNG an Bord und in das deutsche Netz eingespeist. Bei dem Schiff, das am Dienstag in Wilhelmshaven angekommen ist, handelt es sich laut dem Betreiber Uniper um das erste reine Tankschiff.
Nach nur knapp zehn Monaten Planungs- und Bauzeit war das erste deutsche Terminal für den Import von Flüssigerdgas in Wilhelmshaven Mitte Dezember eröffnet worden. Wenige Tage später wurde der Testbetrieb aufgenommen.
- table.media: "LNG-Terminals: Regierung plant mit falschen Zahlen" (anmeldepflichtig)
- twitter.com: Tweets von @MKreutzfeldt
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa